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HBS Böckler Impuls

Währungsunion: Münzsammler müssen noch warten

Ausgabe 10/2006

Jetzt ist es fast offiziell: Slowenien darf als erstes der neuen EU-Mitglieder Anfang 2007 den Euro einführen. Die Euro-Fitness der Neuen prüfen EU-Kommission und EZB anhand eines Kriterienkatalogs. Ein wichtiges Kriterium jedoch fehlt dabei, analysiert das IMK: die Arbeitslosenquote.

Grundsätzlich sollten die zukünftigen Mitglieder der Währungsunion nicht anders behandelt werden als die aktuellen Euro-Länder, urteilt Gustav A. Horn, wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK). Auch die ersten Euroländer hatten 1997 nachweisen müssen, dass sie die Kriterien des Maastricht-Vertrags erfüllen: Verschuldung, Inflation, Wechselkurs, Zinsen. Doch einige Änderungen seien nötig. Denn aus ökonomischer Sicht sind nicht alle Richtwerte von entscheidender Bedeutung für die Euro-Eignung, dagegen fehlt ein besonders wichtiges: die Arbeitslosenquote. Warum die so wichtig ist, zeigt ein Beispiel. Euro-Kandidat X erfüllt das Inflationsziel des Maastricht-Vertrags - die Teuerung ist hier nicht mehr als 1,5 Prozent höher als in den drei Ländern mit niedrigster Inflation. Aber die Arbeitslosigkeit ist hoch. Sobald wieder mehr Stellen zu vergeben sind, könnte das Land X gegen das Inflationskriterium verstoßen. Grund: Die stärkere Nachfrage nach Arbeitskräften kann höhere Löhne hervorrufen - die Inflationsrate steigt. Ist die Arbeitslosigkeit dagegen beim Start sehr niedrig, nimmt aber später zu, unterschreitet der Kandidat X das Inflationsziel: Auch das ist ein Problem.

Was die zu niedrige Teuerungsrate eines großen Mitgliedslandes anrichten kann, zeigt Deutschland anschaulich: Seit Beginn der Währungsunion liegt die Inflation hier weit unter dem Durchschnitt der Länder. In keinem anderen Land des Euroraums war die Lohnzurückhaltung so stark wie in Deutschland. So stieg zwar die preisliche Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft. Aber nicht ohne Gefahren: Auf Dauer kann sich der Lohndruck nach unten auf die anderen Länder übertragen. Das wäre nicht nur schlecht für die Arbeitnehmer, im gesamten Euroraum könnte das die Preise drücken. Mit der Folge einer Abwärtsspirale, die in Stagnation und Deflation mündet. In Sachen Arbeitslosigkeit wären die meisten EU-Neulinge allerdings fit für den Euro. Nur Polen und die Slowakei haben Arbeitslosenquoten weit über dem Schnitt der aktuellen Mitglieder der Währungsunion.

Kein neues EU-Mitglied hat den Euro bisher eingeführt. Es gilt eine Ausnahmeregelung: EU-Kommission und EZB prüfen mindestens alle zwei Jahre oder auf Antrag eines Mitgliedstaates, ob dieser die Kriterien für eine volle Beteiligung an der Währungsunion einhält. Der aktuelle Stand: Bislang erfüllen nur Polen, Tschechien, Slowenien und Zypern die wichtigste Voraussetzung: niedrige Inflation. Polen reißt jedoch die Zinshürde - die Regel lautet, dass die langfristigen Kapitalmarktzinsen nicht mehr als zwei Prozent höher als in den drei Ländern mit dem niedrigsten Zins sein dürfen. "Das lässt Zweifel aufkommen, ob sich die Inflation niedrig halten lässt", erläutert Horn. Die Wechselkurse der Kandidaten-Währungen sind durchweg stabil. Kein Wunder, haben sich doch die meisten inzwischen an die Entwicklung des Euro angelehnt. Allerdings könnten einige Länder vor einem Beitritt ihre Währung abwerten; das könnte kurzfristig eine höhere Inflation bedeuten. Das Kriterium Schuldenstand - maximal 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) - ist ebenfalls für fast alle Kandidaten kein Problem. Die baltischen Staaten sind fast schuldenfrei. Lediglich Zypern liegt über der 60-Prozent-Schwelle; die Schulden steigen sogar. Die Neuverschuldung - nicht mehr als 3 Prozent des BIP - ist für die Euro-Eignung nicht relevant, schreibt der Ökonom: "Ein Land mit einem niedrigen Schuldenstand kann sich eine hohe Neuverschuldung leisten. Die Geldstabilität beeinflusst das nicht." Insgesamt rät Horn jedoch zur Vorsicht bei der Aufnahme neuer Länder in die Währungsunion. Das eventuell schwächere Wachstum im Falle einer späteren Einführung des Euro wiege nicht so schwer wie die Gefahren einer zu frühen Aufnahme: "Erfolgt der Beitritt zu früh, ist zum Beispiel die Inflation noch zu hoch, leiden Wettbewerbsfähigkeit und Wachstum."

  • In den ersten Jahren nach dem EU-Beitritt zeigen sich noch hohe Unterschiede in den Arbeitslosigkeitsquoten. Zur Grafik

Gustav A. Horn: New EU Member States and the Euro, Briefing Paper für das Europäische Parlament, Februar 2006

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