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HBS Böckler Impuls

Krankenhäuser: Früh nach Hause, mäßig betreut

Ausgabe 15/2006

Verschlechtern Fallpauschalen für Krankenhäuser die Patientenversorgung? Eine umfassende Untersuchung im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung zeigt: Die Pauschale ist nicht der Grund für voreilige Entlassungen. Doch bei der Übergabe der Patienten an niedergelassene Ärzte hakt es.

Seit 2004 erhalten Deutschlands Krankenhäuser für ihre Patienten eine Fallpauschale. Die orientiert sich an der Diagnose und dem Schweregrad der Erkrankung - tatsächliche Kosten und Dauer des Aufenthalts spielen keine Rolle mehr. Das soll Liegezeiten verkürzen und Ausgaben senken. Forscher des Zentrums für Sozialpolitik der Uni Bremen und des Wissenschaftszentrums Berlin haben die Folgen der Umstellung untersucht und erstmals Patienten, Ärzte und Pflegekräfte qualitativ und quantitativ befragt. Insgesamt werteten sie Statements von über 10.000 Personen aus.

Die Fallpauschalen haben nicht dazu geführt, dass die Kliniken ihre Patienten erheblich früher nach Hause schicken. Der Trend zur kürzeren Verweildauer ist schon älter: 1990  musste ein Patient im Schnitt noch 14,7 Tage im Krankenhaus bleiben, 2004 wurde er nach 8,7 Tagen entlassen. Ab 2002 ist kein Sprung zu erkennen. Ein Grund für die langfristige Entwicklung: Mehrere gesetzliche Neuregelungen - etwa die Budgetierung - haben starke Anreize für mehr Sparsamkeit in den Spitälern gesetzt. Das gefällt den Krankenkassen, auch viele Patienten sind einverstanden. Die Forscher weisen aber auf ein Problem hin: "Es werden immer kränkere Menschen in immer kürzerer Zeit behandelt." Denn zugleich steigt die Schwere der Fälle - abzulesen am so genannten Case-Mix-Index. Der nahm für AOK-Patienten allein von 2002 bis 2004 um 10,7 Prozent zu.

Die Dauer des Klinkaufenthalts entspricht in der Regel den Bedürfnissen der Patienten - 70 Prozent sagen, der Zeitpunkt der Entlassung sei genau richtig. Bei den meisten Krankheiten ist zwischen 2002 und 2005 sogar der Anteil derer gesunken, der sich zu früh entlassen fühlt. Aber: Patienten mit starken Schmerzen wünschen sich zunehmend mehr Zeit im Krankenhaus, als ihnen gewährt wird. Bei Rheuma- und Krebskranken verdoppelte sich dieser Anteil innerhalb drei Jahren sogar. Mehr als jeder dritte Rheumatiker fühlt sich zu früh nach Hause geschickt. Auch manche Mediziner haben Zweifel: Ein Fünftel der befragten Ärzte ist der Meinung, dass der Entlassungszeitpunkt häufig oder durchgängig zu früh sei. Die Forscher haben Unterschiede in der Bewertung von privaten und öffentlichen Spitälern ausgemacht. Patienten von Privatklinken klagen häufiger, nicht lange genug betreut zu werden. Das trifft bei vielen Leiden zu, etwa Krebs oder Krankheiten des Bewegungsapparates.

Eine frühzeitige Entlassung sei nur dann gerechtfertigt, so die Wissenschaftler, wenn die Patienten anschließend weiter medizinisch betreut werden - schließlich sind sie noch nicht gesund und benötigen weitere Behandlung. Doch gerade bei der Übergabe an die ambulanten Praxen hapert es. Nur 31 Prozent der befragten Krankenhausärzte haben 2004 systematisch mit niedergelassenen Fachärzten zusammengearbeitet. Von diesen meinten wiederum 40 Prozent, die Kooperation laufe "nicht wie gewünscht". Das hat sich seitdem nicht verbessert. Schon bei der Einweisung der Patienten arbeiten die Ärzte in den Praxen und auf Station nicht gut zusammen: 56 Prozent der Mediziner in der Krankenhäuser sagten, ihnen läge,n beim ersten Patientenkontakt selten oder nie eine komplette Akte vor. 15 bis 20 Prozent der Kranken erklärten, die Aufnahme in die Klinik sei durch Informationsmängel der Ärzte getrübt.

Die Aufklärung der entlassenen Patienten ist nach Einschätzung der Forscher ebenfalls längst nicht immer ausreichend. Die Wissenschaftler beobachten: "Ein Teil wird nach kurzer Liegezeit unvorbereitet aus dem Krankenhaus entlassen." Jeder Zehnte gab an, er sei nicht verständlich und hinreichend über den Zweck der Medikamente aufgeklärt worden. 15 Prozent sagten, sie wüssten nicht, welche Warnsignale künftig zu beachten seien. 

  • Ärzte im Krankenhaus wünschen sich bessere Zusammenarbeit mit den nachbehandelnden Medizinern. Zur Grafik
  • Ein echtes Problem: Wenn Patienten aus dem Krankenhaus entlassen werden, gibt es nicht genug Informationen für die nächste Zeit. Zur Grafik

Bernhard Braun, Rolf Müller: Versogungsqualität im Krankenhaus aus der Perspektive der Patienten, Asgard, St. Augustin 2006.

Sebastian Klinke, Hagen Kühn: Krankenhaus, Geld und ärztliche Arbeit. Eine sozialwissenschaftliche Studie zur finanziellen Steuerung der Krankenhäuser, Edition Sigma, Berlin, im Erscheinen.

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