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HBS Böckler Impuls

Kombilöhne: Magdeburger Alternative: Zu schön, um wahr zu sein

Ausgabe 06/2006

1,8 Millionen neue Jobs und eine Entlastung der Staatskasse verspricht eine besonders ehrgeizige Kombilohnkonstruktion der Magdeburger Ökonomen Ronnie Schöb und Joachim Weimann. Das IMK hat nachgerechnet - und kommt zu ernüchternden Ergebnissen.

Das Konzept: Mit der "Magdeburger Alternative" wollen Schöb und Weimann den Preis für einfache Arbeit um bis zu 70 Prozent senken, ohne die Nettolöhne der betroffenen Arbeitnehmer zu beschneiden. Das soll durch massive Subventionierung der Sozialversicherungsbeiträge von Beschäftigten in der jeweils untersten Lohngruppe eines Unternehmens geschehen: Wenn eine Firma einen ehemaligen ALG-II- oder Sozialhilfeempfänger mit entsprechend niedriger Vergütung einstellt, würde die Staatskasse nicht nur die Sozialversicherungsbeiträge (Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteil) des Neuzugangs übernehmen, sondern zusätzlich die Beiträge eines weiteren, bereits beschäftigten Mitarbeiters.

Bedingung für die Subvention: Die Zahl der Beschäftigten in der untersten Lohngruppe geht - bezogen auf einen Stichtag - nicht zurück. So wollen die Magdeburger Mitnahmeeffekte verhindern. Arbeitgeber hätten dank dieser Konstruktion keinen Anreiz, vorhandene Arbeitskräfte durch subventionierte zu ersetzen, sondern würden zusätzliche Stellen schaffen, argumentieren die Wissenschaftler. Und nicht nur die zuvor Arbeitslosen würden sich freuen, sondern auch der Finanzminister: Zwar müssten Milliarden aus der Staatskasse an die Sozialversicherungen fließen; die Einsparungen beim Arbeitslosengeld II würden diese Abflüsse aber mehr als wettmachen. Am Ende hätte der Staat zwischen vier und sieben Milliarden Euro gespart.

Die Einwände des IMK

Fragwürdige Annahmen: Schöb und Weimann unterstellen, dass die Arbeitsnachfrage der Unternehmen bei sinkenden Löhnen überproportional steigen würde: In ihrem Modell führt eine Senkung der Arbeitskosten um 70 Prozent zu einer Beschäftigungssteigerung von 82 Prozent. Empirische Belege für diese Behauptung gibt es nicht, stellt das IMK fest.

Eine Fehlkalkulation: Selbst innerhalb der Modellogik geht die Rechnung nicht auf. Die vorgesehene "doppelte Subventionierung" soll die Arbeitskosten für neu Eingestellte um 70 Prozent senken. Auf jeden der beiden Arbeitnehmer - den neu eingestellten und den bereits beschäftigten - entfallen dann 35 Prozent. Die Autoren des Magdeburger Modells rechnen jedoch faktisch so, als würden die Lohnkosten für alle um 70 Prozent sinken - was  ihren eigenen Annahmen widerspricht. Dem IMK zufolge kann die Subvention insgesamt aber maximal eine Höhe von 35 Prozent der Arbeitskosten erreichen - nämlich dann, wenn alle Arbeitnehmer in der untersten Lohngruppe subventioniert werden. Der Beschäftigungseffekt fällt deshalb deutlich geringer aus. Statt 1,8 Millionen neuer Stellen, würden höchstens 550.000 Jobs entstehen. Auf die öffentlichen Haushalte käme eine zusätzliche Belastung von bis zu 10,5 Milliarden Euro zu. Das entspricht 19.100 Euro pro geschaffenem Arbeitsplatz. "Das beschäftigungspolitische und fiskalische Wunder löst sich in Luft auf", so das IMK.

Mitnahmeeffekte unvermeidbar: Trotz der Stichtagskonstruktion wären Mitnahmeeffekte kaum zu verhindern, der Staat würde Milliarden draufzahlen. Denn: Mittelfristig könnten Betriebe Arbeit in die unteren Lohngruppen verlagern. Außerdem hätten neu gegründete Betriebe, die von Anfang an auf subventionierte Arbeitskraft setzen, einen Kostenvorteil gegenüber alt eingesessenen Konkurrenten. Wenn sie sich im Wettbewerb durchsetzen, müsste der Staat am Ende doch alle Arbeitskräfte in der unteren Lohngruppe subventionieren. Die Gesamtkosten würden erheblich höher liegen als von den Magdeburgern veranschlagt.

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