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HBS Böckler Impuls

Globalisierung: Wirtschaftskulturen: Stabile Vielfalt

Ausgabe 14/2012

Trotz globalisierter Märkte gibt es nach wie vor unterschiedliche nationale Wirtschaftskulturen. Das hat gute Gründe: Spezifische Institutionen, beispielsweise die Mitbestimmung, können ein wichtiger Wettbewerbsvorteil sein.

Turnschuhe aus China, japanische Autos und Tomaten aus Holland: Verbraucher sind es heutzutage gewöhnt, zwischen Gütern aus der ganzen Welt auszuwählen. Doch warum werden Waren, die sich auch im eigenen Land herstellen ließen, überhaupt zwischen Staaten getauscht? Und was macht die einen zu Exporteuren, die anderen zu Importeuren bestimmter Produkte? Für viele Ökonomen stand lange Zeit fest: Außenhandel beruht im Wesentlichen auf Unterschieden in den Arbeitskosten. Der Wirtschaftshistoriker Werner Abelshauser, Professor an der Universität Bielefeld, hält diese Auffassung für überholt.

Dass Arbeitskosten beim Außenhandel nicht mehr die entscheidende Größe darstellen, erklärt Abelshauser mit den komplexen Produktionsbedingungen des nachindustriellen Zeitalters: Um auf dem Weltmarkt bestehen zu können, sei heute vor allem die Fähigkeit zu Kooperation und organisatorischer Innovation gefragt. Dafür sei soziales Vertrauen unerlässlich. Soziales Vertrauen wiederum setze gemeinsame Wertvorstellungen der wirtschaftlichen Akteure und funktionierende Institutionen voraus. Insofern komme der Wirtschaftskultur eine Schlüsselrolle zu. Die „historisch gewachsene institutionelle Landschaft“ ihres Produktionssystems verhelfe Staaten zu spezifischen Wettbewerbsvorteilen. Abelshauser hat analysiert, in welchen Bereichen des Weltmarktes wichtige Exportnationen erfolgreich sind. Seine Beobachtung: „Es ist sicher kein Zufall, dass die mit Abstand führenden Handelsnationen schwerpunktmäßig auf ganz unterschiedlichen Teilmärkten reüssieren und dazu auf divergente soziale Systeme der Produktion zurückgreifen.“

Deutschland steht Abelshauser zufolge prototypisch für den „Rheinischen Kapitalismus“. Mitbestimmung, regionale Netzwerke von Familienunternehmen, hohe Sparquoten und „geduldiges“ Kapital ermöglichten langfristige unternehmerische Zeithorizonte. Das begünstige insbesondere diversifizierte Qualitätsproduktion, die auf hoch entwickelten, aber etablierten Technologien basiert. Beispiele hierfür sind der Fahrzeugbau, die Chemie oder der Maschinenbau.

Japans Wirtschaftskultur sei maßgeblich geprägt durch „Keiretsu“: ursprünglich familiär organisierte Unternehmensbündnisse, die sich um eine Hausbank gruppieren und miteinander eng verflochten sind. Stabile Geschäftsbeziehungen und die lebenslange Zugehörigkeit von Angestellten zu ihrem Unternehmen seien Teil dieses Modells. Wie in Deutschland verfügten die Unternehmen über eine langfristige Perspektive.

Chinas institutionelle Landschaft ist laut Abelshausers Analyse stark fragmentiert. Weit verbreitet seien neben staatlichen Großbetrieben kleine und familienkontrollierte Unternehmen. Diese hätten vor allem in arbeitsintensiven und raschen Schwankungen unterworfenen Branchen wie der Textilproduktion Wettbewerbsvorteile. Ansonsten dominiere China die Märkte für standardisierte Massenprodukte wie beispielsweise Computerteile.

Die USA schließlich sind dem Autor zufolge traditionell dem „Fordismus“ verpflichtet. Mangel an Breitenqualifikation kompensiere das fordistische Produktionsmodell durch Einsatz von Spitzenqualifikation. Mittlerweile hätten die Amerikaner diesen Ansatz von der Industrie auf den Dienstleistungssektor übertragen und beherrschten die globalen Servicemärkte, etwa durch standardisierte Hotel- und Restaurantketten. Darüber hinaus gehöre die Spitzentechnologie zu ihren Domänen.

Dass die Globalisierung zu einer homogenen Kultur der Weltwirtschaft führen könnte, hält Abelshauser für unwahrscheinlich. Institutionelle Wettbewerbsvorteile seien historisch gewachsen und kurzfristig kaum aufzuholen. Statt Institutionen erfolgreicher Konkurrenten nachzuahmen, empfiehlt der Wirtschaftshistoriker daher, sich auf die eigenen spezifischen Stärken zu besinnen: „Eine Globalisierungsstrategie wird umso erfolgreicher sein, je stärker sie in makroökonomischer Perspektive das eigene soziale System der Produktion als Ressource nutzen kann und auf mikroökonomischer Ebene die eigene Unternehmenskultur.“

  • Ihre historisch gewachsene institutionelle Landschaft verhilft den führenden Handelsnationen zu spezifischen Wettbewerbsvorteilen. Zur Grafik

Werner Abelshauser: Ricardo neu gedacht - Komparative institutionelle Vorteile von Wirtschaftskulturen, in: Kulturen der Weltwirtschaft, Göttingen 2012

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