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HBS Böckler Impuls

Ältere Beschäftigte: Respektiert, doch vernachlässigt

Ausgabe 14/2006

Ältere Beschäftigte sind auf dem deutschen Arbeitsmarkt wenig gefragt. Obwohl die Arbeitgeber das Wissen und den Fleiß der Kollegen jenseits der 50 schätzen, kümmern sie sich kaum darum, deren Leistungsfähigkeit zu erhalten.

Ältere Skandinavier können lange im Job fleißig bleiben. In Dänemark gingen 2004 laut Eurostat 60 Prozent der 55- bis 64-Jährigen arbeiten, in Schweden gar 70 Prozent. Der Durchschnitt in den OECD-Ländern lag bei 50,8 Prozent. Werte, von denen Deutschland weit entfernt ist: Hier hatten 2004 nur 41,8 Prozent dieser Altersgruppe einen Job. Das sind zwar vier Prozentpunkte mehr als 1996, doch der Trend müsste sich erheblich verstärken, um das vom Europäischen Rat vorgegebene Ziel zu erreichen - danach soll bis 2010 jeder zweiter Europäer zwischen 55 und 65 im Berufsleben stehen. "Die unterproportionale Beschäftigung Älterer erklärt sich wesentlich aus dem betrieblichen Umgang mit den Angehörigen dieser Beschäftigtengruppe", so eine Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). Lutz Bellmann, Tilo Gewiese und Ute Leber haben - finanziert von der Hans-Böckler-Stiftung - die IAB-Betriebspanel von 2002 und 2004 ausgewertet, um das Problem aus Sicht der Arbeitgeber zu analysieren. Das Panel basiert auf Befragungen in fast 16.000 Betrieben aller Größen und Branchen.

Die Auswertungen zeigen: Im ersten Halbjahr 2004 wurden 12 Prozent der ausgeschriebenen Stellen mit über 50-Jährigen besetzt. Eine magere Quote - ihr Anteil an allen Arbeitslosen in Deutschland beträgt 25 Prozent. Woran liegt's?

Bewerbung: Ältere bewerben sich zu selten. Den Betrieben zufolge gibt es auf drei Viertel aller Ausschreibungen keine Kandidaten jenseits der 50. Die Experten empfehlen: "Ältere sollten sich trotz frustrierender Erfahrungen gerade bei Klein- und Mittelbetrieben stärker als bislang bewerben."

Branchen: Personal über 50 ist nicht in allen Branchen gefragt, beobachtet das IAB: Besonders viele Ältere arbeiten für gemeinnützige Einrichtungen und Gebietskörperschaften; im Verarbeitenden Gewerbe engagieren immerhin zwei von drei Betrieben einen Älteren. In allen übrigen Branchen sind es hingegen nicht einmal 60 Prozent.

Leistungsfähigkeit spielt keine Rolle. Die Chefs schätzen  Erfahrungswissen, Arbeitsmoral und Qualitätsbewusstsein der älteren Kollegen, zeigen die Befragungen des IAB. In Sachen Lernfähigkeit liegen die Jüngeren in der Einschätzung der Vorgesetzten vorn. Insgesamt halten die Betriebe die Leistungsunterschiede zwischen Jüngeren und Älteren für eher gering - mit leichten Vorteilen für die Beschäftigten über 50.

Weiterbildung: Ältere Erwerbstätige werden kaum vom Arbeitgeber gefördert. Fast nirgendwo in Deutschland gibt es altersspezifische Weiterbildung. In Ost wie West kümmert sich nur ein Prozent der Betriebe gezielt darum, dass die älteren Kollegen den Anschluss an neue Techniken halten, zeigen die IAB-Daten. Auch andere Aktivitäten, um die Beschäftigungsfähigkeit der Senioren zu bewahren oder zu erhöhen, sind rar. Arbeitsgruppen nach Alter der Beschäftigten zu mischen, Arbeitsplätze altersspezifisch auszustatten - nur eine kleine Minderheit der Betriebe nutzt solche Instrumente.

Absagegründe: Eine durchgehende Altersdiskriminierung beobachtet das IAB trotzdem nicht. "Prinzipielle Vorbehalte gegenüber älteren Arbeitnehmern sind nur in einem geringen Anteil der Betriebe anzutreffen." Wo ältere Bewerber sich 2004 ohne Erfolg auf offene Stellen bewarben, lag das selten am Geburtsdatum. Drei von vier Betrieben gaben an, das unpassende "Qualifikationsprofil oder die Persönlichkeit des älteren Bewerbers" habe den Ausschlag gegeben. Aber: 14 Prozent derer, die über 50-Jährigen eine Absage erteilten, begründen dies mit der Altersstruktur der Beschäftigten in ihrem Betrieb. "Etwa jeder zehnte Betrieb verzichtet auf eine Einstellung älterer Mitarbeiter, weil er dabei - teilweise aufgrund konkreter früherer Erfahrungen - altersbedingte Probleme sieht."

  • Warum kommt ein älterer Kandidat bei der Stellenvergabe nicht zum Zug? Hier eine Übersicht über die wichtigsten Gründe. Zur Grafik
  • Die Unternehmen tun wenig für ihre älteren Beschäftigten. Zur Grafik

Lutz Bellmann, Tilo Gewiese, Ute Leber: Betriebliche Altersstrukturen in Deutschland, in: WSI-Mitteilungen 8/2006.

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