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Magazin Mitbestimmung

: Profiteure des Outsourcings

Ausgabe 11/2011

Wir stellen die Dienstleistungsriesen WISAG, ISS und Dussmann vor, die enorm wachsen, aber mitbestimmungspolitisches Entwicklungsland sind. Von Karin Flothmann

AVERSION GEGEN TARIFVERTRÄGE

WISAG An Mindestlöhne hält sich dieser Dienstleistungsriese mit 40 000 Beschäftigten. Doch wenn Betriebsräte Betriebsvereinbarungen abschließen wollen oder Gewerkschaften Tarifverträge, blockiert das Familienunternehmen.

Firmengründer Claus Wisser finanzierte sich in den 60er Jahren sein BWL-Studium mit Eimer und Schrubber. Er gründete ein Putzunternehmen, 1975 dann ein zweites, das sich auf Sicherheits-, Überwachungs- und Empfangsdienstleistungen spezialisierte. Heute ist aus der kleinen Frankfurter Reinigungsfirma ein Dienstleistungsriese geworden, der sein Geld nach wie vor mit Saubermachen verdient – von Gebäuden, Industrieanlagen, Flugzeugen.

Dazugekommen sind Sicherheit und Catering – Branchen, in denen ungelernte Arbeitnehmer auf Niedriglohnniveau arbeiten. Dem Unternehmen hats nicht geschadet: Die WISAG ist in 50 Jahren zu einem der größten Dienstleistungsunternehmen in Deutschland herangewachsen. Heute beschäftigt der WISAG-Konzern 39 500 Menschen und machte 2010 einen Umsatz von etwa 1,3 Milliarden Euro – hauptsächlich in Deutschland. Wobei der größte Bereich die WISAG Facility Service Holding ist, zu der auch die Gebäudereinigung gehört. 2010 arbeiteten dort rund 23 000 Beschäftigte in 120 Niederlassungen in ganz Deutschland.

Erklärtes Ziel der WISAG ist es aber auch, in höherwertigen Dienstleistungen zu wachsen, etwa im Facility- Management. Die WISAG hält industrielle Anlagen instand, organisiert den technischen Betrieb der Düsseldorfer Arena, kümmert sich um die Wartung und Installation von Klimaanlagen und Heizungen. Seit Mitte der 2000er Jahre ging das Unternehmen auf Einkaufstour, kaufte erst die ThyssenKrupp HiServ, den Geschäftsbereich Industrie- und Gebäudeservice von ThyssenKrupp (TK) mit 1200 Mitarbeitern. Danach die ABB-Gebäudetechnik mit 1100 Beschäftigten.

2009 dann ging die ThyssenKrupp Industrieservice (TKIN) mit rund 12 000 Beschäftigten an die WISAG Produktionsservice, kurz wps, über. Im Zuge des Verkaufes wurde eine „Best-Owner-Vereinbarung“ abgeschlossen und ein Integrationsrat verabredet, besetzt mit dem Arbeitsdirektor und dem Konzernbetriebsratsvorsitzenden von ThyssenKrupp, der die Integration in die neue Firma fünf Jahre begleiten sollte (mehr dazu hier zum Download). Letztes Jahr wurden gleichwohl in einem Tarifvertrag mit dem Unternehmerverband Industrieservice (uis) die Eckentgeltgruppen abgesenkt, offenbar mit Hinweis auf die Konkurrenzfähigkeit der wps, die im Oktober 2010 einen Großauftrag von BMW an ISS verloren hatte. Eine weitere große Übernahme war 2008 der Berliner Airportdienstleister GlobeGround Berlin, der mit der Übernahme voll privatisiert wurde.

In den drei Holdings des Konzerns führt Michael C. Wisser, Sohn des Gründers, die Geschäfte. Gewerkschafter berichten von harten Verhandlungen und dass der Unternehmer Betriebsvereinbarungen nicht unterschreibt, die lehnt er ab. Die WISAG ist – wie der Multidienstleister Dussmann – fast ein reines Familienunternehmen unter dem Dach des AVECO- Konzerns, in dem Vater und Sohn Wisser als Hauptgesellschafter die Geschicke des gesamten Unternehmens lenken. Nur in 17 der 227 Einzelgesellschaften liegt die Beteiligung der Wissers unter 100 Prozent. Das Familienunternehmen scheut die Öffentlichkeit. Auf Anfragen reagiert die Pressestelle verschlossen, sagt, dass „die Eigentümerfamilie diese Fragen nicht beantworten möchte“.

