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Hans-Böckler-Preis 2023 Cavallo Service aktuell

Hans-Böckler-Preis für Daniela Cavallo: „Die Wirtschaft leidet unter zu wenig Mitbestimmung“

In diesem Jahr ging der Hans-Böckler-Preis der Stadt Köln an die VW-Betriebsrätin Daniela Cavallo. Wer in dieser Zeit Verantwortung übernimmt, verdient Respekt, würdigte Claudia Bogedan, Geschäftsführerin der Hans-Böckler-Stiftung, die Preisträgerin in ihrer Laudatio.

[1.5.2023]

Von Fabienne Melzer 

Sie fährt gerne mit dem Rad, sie fährt auch gerne Bahn, aber genauso gerne fährt Daniela Cavallo, Vorsitzende des VW-Gesamt- und Konzernbetriebsrats, mit ihrem Golf. Mit dem Auto fuhr sie Ende April auch von Wolfsburg nach Köln, wo sie in der Piazetta des Historischen Rathauses den Hans-Böckler-Preis von Oberbürgermeisterin Henriette Reker und Witich Roßmann, Vorsitzender des DGB Stadtverbands Köln, entgegennahm. Der Kölner DGB-Vorsitzende hatte sich in seiner Rede unter anderem mit den Mobilitätswünschen und -gewohnheiten der Menschen in Köln befasst und mit Blick auf die moderne Vielfalt der Verkehrsmittelwahl Daniela Cavallo gefragt, womit sie nach Köln gekommen ist.  

Die Preisträgerin zeigte sich überwältig von der Auszeichnung: „Als ich den Anruf bekam, war ich sprachlos.“ Den Preis könne sie nur stellvertretend für das gesamte Gremium annehmen. Das habe nichts mit falscher Bescheidenheit zu tun, sie sei selbstbewusst genug, was ihre Arbeit betrifft. „Aber der Name Hans Böckler ist für jeden Gewerkschafter etwas Besonderes. Er steht für den Meilenstein der paritätischen Mitbestimmung“, sagte die VW-Betriebsrätin. 

Mitbestimmung in Köln ins Werk gesetzt

Der Namensgeber des Preises war nicht nur der erste DGB-Vorsitzende nach dem Krieg, sondern auch Ehrenbürger der Stadt. Diese Ehre zu vergeben, überlege sich Köln sehr genau, sagte Henriette Reker und erinnerte daran, dass Hans Böckler gemeinsam mit Konrad Adenauer die Ehrenbürgerschaft 1951 verliehen wurde. Während der Feierlichkeiten sollen sich die beiden verabredet haben, eine Lösung im Streit um die Montanmitbestimmung zu erzielen. „Ich bin stolz, dass der Weg der Mitbestimmung durch zwei Kölner hier in Köln ins Werk gesetzt wurde“, sagte Recker. Seit 2005 zeichnet die Stadt Köln mit dem Hans-Böckler-Preis Menschen aus, die sich um die Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen, die Schaffung von Arbeits- und Ausbildungsplätzen, Bildung und Weiterbildung, den sozialen Zusammenhalt und das solidarische Miteinander der Menschen sowie die Mitbestimmung und die Mitwirkung in Wirtschaft und Gesellschaft verdient gemacht haben. 

  • Hans-Böckler-Preis 2023 Cavallo

In diesem Jahr also Daniela Cavallo, eine Frau mit italienischen Wurzeln, die in einer männerdominierten Branche in schwierigem Fahrwasser Verantwortung übernommen hat. Auch im 21. Jahrhundert noch immer etwas Besonderes. Claudia Bogedan, Geschäftsführerin der Hans-Böckler-Stiftung, nannte die Preisträgerin in ihrer Laudatio daher auch die erste ihrer Art an der Spitze des VW-Betriebsrat: „Als Italienerin und als Frau.“ Die erste ihrer Art, die gleichzeitig verhindern muss, dass die 600.000 Beschäftigten des VW-Konzerns die letzten ihrer Art werden. „Das Aus für den Verbrennermotor, die Digitalisierung und die Globalisierung könnten nämlich durchaus dazu führen, dass bei Volkswagen keine oder deutlich weniger Autos vom Band rollen“, sagte Claudia Bogedan. Die starke Mitbestimmung bei VW habe dies bislang verhindert. Dennoch herrsche unter den Beschäftigten große Unsicherheit. „Wer in diesen Zeiten diese besondere Verantwortung und die damit verbundene Bürde auf sich nimmt, diese Person verdient unser aller Respekt und Hochachtung“, sagte Claudia Bogedan. 

Preis als Ansporn, weiter für die Mitbestimmung zu kämpfen

Der Kölner DGB-Vorsitzende Witich Roßmann erhoffte sich von der Preisverleihung auch einen Erfahrungsaustausch zwischen Köln und Wolfsburg. Denn die Zukunft der Mobilität beschäftigt auch die Menschen im Kölner Fordwerk. Roßmann kritisierte die immer noch fehlende Ladestruktur für E-Autos, die es Menschen in der Innenstadt schwermache umzusteigen. „Wolfsburg, das so groß ist wie Ehrenfeld, hat mehr Ladesäulen als Köln“, sagte der Kölner DGB-Vorsitzende. Er nannte auch die Preise für E-Autos derzeit eine zu hohe Hürde. Daher sei es ein besonderer Verdienst des Ford-Betriebsrats, dass der Konzern nun immerhin eine Machbarkeitsstudie für ein kleines E-Auto erstelle. „Wir sollten nicht darüber diskutieren, ob wir in Köln in ein Autowerk brauchen, sondern darüber, wie dieses Werk zukunftsfähige Autos bauen kann“, sagte Witich Roßmann. Bei der Transformation der Autoindustrie aber auch auf dem Weg zu Klimaneutralität allgemein ist Deutschland in vielen Bereichen auf Zulieferung aus China angewiesen. Auch hier lohne sich ein Austausch mit Wolfsburg. „Da können wir von den Erfahrungen von VW in Südafrika zu Zeiten der Apartheid oder in den us-amerikanischen Südstaaten profitieren.“  

Daniela Cavallo nimmt den Preis als Ansporn, weiter für die Mitbestimmung zu kämpfen. „Die Wirtschaft in Deutschland leidet nicht unter zu viel, sondern unter zu wenig Mitbestimmung“, sagte die VW-Betriebsrätin. Weil Mitbestimmung ein Standortvorteil sei, werde sie weiterkämpfen - gegen das Doppelstimmrecht des Aufsichtsratsvorsitzenden: „Eine solche Basta-Regel nach Gutsherrenart passt nicht ins 21. Jahrhundert.“ Gegen die Flucht aus der Mitbestimmung in die europäische Aktiengesellschaft: „Das hat nichts mit dem europäischen Gedanken zu tun.“ Diesen Einsatz seien sie und ihre Mitstreiter Hans Böckler schuldig.

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