Aufsichtsräte: Mitbestimmung schafft Vertrauen in unsicheren Zeiten
Um Vertrauen zurückzugewinnen, brauchen wir verlässliche Regeln und Verabredungen – in der Politik, aber auch in den Unternehmen. Dafür ist eine starke Mitbestimmung unerlässlich, schreibt I.M.U.-Direktor Daniel Hay.
[10.06.2025]
Mit Blick auf die großen Unsicherheiten, vor denen deutsche Unternehmen aktuell stehen, war das Thema der diesjährigen Böckler Konferenz für Aufsichtsräte naheliegend: Unter dem Titel „Mitbestimmung schafft Vertrauen – Lösungen für unsichere Zeiten“ diskutierten wir in der vergangenen Woche mit mehr als 260 Arbeitnehmervertreter*innen in Aufsichtsräten, Mitbestimmungsexpert*innen und Vertreter*innen der Wissenschaften über die Verantwortung der Mitbestimmung für eine zukunftsfähige deutsche Wirtschaft. Führende Expert*innen der jeweiligen Fachbereiche sprachen über die Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandorts Deutschland, über die Bedeutung von Nachhaltigkeit in der Aufsichtsratspraxis und Herausforderungen, die der Kurs der neuen US-Regierung für deutsche Unternehmen mit sich bringt.
Auch die aktuelle Linie der deutschen Bundesregierung wurde thematisiert. Dass Kanzler Friedrich Merz bei seinem Antrittsbesuch in Brüssel die Abschaffung der europäischen Lieferkettenregelung forderte, während der Koalitionsvertrag seiner frisch berufenen Bundesregierung explizit eine Fortführung vorsieht, ist eines der jüngsten Beispiele dafür, wie es nicht laufen sollte. Nach dem vorzeitigen Aus der Ampel-Regierung und der großen Enttäuschung über die im Koalitionsvertrag vereinbarten, aber nicht umgesetzten Ziele zum Schutz der Mitbestimmung muss das Gebot der Stunde für das neue Kabinett lauten: Verlässliche Regeln schaffen, trotz chaotischer geopolitischer Rahmenbedingungen und der transformationsbedingten Entwicklungen in der Wirtschaft.
Nur, wenn Union und SPD sich zusammenfinden und das Land gemeinsam durch die Krise führen, kann das Vertrauen der Bevölkerung in das politische Gelingen der Krisenbewältigung zurückgewonnen werden. Mit Blick auf die Arbeit in den Aufsichtsräten lässt sich dieser Ansatz übertragen: Eine Besinnung auf die gemeinsamen Interessen der Arbeitnehmer- und Anteilseignervertreter*innen ist der Garant für den wirtschaftlichen Erfolg von Unternehmen und des Standorts Deutschland. Das zeigen nicht nur Erfahrungen der praktischen Aufsichtsratsarbeit, sondern auch zahlreiche unserer Studien zum ökonomischen Wert der Mitbestimmung. Die konstruktive Zusammenarbeit der beiden Aufsichtsratsbänke erfordert aber schlussendlich auch die aktive Beteiligung des Gegenübers. Allen Teilnehmenden werden die lobenden Worte sicherlich in guter Erinnerung bleiben, die die prominenten Vertreter*innen der Anteilseignerseite für die Mitbestimmung fanden.
Dr. Daniel Hay ist der Wissenschaftliche Direktor des Instituts für Mitbestimmung und Unternehmensführung (I.M.U.) der Hans-Böckler-Stiftung.
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Auf einen Blick: Was Mitbestimmung bewirkt
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