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HBS Böckler Impuls

EU-Osterweiterung: Im Osten überwiegend heiter

Ausgabe 07/2005

Begeisterung in Litauen, Enttäuschung in Ungarn - die Bilanz für das erste Jahr in der EU fällt in Osteuropa gemischt aus. Die acht osteuropäischen Staaten haben zwar wirtschaftlich leicht zur alten EU aufgeschlossen, das erhoffte Wirtschaftswunder ist aber bislang ausgeblieben. In einigen der Beitrittsländer ist die Arbeitslosigkeit sogar gestiegen. Der Glaube an die politische Zukunft Europas bleibt aber fest.

Verglichen mit den Erwartungen in Osteuropa vor dem 1. Mai 2004 hat die EU vor allem in Litauen, Estland und Polen neue Anhänger gefunden, wie das jüngste Eurobarometer zeigt. In Litauen glauben fast 80 Prozent der Einwohner, dass ihr Land bislang von der EU-Mitgliedschaft profitiert - erwartet hatten dies vor 12 Monaten erst 60 Prozent. In Estland ist der Sprung von 41 auf 56 Prozent ebenfalls groß, in Polen immerhin noch bemerkenswert: 55 Prozent der Befragten sehen ihr Land als Beitrittsgewinner gegenüber 50 Prozent vor einem Jahr.

Stimmung entspricht der Lage

Skepsis ist unter den Tschechen verbreitet - nur vier von zehn meinen, dass sich die Mitgliedschaft für ihr Land bislang gelohnt hat (42 Prozent). Ausdrücklich sagen fast ebenso viele "hat sich nicht gelohnt". Auffällig ist die Verschlechterung in Ungarn. Vor dem Beitritt glaubten immerhin 58 Prozent der Magyaren an Vorteile in der EU, jetzt nicht einmal mehr die Hälfte (48 Prozent).

Die Stimmungsschwankungen spiegeln in vielen Ländern die wirtschaftliche Entwicklung wider. In Litauen stieg das reale Bruttoinlandsprodukt 2004 um 7,1 Prozent, die Erwerbslosenquote sank um 1,9 Prozentpunkte. In Tschechien stieg zwar auch die Wirtschaftsleistung deutlich (3,8 Prozent), aber ohne sichtbare Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt: Die Erwerbslosenquote kletterte sogar auf 8,3 Prozent. Ein Zusammenhang von Wirtschaftsentwicklung und Bewertung der EU-Mitgliedschaft lässt sich auch für die übrigen osteuropäischen Staaten aufzeigen - lediglich die Slowakei fällt aus der Reihe. Obwohl sich der Arbeitsmarkt dort schlechter entwickelt hat als in der EU insgesamt, hält sich dort der Gemeinschaft gegenüber eine bessere Stimmung als im europäischen Durchschnitt.

Starkes Wohlstandsgefälle

Mit hohen Wachstumsraten haben die osteuropäischen Staaten wirtschaftlich aufgeholt, das Wohlstandsgefälle in der EU ist aber nach wie vor stark. Das Pro-Kopf-Einkommen in Lettland lag 2004 bei 4.700 Euro. Zum Vergleich: In Deutschland erreichte es 26.400 Euro. Selbst wenn die deutlich niedrigeren Lebenshaltungskosten in vielen der Beitrittsstaaten in Rechnung gestellt werden - es bleibt ein großer Unterschied. In Lettland erreicht die Kaufkraft nicht mal die Hälfte (43 Prozent) des EU-Durchschnittswertes, Slowenien ist mit 78 Prozent das wohlhabendste osteuropäische Land. Allerdings schwankt die Einkommensverteilung innerhalb der Beitrittsstaaten stark. So liegt in Tschechien die Kaufkraft der Prager weit über dem EU-Durchschnitt, während sie in den übrigen Regionen kaum über 50 Prozent hinausreicht.

Etwas mehr Optimismus im Osten

Trotz - oder vielleicht auch gerade wegen - des großen wirtschaftlichen Rückstands blickt Osteuropa mit etwas mehr Zuversicht in die Zukunft. 22 Prozent der Bevölkerung in den neuen Mitgliedsstaaten glauben, dass sich die wirtschaftliche Lage bis Ende 2005 verbessert - in den alten EU-Ländern tun dies nur 17 Prozent. In den meisten osteuropäischen EU-Staaten hat das Lager der Optimisten im vergangen Jahr dazu gewonnen, eine Ausnahme bilden nur Ungarn und Tschechien. Zum Vergleich: In Deutschland glauben nur 13 Prozent an eine Besserung der Wirtschaftslage, die Pessimisten machen jetzt 60 Prozent aus.

Auch der Glaube an die politische Zukunft Europas ist in Osteuropa stärker ausgeprägt als in der EU, vor allem auch stärker als in Deutschland. Fast 80 Prozent der Polen und gut 75 Prozent der Litauer und der Slowenen sind für eine Erweiterung der EU in den kommenden Jahren. Selbst in Ungarn, das in diesem Ranking das Schlusslicht bildet, wünschen knapp zwei von drei Einwohnern (63 Prozent) eine erneute Erweiterung. EU-Durchschnitt: 53 Prozent. Das deutsch-französische Tandem, das sich gerne in der Rolle des Schrittmachers der europäischen Einigung sieht, haben die osteuropäischen Staaten damit weit abgehängt: Gerade einmal 39 Prozent der Franzosen und 36 Prozent der Deutschen sind dafür, weitere Mitglieder in die EU aufzunehmen.

  • Dass die Finanzierung der deutschen Einheit über die Sozialbeiträge ein Grundfehler gewesen ist - diese Einschätzung teilen mittlerweile viele. Weniger bekannt ist, dass der gewaltige West-Ost-Transfer der Sozialversicherung in den vergangenen Jahren sogar noch zugenommen statt abgenommen hat. Zur Grafik
  • Dass die Finanzierung der deutschen Einheit über die Sozialbeiträge ein Grundfehler gewesen ist - diese Einschätzung teilen mittlerweile viele. Weniger bekannt ist, dass der gewaltige West-Ost-Transfer der Sozialversicherung in den vergangenen Jahren sogar noch zugenommen statt abgenommen hat. Zur Grafik

Europäische Kommission, Eurobarometer 2003, 2004; Eurostat 2005

Strukturdaten zu Europa beim Statistischen Bundesamt

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