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HBS Böckler Impuls

Unternehmensmitbestimmung: Pluspunkt Arbeitnehmerbank

Ausgabe 06/2006

Mitbestimmung im Aufsichtsrat steigert Produktivität und Innovationskraft von Unternehmen. An der Börse gibt es keinen "Mitbestimmungsabschlag". Das geht aus Studien hervor, die Unternehmenskennzahlen vor und nach dem In-Kraft-Treten des Mitbestimmungsgesetzes von 1976 analysieren.

Der Streit um die wirtschaftlichen Folgen der Mitbestimmung im Aufsichtsrat dauert seit Jahrzehnten an. Die Datenlage ist dünn, methodisch saubere Vergleiche sind schwierig. Doch jüngere Studien liefern robuste Befunde, so Bernd Frick, Professor an der Universität Witten/Herdecke, auf einer Tagung des Wissenschaftszentrums Berlin im Januar 2006. Die Ergebnisse im Einzelnen:

Das Mitbestimmungsgesetz von 1976 wirkt sich positiv auf die Produktivität der betroffenen Großunternehmen aus, zeigten Kornelius Kraft von der Universität Dortmund und Felix FitzRoy, Gastwissenschaftler am Forschungsinstitut zur Zukunft der Arbeit. Sie untersuchten die Entwicklung der Produktivität - das Verhältnis zwischen dem Umsatz und dem Kapital-, Arbeits- und Materialeinsatz - von 179 Unternehmen des verarbeitenden Gewerbes. Verglichen wurden zwei Zeiträume: die Jahre 1972 bis 1976 vor der Einführung des Gesetzes und die Periode 1981 bis 1985, als das Mitbestimmungsgesetz bereits einige Jahre in Kraft war. Von den 179 untersuchten Aktiengesellschaften unterlagen 65 ab 1976 nicht mehr der Drittelbeteiligung, sondern der neuen, weitergehenden Regelung. Fazit des Vorher-Nachher-Tests: Die "Verstärkung der Arbeitnehmerrechte hat einen geringen positiven Einfluss auf das Produktivitätsniveau gehabt. Dies ist sicherlich keine Unterstützung für die häufig geäußerte pessimistische Sicht über die Konsequenzen der Mitbestimmung."

Die Befunde korrespondieren mit britisch-deutschen Vergleichsstudien. Diese weisen darauf hin, dass gut ausgebildete Belegschaften der Hauptgrund für die höhere Produktivität in Deutschland sind. Mitarbeiterpartizipation und Teamarbeit wirken sich also positiv auf Produktivität und Gewinne aus.
Auch die Innovationskraft von Unternehmen wird durch die Mitbestimmung im Aufsichtsrat eher gestärkt: Kraft und sein Kollege Jörg Stank untersuchten die Entwicklung der Patenterteilungen von 1971 bis 1990 in 155 Aktiengesellschaften. Der Befund: Die Anzahl der erteilten Patente ist in mitbestimmten Unternehmen signifikant höher. Das Argument, gesetzliche Mitbestimmung behindere den technischen Fortschritt, sei daher empirisch nicht haltbar.

Einen anderen Ansatz wählten Frick und Theodor Baums: Sie untersuchten die Reaktion der Aktienkurse auf Gerichtsurteile zur Mitbestimmung. Gibt es einen Mitbestimmungsabschlag an der Börse?

Wenn ja, würde mehr Mitbestimmung zu fallenden und weniger Mitbestimmung zu steigenden Kursen führen. Veränderungen in der Rechtsprechung zu Mitbestimmungsfragen müssten sich in der Börsenbewertung der betroffenen Unternehmen niederschlagen. Das Ergebnis: Der Kapitalmarkt reagierte in der Vergangenheit weder auf Gerichtsurteile, die die Mitbestimmung tendenziell erweiterten, noch auf solche, die sie eher einschränkten. Der Analyse liegen 23 zwischen 1974 und 1995 ergangene Gerichtsurteile zugrunde, die insgesamt 28 Unternehmen betrafen.

Auch zwischen Branchen, in denen sehr viele Gesellschaften der Unternehmensmitbestimmung unterliegen, und Wirtschaftszweigen, in denen Mitbestimmung eher eine untergeordnete Rolle spielt, fanden Frick und Baums keine Bewertungsunterschiede. Weder das In-Kraft-Treten des Mitbestimmungsgesetzes von 1976 noch seine Überprüfung durch das Bundesverfassungsgericht im Jahr 1979 hatten messbare Auswirkungen auf die Anlageentscheidungen der Aktieninvestoren: Banken, Versicherungen, Metall- und chemische Industrie - Branchen, die aufgrund ihrer Betriebsgrößenstruktur besonders von der Neuregelung betroffen waren - entwickelten sich an der Börse nicht anders als Wirtschaftszweige, in denen die unternehmerische Mitbestimmung eine geringere Rolle spielt wie zum Beispiel im Bau, dem Handel und der Nahrungs- und Genussmittelindustrie. Anleger sehen die Mitbestimmung im Aufsichtsrat offenbar keineswegs als Investitionshindernis.

  • Nach diesen Regeln werden die Arbeitnehmer-Vertreter im Aufsichtsrat bestimmt. Zur Grafik

Felix FitzRoy, Kornelius Kraft: Die Auswirkungen der gesetzlichen Mitbestimmung auf die Produktivität deutscher Unternehmen, in: Das Ethische in der Ökonomie, Festschrift für Hans Nutzinger, 2005.

Kornelius Kraft, Jörg Stank: Die Auswirkungen der gesetzlichen Mitbestimmung auf die Innovationsaktivität deutscher Unternehmen, in: Schmollers Jahrbuch, 2004.

Bernd Frick: Kontrolle und Performance der mitbestimmten Unternehmung, in: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, 2005.

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