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HANS 2-2023 Bettina Kohlrausch zum arbeitenden Souverän Service aktuell

Neujahrsempfang der Hans-Böckler-Stiftung: Welche Rechte braucht der „arbeitende Souverän“?

Demokratie muss gelebt werden, und in welchem Ausmaß Menschen dies auch tatsächlich tun können und wollen, hängt auch davon ab, unter welchen Bedingungen sie arbeiten. Wie Erwerbsarbeit beschaffen sein muss, damit sie gesellschaftliche Teilhabe ermöglicht, erläutert Bettina Kohlrausch.

[23.1.2023]

Wie Erwerbsarbeit gestaltet und reguliert werden muss, um den Erwerbstätigen in einem umfassenden Sinne soziale und demokratische Teilhabe zu ermöglichen, ist in der politischen Praxis wie auch in den Sozialwissenschaften ein nach wie vor aktuelles Thema. Über diese Fragestellung werden wir mit Axel Honneth, Sozialphilosoph und Vertreter der Frankfurter Schule, auf dem diesjährigen Neujahrempfang der Hans-Böckler-Stiftung diskutieren.

In der Vorlesung „Der arbeitende Souverän. Eine demokratische Theorie der Arbeitsteilung“, die Axel Honneth im Sommer 2021 im Rahmen der Walter-Benjamin-Lectures hielt und die in diesem Sommer als Buch erscheinen wird, formuliert er die These, „dass das Profil der Arbeitstätigkeit die Bereitschaft und Fähigkeit zur Teilnahme an Praktiken demokratischer Willensbildung stark beeinflusst.“ Demokratie muss gelebt werden, und in welchem Ausmaß Menschen dies auch tatsächlich tun können und wollen, hängt auch davon ab, unter welchen Bedingungen sie arbeiten. Deshalb spricht Honneth von dem „arbeitenden Souverän“. Er denkt dabei zwei wichtige gesellschaftliche Bereiche zusammen, die häufig getrennt betrachtet werden: Erwerbsarbeit und Demokratie. Honneth arbeitet Voraussetzungen heraus, damit Arbeit so gestaltet werden kann, dass Menschen in ihr und durch sie tatsächlich zu demokratischen Subjekten, zum „arbeitenden Souverän“ werden. Hierzu zählen beispielsweise eine Beschäftigungsgarantie oder Arbeitszeiten, die Raum für gesellschaftspolitisches Engagement lassen. 

Die Frage, wie Erwerbsarbeit beschaffen sein muss, damit sie gesellschaftliche Teilhabe ermöglicht, ist eine der zentralen Forschungsfragen der Hans-Böckler-Stiftung. Dabei geht es vor allem darum, welche Rechte erwerbstätige Menschen brauchen, damit sie in materieller und demokratischer Hinsicht an der Gesellschaft teilhaben können. Die Sozialwissenschaften nennen diese Rechte wirtschaftliche Staatsbürgerrechte. In Deutschland werden sie etwa durch direkte Mitbestimmungsrechte der Beschäftigten, die Tarifautonomie, die Betriebsräte sowie die Unternehmensmitbestimmung verkörpert. Weiterhin zählen dazu Regelungen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes, Schutz vor unternehmerischer Willkür, Arbeitszeitregelungen sowie soziale Absicherung im Alter und im Falle von Krankheit oder Erwerbsunfähigkeit. Diese Rechte haben die Besonderheit, dass sie sich vom Status der Erwerbstätigkeit ableiten und somit vor allem für diejenigen gelten, die abhängig beschäftig sind. Es sind die spezifische Rechte des arbeitenden Souveräns.   

Auch wenn Gewerkschaften hier schon viel erkämpft haben, erfordert die Transformation der Arbeit im Kontext der Digitalisierung und des sozial-ökonomischen Wandels doch immer wieder Anpassungen. Denken wir nur an die schlechtbezahlten Dienstleistungen, die über Internetplattformen organisiert und angeboten werden, denken wir an Leiharbeit, denken wir an prekäre Beschäftigung wie etwa die in deutschen Schlachthöfen. Oder an Schikanen, mit denen Arbeitgeber versuchen, die Wahl von Betriebsräten zu behindern. Auch im Jahr 2023 gibt es für die Hans-Böckler-Stiftung viel zu tun. Die Diskussion mit Axel Honneth über den arbeitenden Souverän ist dafür ein perfekter Start.

Prof. Dr. Bettina Kohlrausch ist die Wissenschaftliche Direktorin des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts der Hans-Böckler-Stiftung.

Weitere Informationen

Neujahrsempfang der Hans-Böckler-Stiftung: Informationen und Livestream

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