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Teilnehmende der Sommerakademie sitzen sich beim Planspiel zu Tarifverhandlungen an langen Tischen gegenüber. Magazin Mitbestimmung

Sommerakademie: Trainingscamp für junge Verhandlungsführer

Ausgabe 05/2025

Stipendiatinnen und Stipendiaten spielen eine Tarifrunde der Metall- und Elektroindustrie durch. Von Stefan Scheytt

Empört verlassen die Vertreterinnen und Vertreter der Arbeitnehmer den Konferenzraum. „Fünf Jahre Schweinerei – wir sagen Nein!“, rufen sie und drohen einen Warnstreik an. Denn das Angebot der Arbeitgeber brüskiert sie. Die Gegenseite bietet einen Tarifvertrag mit fünfjähriger Laufzeit bei einer Lohnerhöhung, die nur die Inflation wettmacht. Die Tarifverhandlungen sind fürs Erste geplatzt.

So geschehen im vergangenen August in Heidelberg. Doch die Szene hat keinen Einfluss auf Löhne und Gehälter. Sie ist Teil eines Spiels, eines Planspiels. Ins Leben gerufen haben es die Hans- Böckler-Stiftung und die Stiftung der Deutschen Wirtschaft (sdw) als Beitrag zur fünftägigen Sommerakademie 2025. Dort trafen sich 140 Stipendiatinnen und Stipendiaten aus 14 Begabtenförderungswerken. 13 „Stips“ entschieden sich für das Planspiel und simulierten zwei Tage lang Tarifverhandlungen.

Am Vorabend wurden sie dafür von zwei erfahrenen Verhandlern der IG Metall und vom Arbeitgeberverband Südwestmetall für die Gespräche fit gemacht. Unterstützung kam während des Spiels von zwei Journalistinnen, die bereits einige Tarifverhandlungen begleitet haben. Die Arbeitnehmervertreter fordern acht Prozent mehr Lohn im nächsten Jahr sowie eine Einmalzahlung von 700 Euro. Die Arbeitgeber antworten mit einem Klagelied über das nahende Ende der deutschen Automobilbranche und überhaupt den Niedergang des Landes. Den Forderungen stellen sie einen „gemeinsamen Transformationsplan“ entgegen und bieten, im Erfolgsfall eine „ordentliche“ Prämie in fünf Jahren – ohne eine Zahl zu nennen.

Zwischen den Treffen beraten sich die Parteien in ihren separaten Rückzugsräumen, sie recherchieren an ihren Tablets nach Renditen, Vorstandsboni, Dividenden, Lohnsummen oder früheren Tarifabschlüssen. Diese Informationen fließen in die Argumentation ein. Bei jeder neuen Zusammenkunft beharken sich die Verhandler.  Dennoch: Am ersten Abend um 22:42 Uhr verkünden Sprecherinnen beider Seiten vor der Presse gemeinsam den Durchbruch – voreilig, wie sich zeigt. Denn am nächsten Morgen verheddern sich die Parteien wieder in Details um Prozente, Einmalzahlungen und Fristen. Man streitet über scheinbar längst Geklärtes, die Verhandlung gerät zum Basar.

  • Stehende Teilnehmende beim Planspiel zu Tarifverhandlungen während der Sommerakademie
    Bei der Sommerakademie spielten Stipendiatinnen und Stipendiaten eine Tarifrunde durch. Die Stimmung heizt sich zunehmend auf. Die Arbeitnehmerseite ist empört.
  • Teilnehmer der Sommerakademie beim Planspiel zu Tarifverhandlungen. Ein Teilnehmer redet und gestikuliert mit Stift in der Hand.
    Die Arbeitgeber (rechts) bleiben hart beim Planspiel zu Tarifverhandlungen während der Sommerakademie.
  • Teilnehmer des Planspiels zur Tarifverhandlungen schütteln sich im Stehen die Hände.
    Kurz vor einer drohenden Schlichtung, können sich beide Seiten beim Planspiel zu Tarifverhandlungen doch noch einigen und besiegeln das Ergebnis per Handschlag.

Weil die Zeit davonläuft, soll es am Ende eine Viererrunde richten, bei Schweigegebot für alle Unterhändlerinnen und -händler. Auf einem Flipchart stehen bald neue Zahlen und Termine für einen vierjährigen Tarifvertrag, der dann zwei Minuten vor der drohenden Schlichtung Zustimmung findet. Aber was im Detail beschlossen wurde und was er wirklich für beide Seiten bedeutet, könnte zu dem Zeitpunkt wohl keiner mehr genau erklären.

Trotz des vagen Ergebnisses: Viele Stipendiatinnen und Stipendiaten lobten die hohe Lernkurve des Planspiels. Jurastudent Felix Moskalev hatte die Rolle des Chefverhandlers der IG Metall übernommen: „Es war krass, zu erleben, was es mit Verhandlungen macht, wenn sich eine Seite stur stellt, und wie sehr man mit Absicht um den heißen Brei herumreden kann“, sagte der Stipendiat der Konrad-Adenauer-Stiftung.

Womöglich meinte er damit Kleon Dingeldein. Der Mechatronikstudent ist Stipendiat der Hans-Böckler-Stiftung und Verdi-Mitglied. Doch diesmal machte er sich ausnahmsweise für die Arbeitgeberseite stark. „Auch wenn es seinem Gerechtigkeitsempfinden widerspricht, für Einmalzahlungen zu streiten anstatt für tabellenwirksame Lohnerhöhungen: Es hat Spaß gemacht, diese Rolle mal hart durchzuspielen.“ Jurastudentin und Böckler-Stipendiatin Greta Schößler verrät: „Ich nehme mit, dass ich voreingenommener bin, als ich dachte. Das Wichtigste ist, wach zu bleiben und trotz manch vorschneller Schlüsse nachzufragen. Das ist für mich der größte Take-away von der Sommerakademie.“

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