zurück
Lisa Kosok in der Hamburger HafenCity Universität für Baukunst und Metropolenentwicklung Stipendien

Altstipendiatin: Die Professorin

Ausgabe 03/2017

Die Böckler-Stipendiatin Lisa Kosok hat Dutzende historischer Ausstellungen entworfen. Jetzt ist sie Professorin in Hamburg und setzt sich für den Erhalt geschichtsträchtiger Gebäude ein.

Von MARC VON LÜPKE

Kräne und Bagger, Brachflächen und Neubauten: Lisa Kosok arbeitet inmitten einer Baustelle. Auf knapp 160 Hektar entsteht zurzeit in Hamburg mit der HafenCity ein neuer Stadtteil. Mittendrin die HafenCity Universität, an der Kosok seit 2016 als Professorin für Kulturerbe und Museumswissenschaften lehrt. Eine Herausforderung für die Historikerin, die zuvor jahrzehntelang in Museen gearbeitet hat. Inmitten des Neubauviertels fühlt sie sich dem architektonischen Erbe der Hansestadt verpflichtet. „Was hier alles weg- und abgerissen wurde“, bedauert Kosok. „Das ist so, als wenn Seite für Seite aus dem Geschichtsbuch der Stadt gerissen würde.“

Mit ihrer Kritik an der Zerstörung historisch bedeutsamer Gebäude eckt die energische Wissenschaftlerin bisweilen an. „Es geht mir nicht um schöne oder hässliche Gebäude“, so Kosok, „sondern um solche, die für eine bestimmte Zeit stehen oder eine politische Kultur ausdrücken.“ Das reine Bewahren ist ihr allerdings zu wenig. „Überlieferung“ ist ihr Ziel: Kosok möchte veranschaulichen, welches Erkenntnispotenzial Relikte der Vergangenheit in sich bergen, wenn man sie zu lesen versteht.

Ursprünglich hatte die heute 61-Jährige einen anderen Beruf ergreifen wollen. In den 1970er Jahren studierte Kosok an der Ruhr-Universität Bochum Geschichte, Germanistik und Pädagogik. Lehrerin wollte die junge Frau aus Bottrop werden, die aus einem kinderreichen Beamtenhaushalt stammt. Nach dem Staatsexamen bot ihr der Bochumer Ordinarius Hans Mommsen stattdessen eine Stelle an. Kosok erforschte nun das Vereinswesen und Freizeitverhalten der Metallarbeiter des Hüttenwerks Duisburg-Laar im 19. Jahrhundert.

„Es stellte sich heraus, dass sich die Arbeiter zum Leidwesen der Obrigkeit lieber vergnügten, als sich bilden zu lassen“, schmunzelt Kosok. Die Themen Freizeit und Vergnügen sollten die Forscherin nicht mehr loslassen. 1989 promovierte sie über „Arbeiterfreizeit und Arbeiterkultur im Ruhrgebiet“. Finanziell gefördert von der Hans-Böckler-Stiftung. Neben der Arbeit an der Universität hatte Kosok bereits ein zweites Tätigkeitsfeld entdeckt. „In den 1980er Jahren entstanden in vielen Städten Ausstellungen zum Thema ‚Widerstand und Verfolgung im Nationalsozialismus'“, so Kosok. „Damals habe ich als Historikerin zum ersten Mal erlebt, wie wichtig die Geschichtsvermittlung in Form von Ausstellungen ist.“

Seit Ende der 80er Jahre  arbeitete Kosok im Ruhrlandmuseum, dem heutigen Ruhr Museum. Im Jahr 1992 konzipierte sie dort eine Ausstellung über Jahrmärkte, Varietés und andere Orte der Vergnügung zur Jahrhundertwende. Ein Jahr später zog es sie als stellvertretende Direktorin des Museums der Arbeit nach Hamburg. Für Kosok als ehemaliges Mitglied der GEW war das auch eine gesellschaftliche Verpflichtung. „Wir haben uns immer bemüht, die Gewerkschaften in unsere Arbeit einzubeziehen. Das ist mein Böckler’sches Erbe, wenn Sie so wollen“, lacht Kosok.

Dutzende Ausstellungen hat sie im Laufe ihres Berufslebens kuratiert – seit 2004 als Direktorin des Museums der Arbeit, später als Leiterin des Museums für Hamburgische Geschichte und Gründungsdirektorin des Hansemuseums Lübeck. So viel Freude ihr die Museumsarbeit bereitete, so viel Energie verschlang der Kampf ums notwendige Geld. Zwei Jahre lang, von 2008 bis 2010, war Kosok Vorstandsvorsitzende der Stiftung Historische Museen Hamburg, der Trägerinstitution der historischen Museen der Hansestadt. „Vergnügungssteuerpflichtig war das nicht“, sagt sie. „Leider ging es meistens um die Frage, wo konzentriert, zentralisiert und gespart werden konnte.“ Für die Idee einer konzertierten Stadtgeschichte Hamburgs blieb wenig Raum.

Heute blickt Kosok gelassener auf vergangene Verteilungskämpfe. Nach vielen Jahren im Museum hat sie nun die Gelegenheit, diesen Lebensabschnitt zu reflektieren. „Meine Arbeit als Professorin ist mir sehr wichtig“, so Kosok. „Alles, was ich an Erfahrung und Wissen erworben habe, kann ich hier an die nächste Generation weitergeben.“ Zusätzlich ist sie mit der Entwicklung eines Zentrums für Stadt- und Baukultur beauftragt: „Mein Aufgabenzettel ist noch ziemlich voll.“

Foto: Cordula Kropke

Zugehörige Themen

Der Beitrag wurde zu Ihrerm Merkzettel hinzugefügt.

Merkzettel öffnen