FÜNF GEWERKSCHAFTEN_ Bei der WISAG arbeiten Ingenieure, Elektrotechniker, Gärtner, Monteure oder Installateure, aber auch Berater, Verwaltungsangestellte oder Fahrer. Insgesamt fünf Gewerkschaften sind im Konzern vertreten. „Das Schlagwort ‚Ein Betrieb eine Gewerkschaft‘ hat hier längst ausgedient“, sagt Frank Wynands, IG-BAU-Bundesvorstandsmitglied für Dienstleistungen und Vize im Aufsichtsrat der AVECO. Wynands ist Verhandlungsführer von drei Industriegewerkschaften – der IG BAU, IG Metall und IG BCE – für die Beschäftigten der WISAG im Bereich der industriellen Dienstleistungen. Seine Gewerkschaft kümmert sich außerdem um die Reinigungskräfte, den Bereich Catering deckt die NGG ab, für Sicherheit und Flughafendienste zeichnet ver.di verantwortlich, und die IG Metall ist für die Monteure und Ingenieure im Industriebereich und für die Elektrotechnik zuständig.

„Der große weiße Fleck für uns Gewerkschaften ist das Facility-Management“, meint Wynands. Hier existieren bis auf ein paar betriebliche Ausnahmen keine Tarifverträge. „Und die WISAG will mit uns keine Haustarifverträge abschließen“, sagt er. Dagegen existieren bei der WISAG Industrie Holding Tarifverträge der IG BAU, IG BCE und IG Metall mit dem Unternehmerverband Industrieservice, der Einstiegslohn liegt seit Juli 2011 bei 8,25 Euro, 2012 wird er auf 8,50 steigen.

Besser verdienen auch bei der WISAG qualifizierte Facharbeiter: Die Elektrotechniker verdienen im Schnitt rund 2700 Euro, berichtet Wolfgang Sue, GBR-Vorsitzender der Sparte WISAG-Elektrotechnik und als IG-Metaller per Gastmandat im Aufsichtsrat der AVECO-Holding. Nur 650 Beschäftigte hat diese Sparte, in der durchweg Männer unbefristet beschäftigt sind. Dort gibt es auch ein Weihnachtsgeld, „was Tausende von Kolleginnen und Kollegen bei der WISAG überhaupt nicht kennen“, sagt Sue.

HOHE FLUKTUATION_ „Bis zu zwei Drittel der Beschäftigten sind bei der WISAG geringfügig beschäftigt und bringen ein geringes Qualifikationsniveau mit“, bestätigt Holger Timmer, Unternehmensbeauftragter der IG Metall für den Konzern. So arbeiten die 15 000 Gebäude-reiniger/innen der WISAG meist zum Mindestlohn – das sind im Osten sieben Euro, im Westen 8,55. „Die meisten unserer Beschäftigten arbeiten drei bis vier Stunden am Tag“, sagt Olaf Ahlhelm, GBR-Vorsitzender der Gebäudereinigung, und berichtet von einer „hohen Fluktuation“, auch weil Befristung die Regel ist.

Dennoch findet Alhelm: „Wir sind sehr gut in der Mitbestimmung drin.“ Betriebsräte gebe es bei der WISAG flächendeckend in jeder Niederlassung, jede Sparte hat einen Gesamtbetriebsrat, hinzu kommen der Konzernbetriebsrat und die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat. Außerdem lege die WISAG Wert auf eine gewisse Unternehmenskultur der Wertschätzung ihrer Mitarbeiter.

Im Durchschnitt, schätzt Frank Wynands von der IG BAU, sind in der Gebäudereinigung rund zehn Prozent der Beschäftigten gewerkschaftlich organisiert. Nicht so beim Flughafen Frankfurt, wo 70 Prozent der Kabinenreiniger, Container-Versorger und winterlichen Flugzeugenteiser Mitglied der IG BAU sind, wie Erol Ornc, Betriebsratsvorsitzender des WISAG Airportservice, berichtet. Auch hier wird Mindestlohn bezahlt, die Reinigung der Flugzeugkabine bringt den ungelernten Putzkräften 8,55 Euro pro Stunde plus einer Erschwerniszulage von 75 Cent.

„Die WISAG hält sich an Tarife und Mindestlöhne, wo es sie gibt“, da sind sich Holger Timmer von der IG Metall und Frank Wynands von der IG BAU einig. „Aber wenn Betriebsräte versuchen, darüber hinaus eine Betriebsvereinbarung abzuschließen, heißt es immer wieder: Nein, so etwas brauchen wir doch nicht“, sagt Timmer. Diese Blockadehaltung erleben die Gewerkschaften, auch wenn sie Tarifverträge abschließen wollen. „Niedrige Löhne zeigen die geringe Wertschätzung der Gesellschaft“, heißt es auf der WISAG-Website, daher setze sich das Unternehmen „vehement für Mindestlöhne“ ein. Aber drückt man seine Wertschätzung tatsächlich mithilfe von Mindestlöhnen aus? Und stellt sich gegen Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen?

