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HBS Böckler Impuls

Unternehmensteuerreform: Nicht noch mehr vom falschen Rezept

Ausgabe 04/2005

Am vehementesten fordert der Bundesverband der Deutschen Industrie eine Senkung der Steuern auf einbehaltene Gewinne. Die Hypothese: Wenn netto mehr Gewinne im Unternehmen verbleiben, führe das zu höheren Investitionen und damit insgesamt mehr Wachstum und Beschäftigung. "Deutschland hat eine solche Reform allerdings gerade erst hinter sich - mit sehr enttäuschendem Ergebnis", urteilt der Ökonom Gustav Horn.

Bei der großen Unternehmensteuerreform im Jahr 2001 sanken die Steuersätze deutlich: Für Kapitalgesellschaften verringerten sich Körperschaftsteuer, Gewerbesteuer und Solidaritätszuschlag zusammen auf einen Schlag um mehr als ein Viertel: von 51,8 auf 38,6 Prozent. Für Personenunternehmen kam die Entlastung von 2001 bis 2005 schrittweise mit der Senkung des Spitzensteuersatzes der Einkommensteuer im Rahmen der Steuerreform 2000. Insgesamt sanken ihre Steuersätze um ein Sechstel von 54,5 auf 45,7 Prozent.

Die Steuergeschenke für die Unternehmen rissen ein riesiges Loch in den Staatshaushalt. Das Bundesfinanzministerium schätzt den reformbedingten Verlust an Steueraufkommen auf etwa zwölf Milliarden Euro jährlich - Geld, das nun überall für wichtige Zukunftsinvestitionen fehlt. Die positiven Impulse für Wachstum und Beschäftigung blieben jedoch aus, weder die Unternehmensinvestitionen noch das Wirtschaftswachstum zogen spürbar an. Stattdessen fiel die deutsche Wirtschaft 2001 zunächst in eine dreijährige Stagnation und wuchs auch im Jahr 2004 nur schwach. "Das steuerpolitische Experiment ist offensichtlich fehlgeschlagen", so das IMK, "Warum sollte man es nun wiederholen?"

Dass das Experiment so enttäuschend ausfiel, ist auch nicht weiter verwunderlich. Studien deuten darauf hin, dass Unternehmensteuern nur einen mäßigen Einfluss auf den Zu- und Abfluss von Direktinvestitionen haben, so das IMK. Demnach kann eine Senkung der Unternehmensteuern zwar über eine Zunahme der Netto-Direktinvestitionen im Inland zu mehr Wachstum und Beschäftigung führen. Der Effekt ist gering, für die öffentlichen Haushalte aber sehr kostspielig.

In der gegenwärtigen Situation schwacher Binnennachfrage und geringer Absatzerwartungen ist ohnehin kaum mit zusätzlichen Sachinvestitionen der Unternehmen zu rechnen. Viel wahrscheinlicher wäre es, dass die Entlasteten in Finanzanlagen, in den Rückkauf eigener Aktien zur Kurspflege oder in ausländische Wachstumsmärkte investierten.

Zu einer ernsthaften Belastung für Wachstum und Beschäftigung könnten die bei einer Reform zu erwartenden Steuerausfälle werden. Denn Bundesregierung wie Oppositionsparteien bekennen sich nach wie vor zur Defizitgrenze des Europäischen Stabilitäts- und Wachstumspaktes. Daher würden wegen des Zwangs zur Haushaltskonsolidierung voraussichtlich in gleichem Umfang Ausgaben gekürzt wie Steuern gesenkt. Da Ausgabenkürzungen stärkere Wirkungen auf die Nachfrage haben als gleich große Steuersenkungen, ergäben sich insgesamt negative Wachstums- und Beschäftigungswirkungen. Niedrigere Steuern wären letztlich sogar kontraproduktiv.

Genau dieser Effekt ließ sich in jüngster Zeit bei der deutschen Steuer- und Finanzpolitik beobachten: Mit Rücksicht auf den Stabilitätspakt hat der Fiskus die riesigen Steuersenkungen bei der Einkommensteuer 2004 und 2005 über Steuererhöhungen an anderer Stelle und vor allem über Ausgabenkürzungen überkompensiert und so verhindert, dass die Finanzpolitik ihren Beitrag zum Aufschwung leisten konnte. Ein verlässliches Ausgabenwachstum wäre der Konjunktur weitaus besser bekommen als die Steuersenkungspolitik.

Wenn die Politik dennoch unbedingt bei den Unternehmensteuern handeln will, dann könnten auf ein oder maximal zwei Jahre befristete Abschreibungserleichterungen für zusätzliche Sachinvestitionen wie zum Beispiel Anlagen oder Bauten ein geeignetes Mittel sein. Auf diese Weise kämen die Unternehmen nur dann in den Genuss der Steuererleichterung, wenn sie tatsächlich zusätzlich investierten. Um die öffentlichen Haushalte nicht zu belasten, sollten die Erleichterungen aufkommensneutral über den Abbau von Steuerschlupflöchern im Unternehmensbereich gegenfinanziert werden.

Zur Reform der Unternehmensbesteuerung. Eine Argumentationsskizze von PD Dr. Gustav A. Horn und Dr. Achim Truger, Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) in der Hans-Böckler-Stiftung, März 2005

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