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HBS Böckler Impuls

Bildung: Labile Demokraten in den Hörsälen

Ausgabe 06/2009

Das Interesse vieler Studierenden an der Politik schwindet. Einer Untersuchung zufolge sind in den Hörsälen und Seminaren überzeugte und gefestigte Demokraten inzwischen in der Minderheit.

So wenig Interesse an Politik gab es noch nie: Nur 37 Prozent der Studierenden der Jahres 2007 erklärten, ein starkes politisches Interesse zu haben. Seit Wissenschaftler der Universität Konstanz die Einstellungen von angehenden Akademikern erkunden, lag der Anteil stets höher. Beim ersten Studierendensurvey 1983 waren es noch 54 Prozent. Von einem "drastischen Rückgang" und einer "Schwächung des demokratischen Potenzials in Deutschland", spricht darum Tino Bargel, Autor der Studie für das Bundesbildungsministerium. Besonders auffällig sei, wie sehr sich junge Frauen von öffentlichen Fragen abwenden. Noch 1983 war fast jede zweite Studentin politisch interessiert, mittlerweile sind es nur noch 29 Prozent. Bei den Männern fiel der Rückgang schwächer aus: von 58 auf 47 Prozent.

Die Neigung, sich mit Politik zu beschäftigen, ist in allen Fächern geschwunden. Am meisten Interesse haben jene, die bald beruflich mit Gesetzen zu tun haben: Jura-Studenten. Die Studierenden von heute halten das Thema "Politik und Öffentlichkeit" für weniger wichtig als ihre Vorgänger in den 1980er- und 1990er-Jahren. Dagegen wächst sehr stark die Wertschätzung der Familie. Es handele sich um einen grundlegenden Wandel der Einstellungen, schreibt Bargel.

Zudem sind die politischen Auffassungen der Studierenden diffuser geworden. Die meisten vermeiden Festlegungen. Strikte Anti-Demokraten sind zwar rar: Nicht einmal ein Prozent haben sich 2007 dazu bekannt. Aber grundsätzliche Distanz zur Politik äußerten 14 Prozent, doppelt so viele wie vor 25 Jahren. Vage in ihren Äußerungen zur Demokratie und ihren Werten sind zudem fast 40 Prozent. Der Forscher nennt diese Gruppe "labile Demokraten". In der Summe bedeute das: Es gibt in den Hörsälen und Seminaren keine Mehrheit von überzeugten und gefestigten Demokraten.

Der Konstanzer Wissenschaftler sieht die zunehmende politische Zurückhaltung auch vor dem Hintergrund veränderter Studienbedingungen: "Das Studium als Phase der Erprobung und der Alternativen ist kaum noch gefragt." Die angehenden Akademiker stünden früh unter Druck, zügig und ohne Umschweife zu studieren: "Die steigende Zahl der Studierenden nimmt dem Hochschulbereich manches an Exklusivität, dennoch wird der Hochschulabschluss für den Zugang in einen Beruf entscheidender."

  • Ein grundlegender Wandel der Werte: Angehende Akademiker verlieren das Interesse am öffentlichen Leben, dafür steigt die Bedeutung der Familie für sie. Zur Grafik

Tino Bargel: Wandel politischer Orientierungen und gesellschaftlicher Werte der Studierenden. Studierendensurvey: Entwicklungen zwischen 1983 und 2007, Untersuchung für das BMBF, Berlin 2008

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