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HBS Böckler Impuls

Unternehmensmitbestimmung: Mitbestimmung rechnet sich

Ausgabe 17/2008

Mehr Mitbestimmung bringt Unternehmen mehr Produktivität und Profitabilität. Dies zeigt eine empirische Untersuchung der Universität Jena.

Seit 1976 müssen Kapitalgesellschaften mit mehr als 2.000 Beschäftigten ihre Aufsichtsgremien zu jeweils 50 Prozent mit Vertretern der Arbeitnehmer- und der Kapitalseite besetzen. Zuvor saß im Aufsichtsrat lediglich ein Drittel Arbeitnehmervertreter, wie auch heute noch bei kleineren Kapitalgesellschaften mit mehr als 500 Arbeitnehmern. Wie hat sich diese Ausdehnung der Unternehmensmitbestimmung auf den wirtschaftlichen Erfolg der Gesellschaften ausgewirkt? Mit dieser Frage hat sich Simon Renaud an der Universität Jena beschäftigt. Sein Ergebnis: Musste ein Unternehmen mit Drittelbeteiligung die Zahl seiner Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat auf die Hälfte aufstocken, so wirkt sich das positiv auf seine Produktivität und seine Profitabilität aus.

Für seine Studie verwendete der Ökonom Unternehmensdaten wie die Zahl der Mitarbeiter, den Kapitaleinsatz, den Schuldenstand, den Gewinn sowie die Wertschöpfung aus den Jahren 1970 bis 2000. Anhand dieser Daten analysierte er den Einfluss von mehr Mitbestimmung auf den Unternehmenserfolg. Bei rund 250 Kapitalgesellschaften verglich Renaud Produktivität und Profitabilität in den Zeiträumen 1970 bis 1976 - da galt das Mitbestimmungsgesetz noch nicht - und 1980 bis 2000. Zu dieser Zeit fiel etwa die Hälfte der Unternehmen unter das Gesetz. Die Zahlen sind eindeutig: Kapitalgesellschaften, die mehr Unternehmensmit­bestimmung einführten, waren damit erfolgreicher als diejenigen, bei denen es bei der Drittelbeteiligung blieb. Auch statistische Probleme wie die unterschiedliche Größe der beiden Unternehmensgruppen fanden Berücksichtigung.

Zusätzlich untersuchte der Forscher den Langzeiteffekt von mehr Mitbestimmung, indem er den Trend von Produktivität und Profitabilität im Zeitraum von 1980 bis 2000 berechnete. Hierfür standen ihm die Daten von fast 500 Unternehmen zur Verfügung. Davon fielen knapp 200 unter die 76er Mitbestimmung. Das Ergebnis dieser Analyse: Auch im Verlauf zeigen sich keine Nachteile für Kapitalgesellschaften, die dieser Form der Mitbestimmung unterliegen. Die Produktivität zeigt keinen ausgeprägten Trend, die Profitabilität scheint jedoch sogar noch zuzunehmen.

Renauds Forschungsergebnisse bestätigen einige jüngere empirische Studien zum Thema. So haben beispielsweise die Wirtschaftsprofessoren Kornelius Kraft und Felix FitzRoy im Jahr 2005 bei der Einführung paritätisch besetzter Aufsichtsräte einen positiven Effekt für die Produktivität festgestellt. Zusammen mit Marija Ugarkovic ermittelte Kraft 2006 einen positiven Einfluss auf die Eigenkapitalrendite der stärker mitbestimmten Unternehmen.

Wenn nun ein Mehr an Mitbestimmung den Unternehmen auch ökonomisch nützt, warum führen sie es nicht freiwillig ein? Marktversagen durch Fehleinschätzung könnte die Ursache sein, vermutet Renaud. Zum Beispiel könnte ein Unternehmen befürchten, die Kapitalmärkte vermuten bei ihm fälschlicherweise wirtschaftliche Schwierigkeiten, wenn es den Beschäftigten freiwillig mehr Mitsprache einräumt. Dies könnte wiederum grundlos die Möglichkeiten der Kapitalbeschaffung verschlechtern. 

  • Die große Mehrheit der Arbeitnehmer spricht sich für die Mitbestimmung aus. Zur Grafik

Simon Renaud: Dynamic Efficiency of Supervisory Board Codetermination in Germany, in: Labour - Review of Labour Economics and Industrial Relations, Issue 4/5 2007; ders.: Arbeitnehmer­mitbestim­mung im Strukturwandel, Metropolis-Verlag, Marburg 2008

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