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HBS Böckler Impuls

Arbeitsmarkt: Geringfügige Beschäftigung: Subvention an der Zielgruppe vorbei

Ausgabe 05/2006

Minijobs boomen. Den Weg in sozialversicherungspflichtige Beschäftigung erleichtern sie jedoch kaum. Stattdessen machen die subventionierten Kleinjobber gering qualifizierten Arbeitslosen Konkurrenz und fördern den Abbau regulärer Arbeitsplätze, zeigt eine Analyse des WSI.

Rund 6,7 Millionen Menschen hatten im Juni 2005 einen Minijob. Seit der Einführung 2003 stieg die Zahl der geringfügig Beschäftigten um 2,6 Millionen. Minijobs als Formen subventionierter Arbeit sind ein Modell des Kombilohns. Das Kombi-Element finanzieren zunächst Steuerzahler und sozialversicherte Beschäftigte. Die Hoffnung: zusätzliche Jobs, insbesondere für gering qualifizierte Langzeitarbeitslose, und damit auch wieder Entlastung für die Sozialversicherungen und den Staatshaushalt. Eine WSI-Studie zeigt: Das Subventionskonzept Minijob erfüllt diese Erwartungen nicht:

Über ein Viertel der Minijobber sind im Nebenerwerb tätig. Diese Subvention von Hinzuverdiensten ist arbeitsmarkt- und sozialpolitisch nicht gerechtfertigt, so WSI-Autor Torsten Brandt. Im Dezember 2004 hatten 1,78 Millionen Minijobber eine andere Hauptbeschäftigung und brauchten folglich keine Brücke zu versicherungspflichtigen Stellen. Der Minijob bietet ihnen eine "außerordentlich günstige Hinzuverdienstmöglichkeit" - und schafft dadurch gering qualifizierten Arbeitslosen eine zusätzliche Konkurrenz. Für die Betriebe lohnt es sich besonders, Selbstständige und Beamte im Nebenerwerb einzustellen. Denn sind die Minijobber bereits privat versichert, spart das dem Arbeitgeber auch die Beiträge zur Krankenversicherung.

Ein "erheblicher Teil" der 4,78 Millionen ausschließlich geringfügig Beschäftigten waren 2005 nicht erwerbstätige Rentner, Ehefrauen, Schüler und Studierende. Das sind Gruppen, auf die sich Maßnahmen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit nicht vordringlich richten, stellte der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung 2005 fest. Die Lohnsubvention hat also große Streuverluste. Zudem mindern die geförderten Gruppen die Chancen von Langzeitarbeitslosen auf dem Arbeitsmarkt.

Der Boom der Minijobs geht einher mit einem Rückgang sozialversicherungspflichtiger Jobs. Genaue Berechnungen sind schwierig, doch der Sachverständigenrat äußert die "ernstzunehmende Befürchtung", dass Minijobs in Unternehmen sozialversicherungspflichtige Stellen verdrängen. Entweder, weil reguläre Jobs in Minijobs zerlegt werden — oder die Arbeit gleich so gesplittet angelegt wird. Der Beschäftigungswandel trifft besonders Dienstleistungsbranchen deutlich: Nach einer Studie des Instituts Arbeit und Technik stieg von 1999 bis 2004 der Anteil der geringfügig Beschäftigten im Einzelhandel um 21 Prozent, im Hotelgewerbe um 36 Prozent.

Fast zwei Drittel der Minijobber im Haupterwerb sind Frauen, von denen ein Großteil über den Partner versichert ist. Weil sie keine eigene soziale Sicherung erwerben, verfestigt sich die Abhängigkeit vom Familienernährer. Bei einer Scheidung fällt der Versicherungsschutz sogar ganz weg. Denn das ist die Kehrseite der Befreiung von Sozialbeiträgen und trifft alle Minijobber ohne anderweitige Versicherung: Es gibt keinen Versicherungsschutz bei Arbeitslosigkeit und Pflegebedürftigkeit. Auch die Ansprüche aus der Rentenkasse sind dürftig und bei Krankheit nur begrenzt.

Der Erfolg der Minijobs blockiert die Midijobs. Die Midijobs sollten eine Gleitzone zu sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätzen bilden: Bei einem Monatseinkommen zwischen 400 und 800 Euro klettern die Sozialbeiträge nur langsam von 4,2 auf 20,85 Prozent. Doch die Zwischenzone findet kaum Zuspruch, an der 400-Euro-Schwelle staut sich die Beschäftigung. Brandts Urteil: Wer Mitarbeiter für geringes Geld einstellt, zieht die günstigeren Minijobs vor.

 

Die Kosten der Lohnsubvention

Bei Mini- und Midijobs verzichten Fiskus und Sozialkassen auf Einnahmen und subventionieren so geringfügige Beschäftigung. Das ist kostspielig: Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung schätzt die jährlichen Verluste bei den Sozialkassen wegen der Umwandlung der bis 2003 sozialversicherungspflichtigen Stellen in Minijobs auf 612 Millionen Euro.

Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung kalkuliert zusätzlich den Ausfall der Einkommensteuer und kommt auf eine Milliarde Euro Minus. Die Bundesknappschaft als Minijob-Zentrale verrechnet die Ausfälle mit zusätzlichen Einnahmen aus den Minijobs und kommt sogar zu Beitragszugewinnen für Kranken- und Rentenversicherung. Diese Rechnung ginge aber nur auf, wenn alle Minijobs zusätzlich zu regulärer Beschäftigung entstanden wären, etwa aus der Schattenarbeit - doch das ist nicht belegt.

  • Geringfügige Beschäftigung wird subventioniert, doch davon profitieren vor allem die Unternehmen. Zur Grafik

Torsten Brandt: Mini- und Midijobs im Kontext aktivierender Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik, WSI-Diskussionspapier, 2005; Sachverständigenrat Wirtschaft: Jahresgutachten 2005/06.

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