SAUBERMACHEN IM GLOBAL-PLAYER-FORMAT 

ISS Der Gigant für Reinigungs- und Sicherheitsdienste ist in den deutschen Mitbestimmungsgremien noch nicht gut verankert. Weltweit dagegen hat sich ISS gegenüber der „UNI Global Union“ verpflichtet, Gewerkschaften
freien Zugang zu den Betrieben zu ermöglichen.

Anfang dieses Jahres bekommt der Weltkonzern ISS den Zuschlag für einen Großauftrag bei BMW – und die deutsche WISAG verliert den Kunden BMW nach einer Ausschreibung. Seither kümmern sich 400 Beschäftigte der ISS Deutschland GmbH um das technische und infrastrukturelle Gebäudemanagement und die technische Reinigung der BMW-Standorte in Landshut und Dingolfing. Mit diesem Auftrag hat der Multidienstleister ISS einen ersten Fuß in der Tür der Industriedienstleistungen. Und auch wenn man bei der WISAG mutmaßt, dies sei nur mit einem absoluten Dumpingangebot möglich gewesen – den ISS-Konzern ficht das nicht an. Denn BMW, das bringt Prestige. Und mit solch einem Auftrag kann man weitere Auftraggeber aus dem Bereich der Industrie umwerben. Denn letztlich geht es Industriekonzernen, die Dienstleistungen outsourcen, darum, möglichst alles aus einer Hand zu bekommen: vom Facility-Management über Reinigung und Wachdienste bis hin zu Industriedienstleistungen wie Wartung und Anlagenbau.

GROSSER DEAL_ Die International Service System (ISS) war schon ein Dienstleistungsriese, als die Firma jetzt, Mitte Oktober, den Eigentümer wechselte. Zuvor in der Hand der zwei mächtigen Finanzinvestoren EQT und Goldman Sachs, kaufte nun die britisch-dänische Sicherheitsfirma G4S das Unternehmen für fast sechs Milliarden Euro. Damit entstand aus zwei nahezu gleich starken Unternehmen der weltweit größte Konzern im Servicebereich mit einem Umsatz von rund 18 Milliarden Euro. In Deutschland erwirtschaftete ISS 2010 mit 11 000 Mitarbeitern 346 Millionen Euro, die Unternehmenszentrale ist in Düsseldorf. Der weltweite Gewinn der ISS wird im Geschäftsbericht mit 4,267 Milliarden dänischen Kronen ausgewiesen, das entspricht etwa 573 Millionen Euro.

Die beiden Konzerne ISS und G4S ergänzen sich optimal. ISS ist mit rund 550 000 Beschäftigten in mehr als 50 Ländern vor allem in der Reinigungsbranche aktiv. G4S betreibt mit 625 000 Beschäftigten in 125 Ländern der Welt das Geschäft mit der Sicherheit. Das Unternehmen schützt Regierungsgebäude, Banken und Büros, Ölraffinerien und Gaswerke, Häfen oder Flughäfen, stellt das Wachpersonal in privaten Gefängnissen und sorgt für die Sicherheit während der Olympischen Spiele in London.

Beide Global Player, die jetzt zusammengingen, haben eine gemeinsame Geschichte. Den Grundstein für beide Konzerne legten 30 Nachtwächter im Jahr 1901 in Kopenhagen, die einen der ersten privaten Sicherheitsdienste der Welt gründeten. Wenig später wurde das Unternehmen um Reinigungsdienste erweitert. Nach der Trennung von der heutigen G4S-Gruppe eröffnete die ISS im Jahr 1960 eine erste Niederlassung in Lübeck. Fortan wurde weltweit expandiert. Heute ist International Service System – nach eigener Auskunft – der größte Gebäudedienstleister der Welt.

Unter ihr Kerngeschäft, das Facility-Management, subsumiert die Firma Reinigungs- und Sicherheitsdienstleistungen, Catering, Gebäudemanagement und Servicedienstleistungen für Unternehmen – sie organisiert dabei alles – von der Gästebegrüßung über Geschäftstreffen bis hin zu Tagungen. „Mit unserem Personalservice entlasten wir Sie durch die Überlassung von Zeitarbeitskräften mit Qualifikationen im technischen, gewerblichen und kaufmännischen Bereich“, heißt es auf der Website der ISS. In Halle, Hamburg und Düsseldorf unterhält der Konzern Personalserviceagenturen, die Leiharbeiter an andere Unternehmen vermitteln. Vom Konzern war keine Auskunft zu erhalten, wie viele Leiharbeiter bei der ISS-Leiharbeitstochter ISS Personalservice beschäftigt sind.

