Zivilgesellschaft: Das lohnt sich!
Bei den Ruhrfestspielen in Recklinghausen diskutierten Stipendiatinnen und Stipendiaten der Hans-Böckler-Stiftung kürzlich über den Wert demokratischen Engagements in schwierigen Zeiten. Von Dirk Manten
Es war die abschließende Frage – und eine passendere Antwort hätte es kaum geben können. „Was sollten wir in zehn Jahren durch demokratisches Engagement erreicht haben?“, wollte die Moderatorin von der Diskussionsrunde zum Thema „Lohnt sich das?“ auf den Ruhrfestspielen in Recklinghausen wissen. Lisa Fullert, die Jugendbildungsreferentin des DGB in der Region Emscher-Lippe, zögerte keinen Moment: „Dass wir nicht mehr über die AfD sprechen müssen!“
Die Demokratie steht weltweit unter Druck. Selbst in bisherigen Demokratie-Musterstaaten wie den USA oder auch der Bundesrepublik wird sie durch rechtspopulistische und menschenfeindliche Ideologien, in den USA mittlerweile von der Spitze des Staates herab, immer mehr herausgefordert. Die Demokratie als Regierungsform scheint zu erodieren. Grund genug für die Hans-Böckler-Stiftung, in Kooperation mit dem DGB, Motive und Haltungen von Stipendiatinnen und Stipendiaten der Stiftung zu ihrem demokratischen Engagement zu erkunden.
Wir sollten Angebote zur Beteiligung schaffen, die die Bedürfnisse der Menschen aufnehmen.“
Es sind brennende Fragen: Was heißt es für die Gesellschaft, wenn demokratische Prinzipien zunehmend als Hindernis statt als Stärke wahrgenommen werden? Warum lohnt sich der Einsatz für Demokratie in einer Welt, in der immer mehr Menschen sich in Gleichgültigkeit zurückziehen oder autoritäre Lösungen bevorzugen? Und: Warum engagieren sich junge Menschen für politische und gewerkschaftliche Arbeit?
Denis Schatilow, Medizinstudent aus Düsseldorf, verwies auf die großen Demonstrationen gegen den Rechtsextremismus im Vorfeld der Bundestagswahl: „Da konnte man Demokratie hautnah erleben. Die Beteiligung war einfach überwältigend. Darauf kommt es auch an: Demokratie für möglichst viele Menschen erlebbar zu machen.“
Die Beteiligung war einfach überwältigend. Darauf kommt es auch an: Demokratie für möglichst viele Menschen erlebbar zu machen.“
Den Wert politischer Bildung für die Demokratie schätzt Adrian Radosta, Student der Politik- und Rechtswissenschaften aus Frankfurt am Main: „Vor allem Erziehung ist gefragt. Aus meiner Sicht ist es zentral, menschliche Erfahrungen zu ermöglichen, also zum Beispiel mit Opfern rassistischer Anschläge oder mit den wenigen noch lebenden Holocaust-Überlebenden zu sprechen. Das öffnet Erfahrungsräume, darauf kann dann auch systematische politische Bildung aufsetzen.“
Das Grundverständnis demokratischen Engagements wurde bei der Jurastudentin Sara Krämer schon im Elternhaus geprägt. Politische Beteiligung sei für sie stets selbstverständlich gewesen – von der Schülermitverwaltung bis zur Kommunalpolitik: „Demokratie ist aus meiner Sicht ein Prozess, kein statisches Gebilde“, fasst die junge Gewerkschafterin zusammen. „Es muss unser Anspruch sein, möglichst viele Menschen mitzunehmen. Wir sollten Angebote zur Beteiligung schaffen, die die Bedürfnisse der Menschen aufnehmen.“
Aus meiner Sicht ist es zentral, menschliche Erfahrungen zu ermöglichen, also zum Beispiel mit Opfern rassistischer Anschläge zu sprechen.“
Dass sich das Engagement für Demokratie und gegen Menschenfeindlichkeit lohnen kann, berichtete die Jugendbildungsreferentin Lisa Fullert: „Bei unseren gewerkschaftlichen Berufsschultouren begegnen uns mittlerweile auch im Ruhrgebiet immer mehr junge Leute, die rechtspopulistische Positionen vertreten, vor allem junge Männer“, sagt sie. „Es gelingt uns aber zumindest teilweise, mit den Gutwilligen im Gespräch zu bleiben. Wir halten immer dagegen!“