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Interview mit Katja Rietzler: "Eine sozialverträgliche Ausgestaltung der CO2-Steuer ist möglich"

Wie lässt sich eine CO2-Steuer so gestalten, dass sie nicht nur hilft, die deutschen Klimaschutz-Ziele zu erreichen, sondern dabei auch sozial gerecht gestaltet ist? Dazu hat unser Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) ein Gutachten für das Bundesumweltministerium erstellt. Im Interview erklärt Forscherin Katja Rietzler den Ansatz.

Frage: Jeweils 60 bis 70 Prozent der Wahlberechtigten machen sich große Sorgen um den Klimawandel und um die soziale Ungleichheit. Das IMK hat in einem Gutachten für das BMU untersucht, ob sich gegen beide Probleme mit einer CO2-Steuer etwas machen lässt. Geht das?

Rietzler: Eine CO2-Steuer kann ein sinnvoller Baustein von vielen für eine umfassende Strategie sein, dem Klimawandel zu begegnen. Sie kann sozialverträglich ausgestaltet werden, indem man den Anteil der privaten Haushalte am Aufkommen der CO2-Steuer in Form einer Klimaprämie mit einem einheitlichen Pro-Kopf-Betrag wieder an diese erstattet. Vor dem Hintergrund, dass vergangene Steuerreformen systematisch untere Einkommensgruppen belastet und Besserverdiener entlastet haben, wäre eine CO2-Besteuerung ohne sozialen Ausgleich aus verteilungspolitischer Sicht sehr problematisch. Mit Ausgleich, wie wir ihn berechnet haben, würde diese Schieflage aber sogar geringfügig reduziert.

Wer wird be- und wer entlastet?

Wenn das ganze Aufkommen – unter Berücksichtigung möglicher Preisüberwälzungen der Unternehmen –in Form einer Pro-Kopf-Klimaprämie zurückerstattet wird, kommt es im Durchschnitt zu keinen Mehrbelastungen. Haushalte mit geringen Einkommen, Familien mit Kindern und Haushalte ohne Auto gehören zu den Gewinnern. Ein-Personen-Haushalte mit höherem Einkommen und Haushalte, die viel mit dem Auto fahren, werden tendenziell höher belastet. Für die Landbevölkerung gibt es gegenüber der Stadtbevölkerung keine generelle Mehrbelastung.

Wie wirkt sich eine CO2-Steuer mit Klimaprämie auf Pendler aus?

Für Pendler, die mit der Bahn unterwegs sind, gibt es keine Mehrbelastungen. Bei Autofahrern kommt es auf die Entfernung und die Familienkonstellation an. Pendlerhaushalte mit mehreren Kindern werden im Durchschnitt entlastet. Pendlerhaushalte ohne Kinder zahlen unter dem Strich mehr, weil sie weniger von der Klimaprämie, die pro-Kopf ausgezahlt wird, profitieren. Bei längeren Strecken und hohem Verbrauch kann es zu einer spürbaren Mehrbelastung kommen. Soziale Härten für Pendler mit niedrigem Einkommen könnten aber durch ein Mobilitätsgeld vermieden werden.

Wem muss man noch besonders helfen?

Bei der Einführung einer CO2-Bepreisung kombiniert mit einer Klimaprämie muss man die Interessen der Bezieher von Grundsicherungsleistungen im Blick behalten. Hier sollte bei der Anrechnung der Klimaprämie im Zweifel etwas großzügiger verfahren werden, um Mehrbelastungen bei einer verzögerten Anpassung der Regelsätze zu vermeiden.

Welche Konsequenzen ergeben sich für die Unternehmen?

Die Studie des IMK geht – wie auch die übrigen Studien für das BMU – davon aus, dass die geltenden Ausnahmen für die Industrie vorerst erhalten bleiben. Für die übrigen Unternehmen aus dem Bereich Gewerbe, Handel und Dienstleistungen solle es in dem Konzept ebenfalls eine Kompensation geben. Dies könnte durch gezielte Fördermaßnahmen geschehen. Man sollte aber auch bedenken, dass die Unternehmen ihre Energiekosten als Betriebsausgaben absetzen können und wahrscheinlich auch einen Teil ihrer Belastung in die Preise überwälzen.

Welche Vorteile bietet die CO2-Steuer gegenüber dem Emissionshandel?

Grundsätzlich haben beide Ansätze ihre Vorteile. Aber es gibt einen Zeitfaktor: Einen sektorübergreifenden europäischen Emissionshandel zu implementieren, ist kurzfristig unrealistisch. Eine CO2-Steuer lässt sich hingegen als Aufschlag auf die Energiesteuer kurzfristig und mit geringem Aufwand einführen und der vorhersehbare Preispfad einer bis 2030 schrittweise steigenden Besteuerung gewährleistet Planungssicherheit. Bei absehbar höheren CO2-Preisen werden Investitionsentscheidungen schon heute beeinflusst. Eine sozialverträgliche Ausgestaltung ist in Form der Klimaprämie leicht möglich.

Wirtschaftliche Instrumente für eine klima- und sozialversträgliche CO2-Bepreisung - Gutachten im Auftrag des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit. Reihe: IMK Studies, Nr. 65.

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