HOHER MIGRANTENANTEIL_ Größter ISS-Geschäftsbereich in Deutschland ist das Reinigungsgewerbe. „In der Gebäudereinigung der ISS ist der Anteil an Migranten in Deutschland sehr hoch“, sagt Kai Schwabe, Gewerkschaftssekretär der IG Bau, zuständig für die Region Rheinland. Die ISS halte sich an die Tarifverträge der Gebäudereinigung, was in der Lohngruppe 1 einen Stundenlohn von 8,55 Euro festlegt, sagt Schwabe. Der Großteil der Reinigungskräfte sind Frauen, die meisten von ihnen erhalten die Lohngruppe 1. Darunter auch viele Alleinerziehende. „Die reinigen morgens Büros, bevor sie ihre Kinder für die Schule fertigmachen“, weiß Schwabe. Die Regel seien außerdem häufig befristete Verträge – zumindest am Anfang.

„Unsere Verankerung in den betrieblichen Gremien der ISS weist noch erhebliche Lücken auf“, sagt Peter Riedel, bei der IG BAU zuständiger Abteilungsleiter für die Gebäudereinigung in Deutschland. Auch wenn es in einigen Betriebsräten nicht schlecht läuft, die gewerkschaftliche Anbindung im Gesamtbetriebsrat steckt noch in den Kinderschuhen. Dort sind Objektleiter – und damit Vorgesetzte – aktiv, was eine Vertretung von Arbeitnehmerinteressen nicht unbedingt befördert. Das liegt nicht zuletzt an der fehlenden gewerkschaftlichen Basis im Betrieb, rund 20 Prozent der Reinigungskräfte bei der ISS sind bei der IG BAU organisiert, sagt Peter Riedel und meint: „Tarifpolitische Verfehlungen konnten wir bisher nicht überproportional feststellen.“

GLOBAL AGREEMENT_ Nigel Venes von der „UNI Global Union“ in Genf hat einen direkteren Kontakt zum Weltkonzern. Zweimal pro Jahr trifft sich der Vertreter der globalen Dienstleistungsgewerkschaft mit Konzernvertretern. 2009 gelang es UNI, mit der ISS das erste „global agreement“ in dieser Branche zu vereinbaren, wenig später schloss auch der Konzern G4S eine solche Vereinbarung ab. Danach haben Gewerkschaften, die zur UNI gehören, Zugang in die Betriebe und können Gewerkschaftsmitglieder werben. Gleichzeitig haben sie das Recht, sich für faire Arbeitsbedingungen und Löhne einzusetzen. „All das ist bei den beiden Konzernen weltweit möglich, ohne dass die Beschäftigten Diskriminierung fürchten müssen“, sagt Venes.

Das ist im globalen Maßstab ein Meilenstein. „Rund 50 000 Menschen arbeiten allein in Indonesien für ISS“, sagt Venes. „Im Reinigungsgewerbe und bei der Sicherheit ist schlechte Bezahlung weltweit üblich, Gewalt in den Arbeitsbeziehungen ist für diese Beschäftigten völlig normal“, weiß der Gewerkschafter. ISS pflegt mit Blick auf sein Image in Europa einen guten Draht zur Global Union. Im Gegenzug ermutigt UNI kleine Gewerkschaften und die Beschäftigten vor Ort, „Minimum-Standards zu setzen gegen die Ausbeutung, wie sie heute noch in vielen Ländern der Welt existiert“.

MILLIONÄR MIT VORLIEBE FÜR DEN MINDESTLOHN 

DUSSMANN
Der Multidienstleister in Familienhand macht sich für die Einführung von Branchenmindestlöhnen stark – und verhindert im Gegenzug Tarifverträge. Bisher. Die Gewerkschaften ver.di, IG BAU und NGG wollen „die Chancen dafür ausloten“.

Die Dussmann-Gruppe gehört zu den globalen Multidienstleistern. 56 500 Menschen beschäftigt der Konzern in 21 Ländern – davon die meisten im Reinigungsgewerbe und in den Sicherheitsdiensten. Dazu kommen Pflegedienstleistungen, Catering und das Facility-Management von Gebäuden – das sind die größten Geschäftsfelder im Dussmann-Imperium. 2010 erzielte der Dienstleistungs-Riese einen Gesamtumsatz von 1,567 Milliarden Euro. Gewinne werden von den Familieneigentümern nicht veröffentlicht.

