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HBS Böckler Impuls

Wirtschaftspolitik: Fördergeld für gute Arbeit

Ausgabe 05/2012

Der Staat kann Unternehmen, die öffentliche Mittel erhalten, verpflichten, Mindestlöhne zu zahlen oder die Zahl der Leiharbeiter zu begrenzen. Die Politik schöpft ihre rechtlichen Möglichkeiten allerdings nur selten aus.

Staatliche Förderung spielt volkswirtschaftlich eine wichtige Rolle: Zahlreiche Unternehmen erhalten Beihilfen oder verdienen an Aufträgen von Regierung und Verwaltung. Die Europäische Kommission schätzt, dass die EU-Mitgliedsländer allein für öffentliche Aufträge jährlich etwa 1,5 Billionen Euro ausgeben.

Inwieweit der Staat dabei explizite Bedingungen an die Qualität der Arbeitsplätze stellen kann, ist umstritten. Arbeitgeber und Teile der Politik weisen regelmäßig darauf hin, dass solche sozialen Kriterien in der Wirtschaftsförderung aus rechtlichen Gründen nicht zulässig seien. Wissenschaftlich geklärt war diese Frage bislang allerdings nicht, konstatiert Wolfhard Kohte, Juraprofessor an der Universität Halle-Wittenberg.

Die rechtlichen Spielräume der Politik auf Landesebene hat Kohte nun in einem Gutachten untersucht. Auftraggeber waren die Hans-Böckler-Stiftung, die Otto Brenner Stiftung, die Friedrich-Ebert-Stiftung, der DGB und die IG Metall. Das Ergebnis: Bundesländer können soziale Kriterien bei der Förderung ihrer Wirtschaft durchaus berücksichtigen, wenn dies mit dem Förderzweck vereinbar ist.

Im nationalen Recht könne an die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ angeknüpft werden. Deren zentrales Ziel ist die Schaffung oder Sicherung „wettbewerbsfähiger Dauerarbeitsplätze“. Prekäre Beschäftigung zu fördern, schreibt der Rechtswissenschaftler, widerspreche dieser Zielsetzung. Vorgaben für Arbeitsbedingungen und Entlohnung bei der Wirtschaftsförderung entsprächen daher dem Zweck dieses Gesetzes.

Auch mit dem EU-Recht sind laut Gutachten soziale Kriterien bei der Vergabe von Beihilfen und Aufträgen vereinbar. Soziale Ziele seien im Vertrag von Lissabon ausdrücklich gestärkt worden. Die Europäischen Strukturfonds, die gerade in den neuen Bundesländern intensiv zur Wirtschaftsförderung genutzt werden, dienten nach dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union der „Stärkung des wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalts“. Da diese Wirtschaftsförderung auf dauerhafte Arbeitsverhältnisse abziele, sei die Dienstleistungsfreiheit nicht betroffen. Für die Entsendung von Arbeitnehmern gelte nämlich eine Obergrenze von ein bis drei Jahren.

Die Rechtslage erlaube es, so der Experte, Wirtschaftsförderung an eine Vielzahl sozialer Kriterien zu knüpfen. Eine Tarifbindung könne zwar nur bei allgemeinverbindlichen Tarifverträgen vorgeschrieben werden. Doch könnten Landesregierungen darauf bestehen, dass Unternehmen einen Mindestlohn zahlen oder sich an bestimmten tariflichen Regelungen orientieren, wenn dies zur Realisierung des Förderzwecks beitrage. Zudem seien Höchstquoten für Leiharbeit, Minijobs oder Befristung vorstellbar. Auch Mindestquoten für die Beschäftigung von Langzeitarbeitlosen, Auszubildenden oder Menschen mit Behinderung hält Kohte für zulässig. Neben zwingenden Vorgaben könnten auch Boni-Regelungen zum Einsatzkommen.Das heißt,Unternehmen, die bessere Arbeitsplätze anbieten, dürfen im Gegenzug mehr Geld bekommen. Um die Umsetzung solcher Vorgaben zu erleichtern, schlägt der Wissenschaftler vor, Arbeitnehmervertreter stärker in die Wirtschaftsförderung einzubeziehen.

Generell empfiehlt er, das im öffentlichen Wirtschaftsrecht verankerte Kriterium der „Zuverlässigkeit“ als Voraussetzung staatlicher Förderung strenger zu prüfen. Unternehmen, die ihre gesetzlichen Pflichten beim Arbeits- oder Gesundheitsschutz verletzen oder die betriebliche Mitbestimmung behindern, könnten bereits nach geltendem Recht von Beihilfe- und Vergabeverfahren ausgeschlossen werden. Das Arbeitnehmer-Entsendegesetz sehe dies für das Vergaberecht bei Verletzung des Entsenderechts und der Mindestlohnbestimmungen ausdrücklich vor, Vergleichbares sei im Beihilferecht möglich.

In Einzelfällen, schreibt Kohte, nutze die Politik die rechtlichen Möglichkeiten bereits. Das Programm „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ des Landes Sachsen-Anhalt beispielsweise macht Zuschüsse davon abhängig, dass Antragsteller ihren Beschäftigten einen Jahresbruttolohn von mindestens 25.000 Euro zahlen. Eine Thüringer Richtlinie vom Mai 2011 nimmt Unternehmen mit mehr als 30 Prozent Leiharbeitnehmern von der Förderung aus. Alles in allem sieht Kohte allerdings noch erheblichen Spielraum: „Eine differenzierte und systematische Praxis der Nutzung sozialer Zusatzkriterien ist bisher in Deutschland noch nicht umfassend anzutreffen.“

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