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HBS Böckler Impuls

Streiks: Deutlicher Anstieg

Ausgabe 04/2013

2012 haben deutlich mehr Beschäftigte gestreikt als 2011. Dabei fielen doppelt so viele Arbeitstage aus wie im Jahr zuvor. Im internationalen Vergleich gibt es in Deutschland aber nach wie vor relativ wenige Arbeitskämpfe.

Etwa 1,2 Millionen Beschäftigte haben nach der aktuellen WSI-Arbeitskampfbilanz im vergangenen Jahr bei Streiks und Warnstreiks die Arbeit niedergelegt – 2011 waren es nur 180.000. Rund 800.000 Arbeitnehmer beteiligten sich an den Warnstreiks in der Metallindustrie, weitere 300.000 an Warnstreiks im öffentlichen Dienst. Da viele der Warnstreikenden nur stundenweise in den Ausstand traten, stieg die Zahl der durch Arbeitskämpfe ausgefallenen Arbeitstage nicht so stark an wie die der Streikenden: 2012 waren es rund 630.000 Arbeitstage, im Jahr davor rund 304.000. Die Bilanz des WSI ist eine Schätzung, die auf Statistiken der Gewerkschaften, Pressemeldungen und eigenen Recherchen beruht.

Warnstreiks und Konflikte um Haustarife. Neben den Warnstreikwellen habe die steigende Zahl von betrieblichen Auseinandersetzungen im Dienstleistungssektor 2012 das Arbeitskampfgeschehen geprägt, erklärt der WSI-Arbeitskampf­experte Heiner Dribbusch. So lagen dem Bundesvorstand der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di 188 neue Anträge auf Arbeitskampfmaßnahmen vor, so viele wie noch nie seit der ver.di-Gründung. Die große Mehrheit davon fand bei Auseinandersetzungen über Haus- und Firmentarifverträge statt. Der Forscher erklärt das mit einer „zunehmend zerklüfteten Tariflandschaft“ in vielen Dienstleistungsbranchen, in denen etliche kleine und mittlere Unternehmen den Flächentarifvertrag verließen. „Oft weigert sich der Arbeitgeber vehement, überhaupt einen Tarifvertrag abzuschließen. Dann zieht sich die Auseinandersetzung hin, und es kommen in einzelnen Betrieben relativ viele Streiktage zusammen.“

Im Ländervergleich relativ streikarm. Im internationalen Vergleich wird in Deutschland allerdings relativ wenig gestreikt, zeigt die WSI-Untersuchung auf Basis der aktuellsten verfügbaren internationalen Daten. Nach Dribbuschs Berechnungen fielen hierzulande im Zeitraum von 2004 bis 2010 im Jahresdurchschnitt pro 1.000 Beschäftigte lediglich 15 Arbeitstage durch Arbeitskämpfe aus. 2011 entfielen 8,3 und 2012 dann 17 Ausfalltage auf 1.000 Beschäftigte. Die amtliche Statistik der Bundesagentur für Arbeit (BA) verzeichnet zwischen 2004 und 2010 im Jahresmittel sogar nur 4 Ausfalltage. Sie untererfasst das Streikgeschehen systematisch, weil sie Mindestgrenzen bei der Zahl der Streikbeteiligten setzt. In Frankreich entfielen auf 1.000 Beschäftigte hingegen im Jahresdurchschnitt 162 Arbeitskampftage. In Dänemark waren es 123. Auch in einigen anderen Ländern ist die amtliche Streikstatistik lückenhaft. So fließen beispielsweise in den USA lediglich Streiks mit mindestens 1.000 Streikenden in die Statistik ein.

Ausblick auf 2013. Bisher deutet nach Einschätzung des Experten wenig auf ein arbeitskampfarmes Jahr 2013 hin. Derzeit streiken Beschäftigte der privaten Sicherheitsdienste an den Flughäfen in Nordrhein-Westfalen und Hamburg, die eine deutliche Erhöhung ihrer Entgelte fordern. „Es ist bemerkenswert, dass diese Streiks selbst bei Fluggästen auf relativ viel Verständnis stoßen“, sagt Dribbusch. Er sieht darin ein Zeichen, „dass die Verdiscounterung des Arbeitsmarktes inzwischen in der Gesellschaft auf breites Unbehagen stößt“.

Erste Warnstreiks gab es zudem im öffentlichen Dienst der Länder. Hohes Konfliktpotenzial birgt nach Dribbuschs Prognose 2013 die Tarifrunde im Einzelhandel, nachdem die Arbeitgeberverbände dort die Manteltarifverträge über Urlaub, Arbeitszeit und Zuschläge gekündigt haben. Wie die Tarifrunden bei Stahl, auf dem Bau sowie in der Metall- und Elektroindustrie verlaufen, bleibe abzuwarten.

  • Im internationalen Vergleich sind Streiks in Deutschland relativ selten. Besonders viele Arbeitstage durch Arbeitskämpfe fallen in Frankreich, Kanada und Dänemark aus. Zur Grafik
  • Im Jahr 2012 haben deutlich mehr Beschäftigte gestreikt als im Jahr zuvor. Das lag vor allem an Warnstreikwellen in der Metallindustrie und im öffentlichen Dienst. Zur Grafik

Heiner Dribbusch ist Experte für Tarif- und Gewerkschaftspolitik im WSI.

 

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