1963 gründete Peter Dussmann mit einer Handvoll Mitarbeiter einen Heimpflegedienst in München. Heute umfasst der Geschäftsbereich Kursana 117 Altenpflegeheime und Residenzen für 13 600 Senioren in Deutschland, Österreich, Estland, Italien und der Schweiz. Mit den Niedriglöhnen im Bereich Putzen, Bewachen und Pflegen groß geworden, entdeckte der Konzern seit Mitte der 90er Kultur als lukratives und Image förderndes Steckenpferd. In Berlin Mitte betreibt der Multidienstleister das bekannte Kulturkaufhaus Dussmann – auf fünf Etagen und 7000 Quadratmetern gibt es Medien aller Art, Jahresumsatz rund 35 Millionen Euro. Peter Dussmann engagierte sich auch als Kulturmäzen etwa für die Berliner Oper, bis er Ende 2008 einen Schlaganfall erlitt. Seither führt die Gattin, Catherine von Fürstenberg-Dussmann, als Aufsichtsratsvorsitzende den Konzern und sitzt auch der Dussmann-Stiftung vor, die seit Kurzem die Geschäfte der Dussmann-Gruppe leitet. Jüngste Dussmann-Idee sind betriebsnahe „Kultur-Kindergärten“, davon gibt es bisher zwei an Kliniken.

KEIN PFLEGE-TARIFVERTRAG_ „Die Art des Produkts ist bei Dussmann in den Hintergrund getreten“, sagt Marion Leonhardt, bei ver.di zuständig für den Pflegebereich des Konzerns. „Investiert wird dort, wo Renditeerwartungen bestehen.“ Für die Pflege existiert bis heute kein Tarifvertrag mit Dussmann. Dabei war der Konzern maßgeblicher Motor bei der Gründung des Arbeitgeberverbands Pflege. Doch nicht um eine veritable Tarifvertragspartei zu begründen, sondern man setzte sich vehement für die Einführung von Branchen-Mindestlöhnen ein, die am Ende ein weit niedrigeres Niveau erreichten, als ver.di gefordert hatte. Pflegehilfskräfte erhalten nun 8,50 Euro in Westdeutschland und 7,50 Euro im Osten. Das ist zu 85 Prozent Frauenarbeit und vielfach Teilzeit und befristet. Fachpersonal wird nach regionaler Arbeitsmarktlage bezahlt, „dort, wo möglich, zahlt Dussmann weniger als das Branchenniveau“, erklärt ver.di-Vertreterin Leonhardt, wo Fachkräftemangel besteht, bekommen die examinierten Pfleger/innen mehr.

In der Security-Branche arbeiten meist Männer. Dussmann hält sich auch hier, wie in fast all seinen Branchen, nicht unbedingt an Tarifverträge. Nur die Berliner Niederlassung ist Mitglied des Bundesverbands der Sicherheitswirtschaft – in den anderen Bundesländern wird in der Regel nicht mehr als Mindestlohn gezahlt, und der ist von Bundesland zu Bundesland ein anderer: In Baden-Württemberg liegt er für Sicherheitsdienste bei 8,60 Euro pro Stunde, in den neuen Ländern, Berlin, Rheinland-Pfalz und dem Saarland bei 6,53 Euro.

Auch im Reinigungsgewerbe zementiert Dussmann für die Tausenden von Arbeitnehmerinnen ein Mindestlohn-Niveau. „Dussmann hat – obwohl einer der größten Dienstleistungskonzerne Deutschlands – keine flächendeckende Innungsbindung in der Gebäudereinigung“, sagt Peter Riedel von der IG BAU. Der Konzern steht damit nicht in der Pflicht, den Lohntarifvertrag für die Gebäudereinigung anzuwenden. In der Praxis bedeutet dies, dass für eine Reihe von Kolleginnen, zum Beispiel Vorarbeiterinnen, die Löhne eingefroren werden, sie also nicht mehr an Lohnerhöhungen partizipieren.

Bei Dussmann ziehen die IG BAU, ver.di und die NGG an einem Strang. „Wir führen inzwischen gemeinsame Gespräche mit dem Vorstand“, erläutert Corinna Hersel, bei ver.di verantwortlich für den Konzern. „Und wir versuchen, die Chancen für weitergehende Tarifverträge auszuloten.“ Immerhin sei Dussmann beim Catering unlängst wieder in den Unternehmerverband eingetreten. Dennoch gebe es leider kein Bekenntnis der Gruppe zu Tarifverträgen. Das Credo von Dussmann laute, so Hersel: „Wir wenden alles an, was uns gesetzlich vorgeschrieben ist.“

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