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HBS Böckler Impuls

Weltwirtschaft: Sparzwang im Ausland gefährdet Export

Ausgabe 07/2010

Als Folge der Wirtschaftskrise müssen viele Staaten und auch deren Bürger sparen. Dem deutschen Exportmodell kommt damit zusehends die Geschäftsgrundlage abhanden.

Die Welt lebt sparsamer als vor drei Jahren - für die privaten Verbraucher in 25 wichtigen Industriestaaten gilt das jedenfalls. Das zeigen Daten der OECD, die der Würzburger Wirtschaftsprofessor Peter Bofinger für das jüngste IMK-Konjunkturforum aufbereitet hat. In 15 dieser Länder gaben die Konsumenten 2007 unter dem Strich mehr aus, als sie verdienten. Die USA, Italien, Spanien und Kanada gehörten zu dieser Gruppe. 2010 trifft das nur noch für vier Staaten zu: Australien,  Griechenland, Portugal und Neuseeland. Aber auch dort haben die Verbraucher ihren Konsum auf Pump deutlich zurückgefahren. In den anderen elf Staaten sind aus Schuldnern Sparer geworden. Und in jenen Ländern, in denen die Menschen bereits vor Ausbruch der Krise Geld zurücklegten, hat sich der Trend noch einmal verstärkt. Der private Sektor in den Niederlanden, der Schweiz, Japan und Schweden spart inzwischen mehr als zehn Prozent des Bruttoinlandsproduktes, in Deutschland etwas weniger.

Diese Entwicklung dürfte die deutsche Wirtschaft vor erhebliche Probleme stellen, prognostiziert der Wirtschaftsweise Bofinger. Denn die Leistungsbilanzüberschüsse des vergangenen Jahrzehnts fußten auch auf den starken weltwirtschaftlichen Ungleichgewichten: "Jeder Überschuss bei uns braucht das dazugehörige Defizit im Ausland", sagt Bofinger. Nur durch die Bereitschaft anderer Länder, sich zu verschulden, habe Deutschland immer größere Ausfuhrüberschüsse erzielen können. Eine Konstellation, die langfristig nicht anhalten könne, betont der Ökonom.

Wenn die Regierungen sparen, könnte die Konjunktur wieder einbrechen. Zurzeit gleichen noch die Konjunkturprogramme zahlreicher Länder den Nachfrageverlust bei den privaten Haushalten aus, zeigt Bofinger. Davon profitieren auch die deutschen Exporteure. Doch die Bemühungen der Staaten, die Weltwirtschaft zu stabilisieren, haben ihnen enorme Budgetdefizite eingetragen. In den USA dürfte es in diesem Jahr bei knapp elf Prozent liegen, in Großbritannien sogar noch höher. Wenn demnächst auch die Regierungen mit dem Sparen anfangen, wird die Nachfragelücke noch größer, warnt der Wirtschaftsprofessor. Hoffnungen, dass China die Vereinigten Staaten kurzfristig als globale Konjunkturlokomotive ablösen könnte, hält Bofinger für illusorisch. So machte der private Verbrauch der 1,3 Milliarden Chinesen 2007 weit weniger als ein Fünftel des privaten US-Konsums aus. Zudem basiere auch das chinesische Wirtschaftsmodell auf einer starken Exportausrichtung: "Die sind doch wie wir, die wollen vor allem ihre Produkte verkaufen", sagt Bofinger.

Deutsche Sparer haben auf vermeintlich unrentable Inlandsinvestitionen verzichtet - und toxische Wertpapiere gekauft. Das deutsche Exportmodell des vergangenen Jahrzehnts steht aus Sicht des Wirtschaftsweisen zunehmend in Frage - und das nicht nur wegen der abzusehenden Nachfrageschwäche des Auslands. Die Krise offenbare noch ein anderes Problem: Die deutschen Sparer - Unternehmen wie vermögende Privatleute - hätten ihre Gewinne durchaus nicht immer gewinnbringend angelegt. Bofinger skizziert die Fehlentwicklung so: Investitionen im Inland erschienen bei schwacher Lohnentwicklung und lahmendem Konsum nicht attraktiv. So sank die Quote der Nettoinvestitionen im vergangenen Jahrzehnt auf 3,4 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung - in den 1990er-Jahren war sie noch mehr als doppelt so hoch. Dagegen ging viel Geld in Finanzanlagen im Ausland, die hohe Renditen versprachen. "Ein guter Teil unserer mühsam erzielten Überschüsse ist so in ausländische Staatsanleihen oder in toxische Wertpapiere geflossen", erklärt Bofinger.

Ein Strategiewechsel ist nach Analyse des Ökonomen überfällig. Investitionen in Deutschland müssten wieder attraktiver werden als Finanzanlagen im Ausland. "Wir haben mehr davon, wenn wir hier bei uns investieren: in innovative Produktion, in Infrastruktur, in Top-Bildung." Eine wichtige Voraussetzung dafür sei eine ausgeglichenere Einkommensverteilung als in den vergangenen Jahren, damit der Konsum stärkere Impulse erhalte. Außerdem solle der Staat selbst geschaffene Investitionshürden wieder abbauen. Dazu zählt Bofinger beispielsweise die Abgeltungssteuer, weil sie Zinseinnahmen privilegiere. Auch die Schuldenbremse sieht der Wirtschaftsweise kritisch: "Faktisch verbietet sie dem deutschen Staat, in Deutschland zu investieren." 

  • Private Verbraucher in 25 wichtigen Industriestaaten leben sparsamer als vor der Wirtschaftskrise. In 15 dieser Länder gaben die Konsumenten 2007 unter dem Strich mehr aus, als sie verdienten. 2010 trifft das nur noch für vier Staaten zu. Zur Grafik

Peter Bofinger: Ist nach der Krise vor der Krise? (pdf), Vortrag auf dem IMK Konjunkturforum am 2. März 2010.

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