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Diskussionsrunde mit Sebastian Dullien, Dalia Marin, Sander Tordoir und Julia Eder (v.r.n.l.) beim IMK-Forum in Berlin Magazin Mitbestimmung

Weltwirtschaft: Mehr europäische Integration wagen

Ausgabe 03/2025

Die Sicherung des Wohlstands diskutierte das diesjährige IMK-Forum in Berlin. Was es braucht: eine intelligente, vielschichtige Industriepolitik – und ein Europa, das zusammenhält. Von Jeannette Goddar und Fabienne Melzer

Wer hätte vor einem Jahr gedacht, dass die Schuldenbremse heute Geschichte ist? IMK-Direktor Sebastian Dullien jedenfalls nicht. In seiner Eröffnung des IMK-Forums Mitte Mai in Berlin erinnerte er an die Diskussion im vergangenen Jahr. Die Entwicklung zeige aber: „Manchmal gibt es in Deutschland wirtschaftlichen Fortschritt und Strukturreformen im Rekordtempo.“ Die DGB-Vorsitzende Yasmin Fahimi erinnerte daran, dass gerade Gewerkschaften trotz Gegenwind hartnäckig an dem Thema festgehalten hatten. „Es ist auch unser Erfolg, dass sich diese Finanzblockade aufgelöst hat“, sagte Fahimi.

Die erfolgreich gelöste Schuldenbremse leitete dann auch zur Frage des diesjährigen IMK-Forums über: „Wie sichern wir unseren Wohlstand?“ In Zeiten, in denen die USA mit Zollandrohungen die Wirtschaft weltweit verunsichern und China zunehmend auf strategische Unabhängigkeit setze, seien die zusätzlichen Finanzmittel für den Standort Deutschland wichtig, sagte Fahimi.

„Die Zeitenwende stellt das bisherige deutsche Wachstumsmodell infrage“, stellte Dullien fest. Das beruhte lange auf Export, China und die USA zählten zu den wichtigsten Absatzmärkten. Der IMK-Direktor empfiehlt der Bundesregierung ein kreditfinanziertes öffentliches Investitionsprogramm. Dies stabilisiere die Nachfrage, verbessere die Produktivität und rege private Investitionen an. Außerdem brauche es eine gezielte Industriepolitik für Schlüsselbranchen, eine Verlängerung der Strompreisbremse und einen beschleunigten Ausbau der erneuerbaren Energien und Netze.

Guntram Wolff von der Université libre de Bruxelles sowie Senior Fellow bei Bruegel und am Kieler Institut für Weltwirtschaft sieht bei Rüstungsausgaben in Sachen Wettbewerb viel Luft nach oben. Mehr als in jedem anderen Bereich würden Verteidigungsgüter in erster Linie national beschafft: „Das birgt die Gefahr, dass das Geld vor allem in Rendite und Profite von Monopolkonzernen geht“, sagte Wolff. Sein Plädoyer: in der Beschaffung mehr europäische Integration wagen.

Wirtschaftswissenschaftlerin Dalia Marin forderte zudem, den Wettbewerb als Chance zu begreifen und von China zu lernen. So solle Europa verstärkt auf Technologietransfer setzen. Als ein Beispiel nannte die an der TU München lehrende Wissenschaftlerin die verstärkte Gründung von Joint Ventures europäischer und chinesischer Unternehmen. „Die Europäische Union sollte allerdings auf einer Beteiligung von 50 Prozent hiesiger Unternehmen bestehen“, sagte Marin.

Eine gute Prise Optimismus streute der Niederländer Sander Tordoir vom Centre for European Reform in London in die Diskussion. „Europa hat gegenüber den USA zwei große Vorteile: eine starke Industrie und großen fiskalischen Spielraum.“ IMK-Direktor Dullien fügte diesen Vorteilen noch die Rechtsstaatlichkeit in Europa hinzu: „In den USA entscheidet die Politik derzeit sehr erratisch, welche Unternehmen gefördert werden.“

Der aus den USA zugeschaltete Ökonom Dani Rodrik plädierte dafür, den Fokus zu verschieben. „Die Zukunft industriepolitischer Maßnahmen für Gute Arbeit liegt im Dienstleistungssektor.“ Insbesondere in den Bereichen
Gesundheit, Pflege und häusliche Unterstützung rechnet der in Harvard, Massachusetts, lehrende Ökonom mit Jobzuwächsen. Dabei sieht er Industriepolitik als kooperativen Ansatz, bei dem Staat und Privatwirtschaft gemeinsam Hindernisse identifizieren und überwinden sollten.

Seine These blieb nicht unwidersprochen. So wies Julia Eder von der Arbeiterkammer Wien darauf hin, dass der Dienstleistungssektor nicht losgelöst von der Industrie betrachtet werden könne. Viele Dienstleistungen würden schließlich für die Produktion und produzierte Waren erbracht.

Mehr Infos unter:

Vollständige Tagungsdokumentation zum IMK Forum: "Wie sichern wir unseren Wohlstand?" unter: www.boeckler.de/de/dokumentationen

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