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HBS Böckler Impuls

Unternehmensmitbestimmung: Auch Manager schätzen Mitbestimmung

Ausgabe 17/2012

Topmanager in Großunternehmen halten sich auffallend zurück, wenn Wirtschaftsverbände die Unternehmensmitbestimmung angreifen. Wollen sie sich damit nur Ärger im Aufsichtsrat ersparen? Eine neue Studie hat eine bessere Erklärung: ihre positiven Erfahrungen mit den Arbeitnehmervertretern.

In den 1970er-Jahren zogen Wirtschaftsverbände und Unternehmen an einem Strang, um die Einführung paritätisch besetzter Aufsichtsräte in allen Großunternehmen zu verhindern. Bekanntermaßen waren sie erfolglos. Als der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) und die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) nach der Jahrtausendwende eine neue Initiative gegen die Unternehmensmitbestimmung starteten, war von der früheren Einigkeit kaum noch etwas zu spüren: Die Verbände bekamen von Managern großer Unternehmen so gut wie keine Rückendeckung für ihre Vorschläge zur Rückabwicklung der Mitbestimmung. Im Gegenteil: Einige Vorstandsmitglieder lobten die Mitbestimmung öffentlich. Das belegt eine Studie der Sozialforscher Martin Höpner und Maximilian Waclawczyk, die Medienberichte und andere Dokumente ausgewertet haben. Die beiden Wissenschaftler vom Max-Planck-Institut (MPI) für Gesellschaftsforschung liefern einen neuen Erklärungsansatz für das Phänomen, dass Manager von Großunternehmen sich nicht an Kampagnen gegen die Mitbestimmung beteiligen.

Opportunistische Manager? Recht verbreitet ist die These, dass Manager zwar die gleichen Aversionen gegen die Mitbestimmung im Aufsichtsrat haben wie BDI und BDA, aber auf öffentliche Äußerungen verzichten, um Konflikte mit der Arbeitnehmerbank im eigenen Unternehmen zu vermeiden. Sie stünden also in Wirklichkeit auf der Seite der Verbände und würden dies – aus opportunistischen Gründen – nur nicht zugeben. Dazu stellen Höpner und Waclawczyk fest: „Es ist offensichtlich, worin der Reiz des Opportunismus-Arguments für Mitbestimmungsgegner liegt, lässt sich mit ihm doch ein durchschlagender Rückhalt für eigene Positionen behaupten, ohne diese Behauptung empirisch belegen zu müssen.“ Eine Reihe empirischer Fakten spricht den MPI-Forschern zufolge aber gegen die Opportunismus-These. Vor allem die Tatsache, dass mitbestimmungserfahrene Manager auch nicht gegen Arbeitnehmerbeteiligung wettern, wenn sie anonym befragt werden.

So sprachen sich bei einer Umfrage unter DAX-Führungskräften 1998 über 70 Prozent der Befragten gegen eine Abschaffung der Unternehmensmitbestimmung aus. Besonders aufschlussreich finden die Wissenschaftler aber eine Umfrage des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft von 2006, die ihnen gerade wegen „ihrer manipulativen Tendenzen als perfekter Testfall“ erscheint. Obwohl dem Fragebogen ein mitbestimmungskritisches Anschreiben der Präsidenten von BDI und BDA beilag und die vorgegeben Antwortmöglichkeiten auf eine Polarisierung zielten, fiel die Unterstützung für die Positionen der Verbände recht dünn aus, so Höpner und Waclawczyk. 38 Prozent der von Unternehmen mit 1976er-Mitbestimmung ausgefüllten Fragebögen enthielten eine kritische Bewertung der Mitbestimmung, 34 Prozent eine positive. 28 Prozent enthielten sich, obwohl gar keine neutrale Antwortkategorie vorgesehen war. Insgesamt war die Beteiligung gering. Und in den veröffentlichten Ergebnissen wurden die Fragebögen aus dem Bereich der Montanmitbestimmung nicht berücksichtigt. Vermutlich hätte sich sonst „das Gesamtbild sogar zugunsten der numerischen Parität verschoben“, so die Forscher.

Mit der Übung verliert die Mitbestimmung ihren Schrecken. Offenbar haben die befragten Manager keine so schlechten Erfahrungen mit der Mitbestimmung gemacht, wie BDI und BDA zuweilen behaupten, lautet die Schlussfolgerung der Wissenschaftler. Und damit erkläre sich auch, warum sich die Haltung von Unternehmensvertretern seit den 1970er-Jahren verändert hat: Anfängliche Befürchtungen, paritätisch besetzte Aufsichtsräte bedrohten die marktwirtschaftliche Ordnung, haben sich nicht bewahrheitet. Inzwischen hätten viele Manager den Rat der Arbeitnehmervertreter schätzen gelernt.

Nach der MPI-Analyse sind es gerade Unternehmen ohne Erfahrung mit paritätisch besetztem Aufsichtsrat, die mehr Mitbestimmung am meisten fürchten. Dazu passt auch, dass nur relativ wenige Großunternehmen versucht haben, sich der 1976er-Mitbestimmung durch rechtliche Schlupflöcher wieder zu entledigen. Wachsende Unternehmen, die noch unter der 2.000-Mitarbeiter-Schwelle liegen, wählten hingegen häufig eine Rechtsform, mit der sie der quasi-paritätischen Mitbestimmung von Anfang an entgehen können.


Zitate aus der Studie

  • Standort
    Für mich ist die Mitbestimmung ein Standortvorteil Deutschlands.
    Peter Löscher, Vorstandsvorsitzender Siemens
  • Kompetenz
    Ich habe es auf der Arbeitnehmerseite insgesamt immer mit sehr kompetenten Menschen zu tun gehabt.
    Jürgen Schrempp, ehemaliger Vorstandsvorsitzender DaimlerChrysler
  • Innovation
    Wir hätten unser Konzept nicht hinbekommen ohne die Mitbestimmung.
    Konrad Reiss, ehemaliges Vorstandsmitglied Telekom
  • Wettbewerb
    Ohne die Mitbestimmung wären wir heute nicht die Nummer drei am deutschen Strommarkt.
    Klaus Rauscher, Vorstandsvorsitzender Vattenfall

zitiert nach: Höpner, Waclawcyk 2012

Martin Höpner und Maximilian Waclawczyk: Opportunismus oder Ungewissheit? Die Arbeitgeberhaltungen zum mitbestimmten Aufsichtsrat (pdf), in: Industrielle Beziehungen 3/2012

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