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HBS Böckler Impuls

EU-Recht: Länder überarbeiten Tariftreueregeln

Ausgabe 08/2009

Zwei Bundesländer haben ihre Tariftreueregeln EU-kompatibel gemacht. Fünf weitere sind dabei.

Öffentliche Aufträge haben für die Wirtschaft der Bundesrepublik eine große Bedeutung, 2002 vergab der Staat Aufträge in Höhe von 17 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Wollen die Bundesländer die öffentlichen Aufträge künftig ausschließlich von jenen Unternehmen erfüllen lassen, die hiesige Tariflöhne zahlen, dann müssen sie ihre Vergabegesetze ändern. Das ist durch das Rüffert-Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) nötig geworden. Mit dem Urteil hat der EuGH die Gültigkeit von Tariftreue-Regelungen in den Vergabegesetzen der Bundesländer eingeschränkt. Laut EuGH dürfen die Länder bei öffentlichen Aufträgen die Pflicht zur Tariftreue nicht auf Unternehmen anwenden, die aus einem anderen EU-Land Arbeitnehmer entsenden. Das verstoße gegen die europäische Dienstleistungsfreiheit.

Bislang haben Hamburg und Niedersachsen ihr Vergabegesetz an die Rechtsprechung des EuGH angepasst. In fünf weiteren Ländern laufen parlamentarische Beratungen. Ob die Bundesländer auf diesem Weg die Tarifstandards stärken, hängt von der Zusammensetzung und den Leitlinien der jeweiligen Landesregierungen ab. Wo sich eine Landesregierung an den Interessen der Arbeitnehmer oder des regionalen Mittelstandes orientiert, strebt sie eine Erneuerung des Vergabegesetzes an. Das beobachteten Wissenschaftler der Universität Bielefeld, die für die Hans-Böckler-Stiftung das Vorgehen der Bundesländer untersucht haben. Eher keine Gesetzesnovelle wird es dort geben, wo sich die Landespolitik an liberalen Leitbildern ausrichtet.

Entscheiden sich die Länder dafür, am Grundsatz der Tariftreue festzuhalten, dann sollten sie auch die Umsetzung besser überwachen als bisher. Das raten die beiden Professoren Detlef Sack und Andreas Hänlein, die in der Praxis erhebliche Kontrolldefizite festgestellt haben. "Mit Ausnahme der Stadtstaaten Bremen und Hamburg ist es die Regel, dass administrative Kontrollstellen fehlen oder mangelhaft ausgestattet sind, während sie einer unübersichtlichen Vielfalt dezentraler Vergabestellen gegenüber stehen, denen der Wille zur Umsetzung der Tariftreue fehlt." Außerdem seien häufig in den Ämtern die anzuwendenden Tarifverträge nicht bekannt.

Andreas Hänlein, Rolf Jordan, Detlef Sack: Tarif­treuegesetze vor der Novellierung oder Abschaffung? Die Folgen der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes, Studie für die Hans-Böckler-Stiftung 2009

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