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HBS Böckler Impuls

Arbeitszeit: Gelungenes Mannschaftsspiel auch im Schichtdienst

Ausgabe 04/2008

Eine bessere Lösung als verlängerte Arbeitszeit: In einem Pilotprojekt bestimmen Arbeitsgruppen ihre Einsatzzeit in Eigenregie. Die Beschäftigten sind zufriedener und müssen weniger Überstunden leisten.

Der Jahresrahmendienstplan, die Urlaubs- und Monatsdienstpläne - all das regeln Teile der Belegschaft eines großen Gesundheits-Unternehmens in Eigenregie. Seit 2004 bestimmen die Beschäftigten von sechs Abteilungen ihre Einsatzzeiten in der Gruppe. Wissenschaftlerinnen der Universität Flensburg haben in dem Krankenhaus und den Therapieeinrichtungen das Pilotprojekt "Selbstverantwortete Arbeitszeitplanung im Team" (SAT) begleitet. Sie bilanzieren: Die gemeinsam getroffene Arbeitszeitplanung hebt die Zufriedenheit der in Pflege, Therapie und Verwaltung eingesetzten Beschäftigten. Die Befragten schätzen ihre Mitbestimmungschance im Team höher ein als vorher.

Das Projekt startete nach den Haustarif-Verhandlungen 2004. Der Arbeitgeber hatte eine Verlängerung der Arbeitszeit gewünscht, die Belegschaft wollte mehr Mitsprache bei der Planung der Arbeitszeit. Am Ende einigen sich die Tarifparteien auf ein "Beispiel für innovative Arbeitszeitplanung", so Sebastian Brandl, Arbeitswissenschaftler der Hans-Böckler-Stiftung. SAT, das Resultat der Tarifverhandlungen, sollte statt Mehrarbeit mehr Effizienz schaffen.

Das dürfte gelungen sein: Inzwischen regeln nicht nur die sechs Abteilungen aus dem Pilotprojekt ihre Dienstpläne selbst, sondern noch vier andere Abteilungen des Gesundheitsunternehmens. Auch das Feedback der Beschäftigten fällt eindeutig aus, so die Forscherinnen. Die Mitarbeiter, die  über ihre Arbeitszeit gemeinsam entscheiden, bewerten ihre Arbeitszeitbedingungen positiver als Kollegen in anderen Abteilungen. Zudem sind sie zufriedener mit ihren Arbeitszeiten als vor Beginn des Projektes. Sie klagen weniger über Überforderungen, zeigen weniger emotionale Erschöpfung und haben das Gefühl, Herausforderungen besser bewältigen zu können.

Beispiel für innovative Arbeitszeitplanung

Selbstgesteuerte Arbeitszeiten sind vornehmlich in Unternehmen mit dünner Personaldecke zu finden - so der gegenwärtige Stand der Forschung. Dezentrale Zeitplanung ist jedoch nur dann sinnvoll, wenn der Zuwachs an Zeitautonomie nicht mit höheren Belastungen einhergeht, schreiben Marianne Resch, Professorin für Arbeits- und Organisationspsychologie, Alexandra Diendorf und Wiebke Wrage. "Die neue Selbstverantwortung sollte nicht zu Überforderung führen." Ging das Plus an Autonomie im Krankenhaus auf Kosten der Mitarbeiter? Die Arbeitsstunden der Beschäftigten werden auf einem Jahres-Arbeitszeit-Konto verbucht. Dabei wird sichtbar: Mit dem neuen System sind nicht mehr, sondern weniger Überstunden angefallen. Selbststeuerung muss bei Gruppenarbeit nicht zu mehr Arbeitsaufwand führen, folgern die Wissenschaftlerinnen.

Die Selbststeuerung der Gruppe braucht tatsächliche und nicht nur formale Autonomie. "Zentral für die beobachteten SAT-Gruppen war die Eigenständigkeit nach außen, also gegenüber der Bereichsleitung und den Vorgesetzten", schreiben die Forscherinnen.

Im Fallbeispiel der Pflegestationen gab es bereits gute Anknüpfungspunkte. Die Stationen genossen seit Jahren "eine gewisse Eigenständigkeit gegenüber Bereichsleitungen und anderen Vorgesetzten". Außerdem hatte die Unternehmensleitung schon zuvor ihre Arbeitszeit-Entscheidungen aufwändig begründet.

Zudem wichtig aus Sicht der befragten Beschäftigten: Eine eigenständige Planung kann nicht ohne weiteres angeordnet werden. Der Übergang in die Selbstständigkeit braucht Zeit. Abteilungen, die sonst per Anweisung organisiert werden, könnten Probleme mit einer plötzlichen Selbststeuerung haben. Und auch der Rahmen muss stimmen, schreiben die Arbeitsforscherinnen. Die Gesamtsituation des Unternehmens sollte stabil sein: "Zu viel Unsicherheit im Unternehmen und vor allem konkrete Bedrohungen des Status Quo können wirklich innovative Planungen verhindern."

Selbst organisierte Arbeitszeiten - Voraussetzungen für das Gelingen

Erwartungen klären
Bevor es losgeht, werden die Erwartungen der Beteiligten abgefragt - welche Ziele haben sie und welche Bedenken?

Unabhängigkeit
Die Selbststeuerung der Gruppe braucht tatsächliche und nicht nur formale Autonomie.

Regeln
Wenn die Gruppe groß ist, gibt sie sich Verfahrensregeln.  Sie kann außerdem Aufgaben an ein einzelne Mitglieder delegieren.

Gleichheit
Innerhalb der Arbeitsgruppe sind alle gleichberechtigt. Ein gewählter Beauftragter muss die Wünsche der Kollegen berücksichtigen.

Alexandra Diendorf, Marianne Resch, Wiebke Wrage: Selbstverantwortete Arbeitszeitplanung im Team (pdf), Arbeitspapier der Hans-Böckler-Stiftung, 2007

mehr Infos zum Projekt

Seite der Uni Flensburg zum Forschungsprojekt

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