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Der Wirecard-Untersuchungsausschuss tagt  Service aktuell

Untersuchungsausschuss: Wirecard: Der Kontrolle durch Mitbestimmung entzogen

Der Bundestags-Untersuchungsausschuss zum Wirecard-Skandal tagt in dieser Woche gleich vier Mal, seine Arbeit geht zeitlich in die letzte Runde. Ein wichtiger Aspekt hat in der Arbeit des Gremiums bisher leider eine Nebenrolle gespielt.

[13.04.2021]

Das Wirecard-Management konnte über Jahre eine wichtige Kontrollinstanz, ArbeitnehmervertreterInnen im Aufsichtsrat, legal und ohne großen Aufwand verhindern. Das war durch eine Konstruktion möglich, die eine von mehreren seit langem bekannten Lücken in den Mitbestimmungsgesetzen ausnutzte, wie eine Analyse des Instituts für Mitbestimmung und Unternehmensführung (I.M.U.) der Hans-Böckler-Stiftung gezeigt hat. Wenn die Kontrollfunktion des Aufsichtsrats als Konsequenz aus dem Wirecard-Skandal verbessert werden soll, wäre auch diese Gesetzeslücke zu schließen. Mehr dazu hier.

Der Aschheimer Skandalkonzern ist auch nicht das einzige Unternehmen, das Beteiligung der Beschäftigten im Kontrollgremium vermeidet. Stand Februar 2020 taten das allein unter den Unternehmen mit mehr als 2000 Beschäftigten in Deutschland über 300. Knapp zwei Drittel davon durch legale juristische Kniffe, neben Wirecard beispielsweise auch der Großschlächter Tönnies. Ein Drittel ignoriert die Gesetze – das ist rechtswidrig, aber spürbare juristische Sanktionen gibt es bislang dafür nicht.

„Der Fall Wirecard hat einmal mehr gezeigt: Das Mitbestimmungsrecht ist mittlerweile löchrig wie ein Schweizer Käse“, sagt Dr. Sebastian Sick, Unternehmensrechtler am I.M.U. „Wer angesichts der Skandale für Reformen und mehr kritische Geister, Diversität und Nachhaltigkeit im Aufsichtsrat eintritt, sollte zu aller erst die Lücken der Mitbestimmung schließen. Das ist rechtlich ohne großen Aufwand möglich.“

Eine aktuelle Studie des BWL-Professors Dr. Marc Eulerich ergibt, dass Unternehmen mit starker Mitbestimmung deutlich seltener legale Spielräume in Bilanzierungsregeln ausnutzen, um beispielsweise ihre Gewinnsituation kurzfristig positiver darzustellen, als das vergleichbare Firmen mit schwacher oder ohne Mitbestimmung tun. Auch aggressive Steuervermeidung betreiben mitbestimmte Unternehmen im Durchschnitt signifikant seltener, so die vom I.M.U. geförderte Untersuchung.

Weitere Studien von Wissenschaftlern der Universitäten Göttingen, Marburg und Duisburg-Essen zeigen, dass mitbestimmte Unternehmen im Vergleich wirtschaftlich erfolgreicher sind und insbesondere Wirtschaftskrisen besser bewältigen als Firmen ohne Mitbestimmung der Beschäftigten. Von einer Sicherung und Stärkung der Mitbestimmung würden also nicht nur die Beschäftigten profitieren, sondern das gesamte Unternehmen.   

Links zu allen genannten Studien finden Sie auf dieser Themenseite.

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