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HBS Böckler Impuls

Soziale Dienstleistungen: Motivierte Umsteiger

Ausgabe 17/2018

Quereinsteiger werden das Problem des Fachkräftemangels in Kitas und Pflegeheimen allein nicht lösen. Doch die Erfahrungen mit Job-Umsteigern sind gut.

Könnte die Arbeitsagentur nicht einfach möglichst viele Berufswechsler und Arbeitssuchende umschulen? Schließlich geht der Ausbau der Kinderbetreuung viel zu langsam voran – bis 2025 werden mindestens 310 000 zusätzliche pädagogische Fachkräfte in Kitas gebraucht – und in Seniorenheimen sind unterbesetzte Stationen eher die Regel als die Ausnahme. Solche Gedankenspiele greifen zwar zu kurz, erklärt ein Forscherinnen-Team vom Deutschen Jugendinstitut in München in einer Studie für die Hans-Böckler-Stiftung. Längst nicht jeder und jede bringe die Voraussetzungen für die fachlich, physisch und p sychisch anspruchsvolle Arbeit in der frühkindlichen Bildung und der Altenpflege mit. Diejenigen, die sich im Laufe ihres Berufslebens entschließen, mit einer Ausbildung zum Erzieher oder zur Altenpflegerin noch einmal neu anzufangen, seien für ihre Arbeitgeber jedoch meist eine große Bereicherung. Die Befürchtung, dass durch die Einstellung von Quereinsteigern das fachliche Niveau sinken könnte, habe sich bislang als unbegründet erwiesen, so die Wissenschaftlerinnen. Sie  stützen ihre Einschätzung auf Interviews und Gruppendiskussionen mit Quereinsteigern selbst, den Leitungen von Betreuungs- und Pflegeinrichtungen sowie schulischen Lehrkräften. Dabei zeigt sich, dass beide Felder unterschiedliche Möglichkeiten des Quereinstiegs bieten und die Ausbildungszugänge verschieden geregelt werden. Im Gegensatz zur Altenpflege, wo auch verschiedene „niedrigschwellige“ Einstiegsmöglichkeiten bestehen, liegt die Hürde bei der Kinderbetreuung relativ hoch. Hier sind praktisch nur Quereinstiege möglich, die über eine Fachausbildung zur Erzieherin führen. 

Auch den Arbeitsagenturen fällt an dieser Stelle eine wichtige Rolle zu. Hier merken einige befragte Kita- und Heimleitungen kritisch an, dass die Agenturen die persönliche Eignung der vermittelten Personen zu wenig berücksichtigen und die Quereinsteigenden oft ungenügend über die Anforderungen im Tätigkeitsfeld informiert sind. Das führe zu erhöhten Abbruchquoten in der Ausbildung. Eine „Rekrutierungsoffensive“ über die Arbeitsagenturen wird daher eher skeptisch beurteilt.

Doch wer Motivation und Qualifikationsbereitschaft mitbringt, ist der Untersuchung zufolge in beiden Sektoren willkommen. Die Befragten berichten meist über positive Erfahrungen mit ihren spätberufenen Auszubildenden beziehungsweise Arbeitskräften. Entscheidend ist aus ihrer Sicht neben der Teamfähigkeit der Anwärter, dass sie bereits „praktische Berührungspunkte“ mit ihrem neuen Berufsfeld hatten – sei es im Rahmen eines Freiwilligen Sozialen Jahres, eines Praktikums, in früheren Jobs oder im Privaten. Das kann der Taxifahrer sein, der Freude an der Unterstützung älterer Menschen und dabei das Gefühl hat, etwas Sinnvolles zu tun, oder die Betriebswirtin, die nach einer Familienauszeit lieber mit Kindern arbeiten möchte, als ins Controlling zurückzukehren. Erkennbar sei zudem, „dass Quereinstiege gerade auch Männern die Möglichkeit eröffnen, geschlechtstypische Berufswahlentscheidungen hinter sich zu lassen“ und im zweiten Anlauf einen „Frauenberuf“ zu wählen, was sie sich früher nicht getraut hätten. 

Quereinsteiger sind gegenüber jüngeren Auszubildenden in mancher Hinsicht im Vorteil. Lehrkräfte in der theo­retischen Ausbildung erleben sie als „sehr reflektiert und engagiert“, in der betrieblichen Praxis gelten sie als „strukturiert, zielorientiert und belastbar“. Das hat allerdings auch eine Kehrseite: Zuweilen kommt es zu Überforderungen, weil in Vergessenheit gerät, dass es sich bei den Quereinsteigern trotz reichlicher Lebenserfahrung um Auszubildende handelt. Zudem tun sich jüngere Vorgesetzte und Praxisanleiter gelegentlich schwer im Umgang mit älteren Quereinsteigern. Gelungene Quereinstiege setzen insofern „neue Personalkonzepte und eine gezielte Teamentwicklung auf Seiten der Kitas und Pflegeheime voraus“.

Damit Alten- und Kinderbetreuung auch langfristig von den Quereinsteigern profitieren, müsse natürlich auch deren Verbleib in diesem Tätigkeitsfeld sichergestellt werden, heißt es in der Studie. Insbesondere in der Altenpflege sei dies fraglich, weil viele Befragte sich recht kritisch zu den Arbeitsbedingungen äußern und eine weitere Spezialisierung anstreben – womit bei der vom Personalmangel gebeutelten Grundversorgung nichts gewonnen wäre.

  • In die Alten- und Kinderbetreuung führen verschiedene Ausbildungswege. Zur Grafik

Mariana Grgic, Birgit Riedel, Lena Sophie Weihmayer, Nina Weimann-Sandig, Lisa Wirner: Quereinsteigende auf dem Weg zur Fachkraft (pdf), Study der Hans-Böckler-Stiftung Nr. 392, Juli 2018

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