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HBS Böckler Impuls

Gleichstellung: Ein Gesetz für Entgeltgleichheit

Ausgabe 09/2011

Männer und Frauen haben Anspruch auf gleiche Entlohnung bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit. Ein Gesetz könnte helfen, dieses Recht auch durchzusetzen.

Männer und Frauen sind gleichberechtigt; das steht so seit 62 Jahren im Grundgesetz. Dennoch erhalten sie nach wie vor im gleichen Job nicht immer das gleiche Geld, so Heide Pfarr, Wissenschaftliche Direktorin des WSI. Kein Zufall - denn praktikable Wege zur Durchsetzung des Entgeltgleichheitsgebots gebe es bislang nicht. Die Juraprofessorin hat deshalb mit einer Gruppe von Expertinnen Eckpunkte für ein Entgeltgleichheitsgesetz entwickelt.

Derzeit muss eine Beschäftigte individuell ihren Arbeitgeber vor dem Arbeitsgericht verklagen, wenn sie weniger verdient als vergleichbare Kollegen - selbst dann, wenn diese Diskriminierung für eine Gruppe von Frauen in ihrem Unternehmen gilt. Dabei müsse die Klägerin in der ­Regel "ein System auf den Prüfstand stellen, das oft von den Tarifvertragsparteien und/oder der betrieblichen Interessenvertretung getragen wird und meist auch seine (männlichen) Profiteure hat", gibt Pfarr zu bedenken - eine enorm hohe Hürde. Selbst wenn nach einem langwierigen, risikoreichen und teuren Verfahren die Klägerin Recht erhalte, sei der Ertrag bescheiden: Das Urteil gilt nur für den Einzelfall, noch nicht einmal für alle Beschäftigten im beklagten Unternehmen.

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz von 2006 erlaubt zwar Betriebsrat und Gewerkschaften, gegen "grobe Verstöße" des Arbeitgebers gegen die Gleichbehandlungspflicht gerichtlich vorzugehen. Doch die Frage der Gleichstellung beschäftige Betriebsräte in der Praxis nur wenig, stellt die Juraprofessorin fest. Bisher seien lediglich zwei solcher Verfahren bekannt. Auch bei Tarifverträgen sieht die WSI-Direktorin Defizite: Zwar fällt die geschlechtsbezogene Einkommensdifferenz geringer aus, wenn Tarifverträge die Entlohnung standardisieren und es einen Betriebsrat gibt, zeigen Erhebungen. Aber selbst unter solch günstigen Bedingungen lasse sich Diskriminierung nicht beseitigen, so Pfarr.

Zeit für ein Entgeltgleichheitsgesetz. Dabei sind zu regeln:

Für wen gilt das Gesetz? Das Gesetz soll für die Privatwirtschaft, den öffentlichen Dienst und die Tarifvertragsparteien gelten. In der Privatwirtschaft sei es fraglich, ob alle gesetzlichen Verfahrensregeln die Bedingungen in Kleinbetrieben angemessen erfassen können, erläutert die Juraprofessorin. Deshalb schlägt sie vor, dass erst Betriebe mit mehr als 15 Mitarbeitern über die Entlohnung ihrer Beschäftigten berichten müssen.

Wer setzt den Rechtsanspruch durch? Zuständig für die Herstellung von Entgeltgleichheit sind nach Pfarrs Analyse die Geschäftsführung - und der Betriebsrat, sofern es ihn gibt. Für diskriminierungsfreie Tarifverträge sieht sie zudem Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände in der Pflicht. Der Gesetzgeber müsse aber die Akteure dazu verpflichten, die notwendigen Korrekturen umzusetzen, denn sie "tun es nicht aus eigenem Antrieb". Notwendig seien also Akteure und Verfahren, die sie zum Handeln bewegen.

Wie wird Diskriminierung festgestellt? Die Expertinnen schlagen vor, dass alle Arbeitgeber in bestimmten Abständen einen Entgeltbericht erstellen - unter Beteiligung von Betriebsrat und Gleichstellungsbeauftragter, so vorhanden. Der Bericht wäre im Betrieb zu veröffentlichen und an eine staatliche Stelle - zum Beispiel die Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) - weiterzugeben, die dann kursorisch prüft, ob Entgeltungleichheit vorliegt. Auf das Ergebnis könnten Gewerkschaften, Arbeitgeber- und - als neue Akteure - Antidiskriminierungsverbände zugreifen.

Wie wird Diskriminierung beseitigt? Bei Verdachtsmomenten auf Entgeltdiskriminierung würde die ADS detaillierte Daten aus dem Betrieb anfordern. Sie stünden dann für eine gründliche Prüfung durch Sachverständige zur Verfügung. Erhärtet sich der Verdacht, müsste der Arbeitgeber die Entgeltungleichheit binnen einer im Gesetz festgelegten Frist beseitigen. Dafür würde eine Einigungsstelle gebildet, bestehend aus Vertretern der Arbeitgeber- und der Betriebsratsseite unter Vorsitz einer sachkundigen unparteilichen Person. In Betrieben ohne Betriebsrat müsste sich der Arbeitgeber von Sachverständigen beraten lassen. Diskriminierung aufgrund tariflicher Regelungen sollen die Tarifvertragsparteien ebenfalls innerhalb einer Frist ausräumen; bleiben sie untätig, dürfte die Einigungsstelle diese korrigieren. Analog zu den betrieblichen würde es auch tarifliche Entgeltberichte geben.

Gibt es Strafen? Sanktionen sieht der Gesetzentwurf nur für den Fall vor, dass der Arbeitgeber die geforderten Berichte nicht abliefert; dann könnten Bußgelder fällig werden. Bei Verdachtsmomenten für eine Diskriminierung sind vorrangig Betriebsräte und Gewerkschaften, aber auch Antidiskriminierungsverbände am Zug. Bleiben diese untätig, geschieht nichts. Doch die Juraprofessorin setzt hier auf "eine für das Anliegen Entgeltgleichheit hilfreiche Wettbewerbssituation": Die Verbände würden wohl exemplarisch große Arbeitgeber mit Verdachtsmomenten herauspicken und ein Verfahren gegen sie anstrengen - und so andere dazu bringen, von sich aus mögliche Entgeltdiskriminierung zu beseitigen.

  • Frauen sind nicht nur weniger häufig unter den Führungskräften vertreten, auch ihr Verdienst liegt unter dem der Männer. 2008 betrug der Abstand in der Privatwirtschaft 28 Prozent. In frauendominierten Berufen werden im Durchschnitt geringere Gehälter bezahlt als in typischen Männerberufen. Arbeiten Männer in Frauenberufen, erzielen sie häufig einen höheren Verdienst als Frauen. Zur Grafik

Heide Pfarr: Die Entgeltgleichheit für Frauen und Männer erfordert ein Durchsetzungsgesetz, in: WSI-Mitteilungen 5/2011

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