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HBS Böckler Impuls

Finanzmarkt: Neue Regeln

Ausgabe 05/2009

Damit die Finanzmärkte nicht erneut in eine Krise stürzen können, ist bessere Regulierung nötig. Darin sind sich alle Experten einig. Die bisher geforderten Schritte reichen jedoch nicht aus, zeigt eine Analyse.

Zu wenige Regeln und zu wenig Aufsicht haben weltweit zu der dramatischen Krise an den Finanzmärkten beigetragen. Regionale und internationale Organisationen und Gremien wie die Europäische Union oder die G 20 streben daher eine langfristige Neuordnung an.

Ein Autorenteam aus IMK und Mitbestimmungsförderung der Hans-Böckler-Stiftung hat die Pläne kritisch geprüft. Ihr Urteil: Die von wichtigen EU-Staaten für den G-20-Gipfel im April geforderten Regulierungsmaßnahmen gehen in die richtige Richtung. Die Wissenschaftler halten jedoch einige Ergänzungen für erforderlich.

Die Grundrichtung ist klar: Rendite und Wachstum im Finanzsektor sollten längerfristig nicht über denen der realwirtschaftlichen Sektoren liegen. Auf diesem Wege ließe sich in Zukunft eine spekulative Blasenbildung unterbinden. Die Wirtschaft könnte sich stabil entwickeln. Die Autoren schlagen vor:

Einführung einer Finanztransaktionssteuer. Kernproblem unregulierter Finanzmärkte sind extreme Kursschwankungen. Eine allgemeine Finanztransaktionssteuer, die bei jedem börsenähnlichen Wertpapiergeschäft erhoben wird, würde vor allem kurzfristige Spekulanten treffen. Langfristig orientierte Investoren, die ihre Papiere nicht nach wenigen Tagen - oder Minuten - wieder verkaufen, würden kaum belastet. Bereits ein geringer Steuersatz von 0,1 Prozent könnte spekulative Aktivitäten eindämmen. Sinnvoll wäre eine solche Regelung aber nur abgestimmt auf europäischer Ebene.

Staatliche Aufsicht für Rating-Agenturen. In der Finanzkrise haben die Agenturen nicht nur bei einzelnen Entscheidungen daneben gelegen. Mit ihren Ratings haben sie die Krise selbst mit hervorgerufen, schreiben die Autoren: durch zu gute Bewertungen für hohe Ausfallrisiken und sehr späte Korrektur falscher Ratings nach Eintreten der Krise. Der Fehler liegt im System. Weil sie von den Emittenten von Wertpapieren für ihre Dienste bezahlt werden, haben die Institute ein Interesse daran, die Risiken ihrer Finanziers möglichst gering einzuschätzen. Deshalb muss der Staat die Bewertungsverfahren der Agenturen regelmäßig kontrollieren. Finanziert werden sollten die Institute aus einem gemeinsamen Topf der Investoren; nicht mehr individuell vom jeweiligen Emittenten eines Wertpapiers.

Um ein Gegengewicht zu den drei marktbeherrschenden Agenturen in den USA zu schaffen, schlagen die Forscher die Etablierung einer Rating-Agentur mit Sitz in Europa und unter europäischer Aufsicht vor.

Anreize für eine nachhaltige Unternehmensführung. Steuerungs- und Anreizsysteme in Unternehmen haben ebenfalls zur Finanz- und Wirtschaftskrise beigetragen, stellen die Autoren fest. Die Orientierung an kurzfristigen Zielen wie den Quartalszahlen macht riskante Geschäfte auf den ersten Blick attraktiv. Geht etwas schief, müssen selbst fahrlässig handelnde Manager in der Praxis kaum befürchten, persönlich zur Verantwortung gezogen zu werden. Denn zumeist sind sie über das Unternehmen ohne Selbstbehalt versichert. Deshalb schlagen die Wissenschaftler für Manager einen verbindlichen Selbstbehalt beim Abschluss von Haftpflichtversicherungen vor. Dieser sollte mindestens ein Jahresgehalt betragen, um das Verantwortungsbewusstsein zu stärken.

Mehr Mitbestimmung könne ebenfalls dazu beitragen, dass Firmenlenker ihre Entscheidungen am langfristigen Wohl des Unternehmens ausrichten.

Strenge Regeln bei Unternehmenskäufen. In den vergangenen Jahren konnten viele Private-Equity-Gesellschaften die Mittel für eine Übernahme nur deshalb aufbringen, weil sie einen Kredit aufnahmen und diesen dem gerade erworbenen Unternehmen aufbürdeten. In Krisenzeiten geht so eine hoch verschuldete Firma leicht Pleite. Deshalb sollte diese Form so genannter "financial assistance" generell verboten werden, so die Autoren. Auch über Aktienrückkaufprogramme können Unternehmen ihre eigene Übernahme finanzieren. Eine Einschränkung und eine Korrektur der europarechtlichen Vorgaben wären daher sinnvoll.

"Das Finanzsystem muss stabiler, Übersteigerungen durch 'Laisser-faire' müssen verhindert werden", fassen die Forscher ihre Analyse zusammen. Dies gelte umso mehr, als in den vergangenen Jahren ein zunehmender Anteil der betrieblichen Alterssicherung und ein Teil der Riester-Renten über den Kapitalmarkt abgedeckt worden sind. "Finanzmarktkrisen gefährden somit nicht nur Arbeitsplätze, sondern auch die kapitalgedeckte Altersversorgung."

  • Die Finanzmärkte haben die Realwirtschaft abgehängt: 2007 wurden Papiere im Wert des 74-fachen Weltsozialprodukts gehandelt. Zur Grafik

Gustav Horn, Lothar Kamp, Heike Joebges, Alexandra Krieger, Sebastian Sick, Silke Tober: Höhere gesamtwirtschaftliche Stabilität durch bessere Regulierung - Vorschläge für eine Neuordnung der Finanzmärkte (pdf), IMK Report Nr. 36 März 2009

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