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HBS Böckler Impuls

Gender: Unternehmen: Spitzengremien ohne Frauen

Ausgabe 03/2010

Die Spitzenpositionen großer deutscher Unternehmen verteilen Männer weiterhin fast nur unter sich, zeigt eine aktuelle Untersuchung.

In den Vorständen und Aufsichtsräten von Deutschlands Top-Unternehmen sind Frauen immer noch kaum vertreten. Lediglich 2,5 Prozent aller Vorstandsmitglieder der 200 größten Wirtschaftsunternehmen sind weiblich, ergab eine Auswertung von Elke Holst und Anita Wiemer vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). In den Aufsichtsräten halten Frauen ein Zehntel der Sitze.

Die Berliner Forscherinnen untersuchen seit einigen Jahren, wie weiblich die Spitzengremien großer deutscher Firmen sind. Viel Bewegung können sie dort jedoch nicht ausmachen:

Vorstände: 186 der 200 größten Unternehmen hatten 2006 keine Frauen im Vorstand; im vergangenen Jahr war das in 171 Gremien der Fall. Ganz oben ist die Luft besonders dünn: In den 100 größten Unternehmen kommen Frauen nur auf 4 der insgesamt 441 Sitze. Den Vorsitz eines Gremiums führt seit zwei Jahren genau eine Frau: Petra Hesser beim Möbelhaus IKEA Deutschland, dem Größen-Ranking nach auf Platz 198.

Aufsichtsräte: Auf zehn Prozent weibliche Mitglieder kommen deutsche Aufsichts- und Verwaltungsräte vor allem wegen der Unternehmensmitbestimmung. Allerdings gilt auch hier: Nur wenig Veränderung im Vergleich zu den Vorjahren. Und in mehr als einem Viertel aller Unternehmen sitzt nicht eine einzige Frau im Aufsichtsrat.

Gäbe es die Mitbestimmung nicht, wäre die Zahl der Kontrolleurinnen noch um einiges überschaubarer: Rund drei Viertel der weiblichen Aufsichtsräte entsandten die Arbeitnehmervertretungen. Die wenigen Frauen auf der Kapitalseite kommen häufig aus der Eigentümerfamilie. Dies gilt auch für die einzigen beiden weiblichen Aufsichtsratsvorsitzenden: Simone Bagel-Trah beim Konsumgüterproduzenten Henkel und Bettina Würth beim gleichnamigen Schraubengroßhändler.

Die Gründe für die anhaltend starke Unterrepräsentanz von Frauen in Führungsgremien sind vielfältig: Vor allem bilden Männer in Vorständen und Aufsichtsräten einflussreiche Netzwerke, in die Frauen als Außenseiterinnen kaum vordringen können. Die mächtigsten zehn Aufsichtsräte Deutschlands - ausschließlich Männer - halten zusammen 32 Aufsichtsratsmandate in 18 DAX-Unternehmen, ermittelte die Deutsche Schutzverei­nigung für Wertpapierbesitz. Hinzu kommen die schlechte Vereinbarkeit von Karriere und familiären Verpflichtungen sowie fehlende weibliche Vorbilder und Rollenmuster, so die DIW-Forscherinnen.

Eine freiwillige Selbstverpflichtung aus dem Jahr 2001 sollte die Chancengleichheit von Frauen und Männern in der Privatwirtschaft fördern und mehr Frauen in Führungspositionen bringen. "Dieser Anspruch kann in Bezug auf die Spitzengremien der Unternehmen als gescheitert angesehen werden", resümieren Holst und Wiemer. Eine Möglichkeit, zumindest in den Aufsichtsräten schneller zu mehr Chancengleichheit zu kommen, sehen die Forscherinnen in Norwegen: Dort müssen seit Anfang 2006 im Kontrollgremium jeder Aktiengesellschaft beide Geschlechter zu mindestens 40 Prozent vertreten sein. Im vergangenen Jahr lag der Frauenanteil bei 42 Prozent, nach 16 Prozent noch im Jahr 2005. 

  • Auf zehn Prozent weibliche Mitglieder kommen deutsche Aufsichtsräte vor allem wegen der Unternehmensmitbestimmung. Die beiden einzigen weiblichen Vorsitzenden entstammen der Eigentümerfamilie. Zur Grafik
  • Lediglich 2,5 Prozent aller Vorstandsmitglieder der 200 größten Wirtschaftsunternehmen sind weiblich. Den Vorsitz eines Gremiums führt seit zwei Jahren genau eine Frau. Zur Grafik

Elke Holst, Anita Wiemer: Frauen in Spitzengremien großer Unternehmen weiterhin massiv unterrepräsentiert (pdf), Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung, Wochenbericht Nr. 4/2010

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