Forschungsprojekt: Arbeitsbedingungen und Mitbestimmung im selbständigen Einzelhandel der EDEKA

Veränderungen der Arbeitsbedingungen von Beschäftigten ehemals regiegeführter EDEKA-Märkte im Zuge der Übertragung an selbständige Kaufleute am Beispiel der Region Berlin/Brandenburg (Reichelt) und Rhein-Ruhr

Projektziel

Seit mehr als zehn Jahren verfolgt der genossenschaftlich organisierte Unternehmensverbund EDEKA eine Strategie, wonach bislang als Regiebetriebe geführte Lebensmittelmärkte an selbständige EDEKA-Kaufleute übertragen werden. Obwohl noch unter der Dachmarke EDEKA arbeitend, büßen die Beschäftigten meistens ihre Ansprüche auf tarifliche Entlohnung und ihre betriebliche Interessenvertretung ein.

Projektbeschreibung

Kontext

Die genossenschaftlich organisierte EDEKA-Gruppe führt seit 2003 eine "Privatisierungsoffensive" durch. In der Regel werden angestellte Filialleiter dabei unterstützt, die bislang von ihnen geleiteten Regiefilialen zu übernehmen. Die vor allem zu Expansionszwecken von den EDEKA-Regionalgesellschaften selbst betriebenen Regiemärkte sollen auf diesem Wege in die 'genossenschaftliche Normalität' überführt werden. Seit 2003 wurden ca. 1.200 Lebensmittelmärkte über diesen Weg an selbständige Einzelhändler übertragen, davon sind ca. 50.000 Mitarbeiter/innen betroffen. Mit dem Übergang an einen selbständigen Kaufmann werden gleichzeitig die Tarifbindung und die betriebliche Mitbestimmung der bisherigen Regiefilialen in Frage gestellt. EDEKA zieht Vorteile aus der Übertragung, da in der Folge des Eigentümerwechsels die Umsätze der Märkte steigen. Genossenschaftliche Normalität heißt in diesem Zusammenhang auch, dass sich EDEKA der Personalverantwortung für die ehemaligen Mitarbeiter entzieht.

Fragestellung

Welche Konstellationen sind identifizierbar, in denen Umsatz- und Ertragswachstum in den privatisierten Märkten von den Inhabern sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern als positiv erfahren werden? Dabei ist zu ermitteln, welchen Beitrag die Inhaber und die Beschäftigten bei der wirtschaftlichen Konsolidierung des Marktes leisten, wie sich Belegschaftsstruktur, Arbeitsorganisation und Belastungen wandeln und wie die Beschäftigten ihre betriebliche Interessenvertretung gestalten. Daneben ist zu klären, welche betriebswirtschaftlichen Vorteile die Inhaber aus Niedriglohnbeschäftigung ziehen und ob sich diese Strategie als funktionsfähig erweist. Schließlich sollen die Steuerungsmechanismen identifiziert werden, mit denen die betriebswirtschaftlichen Ziele der Inhaber in adäquates Handeln der Beschäftigten umgesetzt werden.

Untersuchungsmethoden

Die Studie ist als exemplarisch vertiefende Fallstudie angelegt (nach Pflüger/Pongratz/Trinczek 2010), um die "Komplexität sozialer Prozesse durch analytische Durchdringung markanter Einzelfälle" aufarbeiten zu können. Die Forschungsfragen wurden anhand verschiedener Quellen beantwortet: Mit Hilfe von leitfadengestützte Tiefeninterviews wurde die Sicht 1. der Inhaber, 2. der Betriebsräte und 3. von Beschäftigten aus den wichtigen Bereichen des Marktes (Bedienung, Kasse, Laden) erhoben. Zusätzlich erfolgte 4. Einsicht in betriebswirtschaftliche Daten der Märkte, 5. eine Auswertung von Geschäftsberichten. Bei der Auswahl der Interviewpartner war es wesentlich mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu sprechen, die schon vor der Übertragung des Marktes an den neuen Inhaber im Markt gearbeitet haben und die Veränderungsprozesse erlebt haben.

Darstellung der Ergebnisse

Das Geschäftsmodell selbständiger EDEKA-Kaufleute ist sehr stark von einer Einbindung in die vertikale Wertschöpfungskette der EDEKA abhängig. Durch die Übertragung von Regiemärkten auf Selbständige wird vor allem das Geschäftsrisiko der EDEKA auf selbständige Inhaber und die Belegschaften übertragen und damit individualisiert.

Die mit der Übertragung einsetzende Fokussierung der Interessen der Belegschaft auf wirtschaftliche Stabilität und Markterfolg, vermittelt durch verschiedene Formen der Steuerung durch das Management, haben zu einer Verdeckung der gegensätzlichen Interessen von Kapital (Inhaber) und Arbeit (Beschäftigte) geführt.

Die durch die Übertragung der Märkte forcierte "Hochleistungsgemeinschaft" mit ihrer Kultur informeller Aushandlung selektiert systematisch in Beschäftigtengruppen. Die Stammbeschäftigten bekommen ihre Interessen weitgehend erfüllt, mit der Einschränkung teils höherer Arbeitsintensität. Aber es gibt dabei auch verlierende Gruppen. Das sind vor allem Beschäftigte der Randbelegschaft. In den untersuchten Märkten wird das Ausmaß der Belegschaftsaufspaltung durch die Tradition kollektiver Schutzrechte (Betriebsrat und Tarif) noch begrenzt.

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