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HBS Böckler Impuls

Interview:: 'Auch Führungspositionen sind teilbar'

Ausgabe 06/2008

Junge Frauen wollen bessere - und besser bezahlte - Jobs, sagt Prof. Jutta Allmendinger, Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung (WZB). Und sie haben sehr gute Chancen, diese auch zu bekommen.

Ihre Studie zeigt: Junge Frauen wollen Kinder bekommen, aber auch Geld verdienen. Sie haben nicht mehr nur die Wunschberufe Friseurin, Verkäuferin - mit niedriger Bezahlung und wenig Entwicklungsmöglichkeiten. Warum ergreifen trotzdem immer noch viele Frauen diese Berufe?

Allmendinger: Nur noch eine Minderheit von Frauen wird Friseurin oder Verkäuferin: diejenigen mit einem Hauptschulabschluss. Bei der Wahl ihrer Wunschberufe sind junge Frauen mittlerweile insgesamt weniger geschlechtspezifisch geprägt. Sie haben inzwischen ein wesentlich breiteres Spektrum; dazu gehören auch männerdominierte Berufe. Sind die Frauen aber später in den Männerberufen beschäftigt, beobachten wir den so genannten Drehtüren-Effekt: Frauen gehen ausgebildet in diese Berufe, werden dann aber auch aufgrund starker Männerbündnisse hinausgedrängt.

Etwas anders sieht es bei angehenden Akademikern aus: In den Ingenieurwissenschaften ist die Zahl der Studentinnen sprunghaft gestiegen. Streben also bislang nur die besser gebildeten Frauen nach den besser dotierten Jobs?

Allmendinger: Bei den Frauen sehen wir eine Bildungsexpansion, bei den Männern eine Bildungsimplosion. Noch nie gab es so viele gut gebildete Frauen. Bei diesen stellen wir eine ausgeprägte Akademisierung und damit auch das Streben nach besserer Bezahlung fest. Allerdings ist das Schulsystem nicht nach oben durchlässig: 72 Prozent der jungen Frauen, deren Mutter Abitur hat, machen diesen Abschluss auch selbst. Töchter von Frauen mit Hauptschulabschluss schaffen dies nur zu 26 Prozent. Damit vergeuden wir ein großes Potenzial. Frauen aus niedrig gebildeten Elternhäusern sind ja keineswegs dümmer. Des Weiteren sind soziale Kompetenzen bei Frauen mit unterschiedlichem Bildungsniveau in etwa gleich stark ausgeprägt. Bei Männern dagegen sehen wir große Unterschiede. Trotzdem stehen Frauen mit Hauptschulabschluss nur wenige Berufe zur Verfügung, obwohl sie gerade im sozialen Bereich mehr leisten könnten.

Männer verdienen in Deutschland im Schnitt 22 Prozent mehr. Wird die neue Generation junger Frauen das ändern?

Allmendinger: Heutzutage haben Frauen häufig nicht die Möglichkeit, in Vollzeit und kontinuierlich erwerbstätig zu sein. Arbeitnehmer, die in Teilzeit arbeiten oder ihre Erwerbstätigkeit aufgrund familiärer Pflichten unterbrechen, steigen nicht so auf wie Beschäftigte in Vollzeit, und zwar unabhängig vom Geschlecht. Ohne den Teilzeiteffekt schmilzt der Einkommensunterschied auf 14 Prozent zusammen. Das ist aber immer noch sehr hoch. In nächster Zeit wird eine Anpassung dadurch möglich, dass Frauen nicht mehr nur Teilzeit arbeiten, nicht mehr so lange unterbrechen. Denn bislang schaffen sie den Wiedereinstieg meist nur auf einem niedrigeren Niveau von Qualifikation und Bezahlung. Auch die Bildungsgewinne werden sich auswirken. Damit wird sich die Einkommenslücke reduzieren.

Inwieweit ziehen denn die Männer mit?

Allmendinger: In den Köpfen der jungen Männer gibt es schon die Vision des Vaters, der gesellschaftlich akzeptiert ist und ein Land auch prägen kann. Doch glauben sie nicht, dass dieser Männertyp eine Chance hat. Noch erwartet die Gesellschaft von ihnen, dass sie Karriere machen. Auch hier deuten sich aber Veränderungen an.

Wie sollten Staat und Gesellschaft den Frauen helfen?

Allmendinger: Einmal beim Thema Besteuerung: Ehegattensplitting und unterschiedliche Lohnsteuerklassen müssen weg. Denn bisher trägt der Verdienst von Frauen aufgrund der Steuerprogression häufig nicht substanziell zu einer Erhöhung der Haushaltseinkommen bei.
Auch müssen wir finanzielle Transfers wie etwa das Kindergeld umstellen in mehr Investitionen in Infrastruktur: für eine bessere Kinderbetreuung, aber auch für die Unterstützung bei der Pflege von Eltern und Großeltern.

Gibt es Anpassungsbedarf bei Tarifverträgen?

Allmendinger: Verantwortung wird stark unterschiedlich entlohnt. Eine Altenpflegerin wird sehr schlecht bezahlt, ein Tierpfleger viel besser. Deshalb müssen alle Tarifverträge gründlich durchforstet werden.
Auch das Thema Lebensarbeitszeit ist wichtig. Bisher gehen Tarifverträge davon aus, dass Beschäftigte ein Leben lang durcharbeiten. Das müssen wir lockern. Und die Weiterbildung stärker berücksichtigen.

Wie steht es mit den Unternehmen? Wie sollten sie auf die neuen Frauen eingehen?

Allmendinger: Viele Tätigkeiten brauchen Kontrollstrukturen nicht mehr, Frauen sind hoch motiviert. Arbeitszeiten lassen sich also viel stärker individuell gestalten. Jobsharing-Konzepte müssten wir noch einmal anders beleuchten: Auch Führungspositionen sind teilbar. Familiennahe Dienstleistungen müssen ausgebaut werden, Betriebe müssen sich viel mehr auf familiäre Bedürfnisse einstellen.

Wie stark hindern jetzige Unternehmensstrukturen Frauen daran, ihre Ansprüche durchzusetzen?

Allmendinger: Unternehmen stellen sich gerade jetzt auf die Wünsche der Frauen ein. Es bleibt ihnen auch nichts anderes übrig vor dem Hintergrund von demografischen Veränderungen und den Bildungsverlusten der Männer. Die Rahmenbedingungen für Frauen sind also gut, ihre Ansprüche durchzusetzen: Wann, wenn nicht jetzt?  

  • Junge Frauen entscheiden sich vermehrt für Studiengänge, die auf Jobs mit guten Verdienst- und Karriereaussichten vorbereiten. Die Zahlen der weiblichen Erstsemester stiegen in den Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften um gut 10 Prozent, in den Ingenieurwissenschaften sogar um knapp 14 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Zur Grafik

Im Auftrag von "Brigitte" haben WZB und das Sozialforschungsinstitut infas junge Frauen zu ihren Zielen und Wünschen befragt. Allmendinger ist wissenschaftliche Leiterin der Untersuchung.

WZB/infas: Frauen auf dem Sprung, Brigitte-Studie, März 2007

Bundesinstitut für Berufsbildung: Neu abgeschlossene Ausbildungsverträge zum 30. September 2007, Dezember 2007

Tariflöhne laut WSI-Tarifarchiv

Bundesministerium für Bildung und Forschung: Berufsbildungsbericht 2008 (pdf), Vorversion, April 2008

Statistisches Bundesamt: Studierende an Hochschulen Wintersemester 2007/2008 (pdf), Vorbericht, März 2008

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