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HBS Böckler Impuls

Gleichstellung: Die Schattenseiten der Teilzeit

Ausgabe 03/2012

In Deutschland hat die Erwerbsbeteiligung von Frauen stark zugenommen. Etwa jede vierte erlebt allerdings längere Phasen prekärer Beschäftigung.

Im Erwerbsverlauf von Frauen spielt Teilzeitarbeit oft eine wichtige Rolle. Dabei wirkt der Job mit reduzierter Stundenzahl ambivalent, so WSI-Forscherin Christina Klenner: Einerseits hilft er, Erwerbsarbeit und Familie unter einen Hut zu bringen. Andererseits bleiben viele Frauen mit Teilzeittätigkeit eher am Rande des Arbeitsmarkts stecken. Um den Charakter von Teilzeitjobs besser zu erforschen, hat Klenner zusammen mit ihrer Berliner Kollegin Tanja Schmidt die Tätigkeiten von Frauen über sieben Jahre hinweg betrachtet.

Dazu zogen die Forscherinnen für die Jahre 2001 bis 2007 Daten aus dem Sozio-oekonomischen Panel für Frauen der Jahrgänge 1965 bis 1979 heran. Hauptunterscheidungsmerkmal ihrer Analyse: Kinder im Haushalt. Denn Versorgungspflichten für minderjährige Kinder sind eine entscheidende Ursache für Teilzeiterwerbstätigkeit von Frauen, so Klenner und Schmidt. Deshalb teilen sie die untersuchten Frauen in zwei Gruppen ein: jene, die über 60 Prozent der beobachteten Zeit mit Kindern unter 16 Jahren im Haushalt leben – und jene, die dies den größeren Teil der Zeit nicht tun.

Insgesamt kommen die Forscherinnen auf sieben typische Erwerbsverläufe von Frauen – vier mit und drei meist ohne Kinder im Haushalt:

Teilzeiterwerbsverlauf mit Kindern. Diesem Typ gehören fast 40 Prozent der Frauen mit Kindern an. Sie arbeiten fast durchgängig in Teilzeit. Bei mehr als vier von zehn handelt es sich um Minijob-Verläufe mit häufigen Arbeitgeberwechseln. Insgesamt 64 Prozent haben Minijob-Episoden. Die Mehrheit ist zwischen 31 und 34, lebt überdurchschnittlich häufig mit einem Partner und hat einen mittleren Bildungsabschluss. Diesen Verlaufstyp leben überwiegend Frauen im Westen.

Diskontinuierlich prekärer Verlauf mit Kindern. Zu diesem mit 27 Prozent zweithäufigsten Typ gehören Mütter, deren Status sich sehr häufig ändert: Arbeitslosigkeit, Erziehungszeit, Erwerbstätigkeiten in Teil- und Vollzeit, Haushaltstätigkeit. Weit überdurchschnittlich sind sie im untersten Einkommensviertel. Oft leben diesen Typus ostdeutsche Frauen. Viele sind jünger und zumindest zeitweise alleinerziehend. Sie haben niedrigere Schulabschlüsse als der Schnitt, 23 Prozent haben (noch) keine abgeschlossene berufliche Ausbildung.

Haushaltstätigkeitsverlauf mit Kindern. 14 Prozent der Frauen mit Kindern arbeiten überwiegend im Haushalt, davon knapp ein Drittel während des gesamten Beobachtungszeitraums. Ein Fünftel von ihnen beschränkt sich nach der Erziehungszeit auf die Hausarbeit. Hier finden sich jüngere und ältere Frauen, zumeist in Westdeutschland. Sie leben überdurchschnittlich lange mit einem Partner im Haushalt, haben oft Abitur, aber keinen beruflichen Abschluss.

Vollzeiterwerbsverlauf mit Kindern. Knapp 20 Prozent der Mütter sind überwiegend in Vollzeit erwerbstätig, wenn auch teilweise mit kurzen Unterbrechungen durch Erziehungszeiten. Frauen im Osten entsprechen diesem Typ weitaus häufiger als Frauen im Westen. Viele sind alleinerziehend, überdurchschnittlich viele Akademikerinnen.

Diskontinuierlicher Reduzierungsverlauf ohne Kinder. 21 Prozent der Frauen, die überwiegend ohne Kinder leben, lassen sich durch die Abfolge Vollzeit-Erziehungszeit-Teilzeit charakterisieren. Es sind vor allem junge, westdeutsche Frauen mit höherer Bildung, zumeist mit einem Partner.

Diskontinuierlich prekärer Verlauf ohne Kinder. Rund ein Viertel der untersuchten Lebensläufe der zweiten Gruppe weist zusätzlich Phasen der Arbeitslosigkeit auf. Der Anteil der Phasen in Teilzeit ist doppelt so hoch wie beim Reduzierungsverlauf. Die Frauen sind eher aus Ostdeutschland, zwischen 28 und 39 Jahre alt und haben einen Partner. Sie verfügen über ein mittleres Bildungsniveau.

Stabiler Vollzeiterwerbsverlauf ohne Kinder. Gut die Hälfte der Frauen, die meist ohne Kinder leben, ist durchgehend in Vollzeit tätig. Bei ihnen handelt es sich um jüngere und die ältesten Frauen, überdurchschnittlich aus Westdeutschland, mit mittlerer Bildung und die längste Zeit ohne Partner.

Frauen der Gruppe „überwiegend ohne Kinder“ hätten zwar entweder zu Beginn oder am Ende der Beobachtungszeit möglicherweise kurze Phasen mit Kind, so die Forscherinnen. Dies erkläre „jedoch nicht zur Gänze, dass zusammengenommen fast die Hälfte der Frauen, die überwiegend ohne Kinder leben, diskontinuierliche Erwerbsverläufe haben“. Gerade in Ostdeutschland lasse der Arbeitsmarkt eine stabile Erwerbstätigkeit kaum zu. „Denn auch ohne Kinder haben diese Frauen eher diskontinuierlich prekäre Erwerbsverläufe.“

Angesichts des Risikos, dass Frauen mit ausgeprägten Teilzeitverläufen keine andere Beschäftigung mehr finden, empfehlen die Forscherinnen, „die Debatte über zeitliche Vereinbarkeitsinstrumente nicht auf Teilzeit zu beschränken“. Zeitwertkonten oder die Flexibilisierung von Elternzeit und -geld im Lebensverlauf könnten unter Umständen bessere Zeitoptionen bieten als die Teilzeitarbeit.

  • Versorgungspflichten für minderjährige Kinder sind eine entscheidende Ursache für Teilzeiterwerbstätigkeit von Frauen. Zur Grafik

Christina Klenner, Tanja Schmidt: Teilzeitarbeit im Lebensverlauf von abhängig beschäftigten Frauen, in: Ute Klammer, Markus Motz (Hrsg.): Neue Wege – Gleiche Chancen. Expertisen zum Ersten Gleichstellungsbericht der Bundesregierung, VS-Verlag, Wiesbaden 2011

Christina Klenner, Tanja Schmidt: Minijobs - riskante Beschäftigungsform beim normativen Übergang zum "Adult-Worker-Model", in: WSI-Mitteilungen, Heft 1/2012

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