Ältere Beschäftigte: Im Ruhestand geht’s weiter
Die Politik will es Rentnerinnen und Rentnern leichter machen, noch ein paar Jahre weiterzuarbeiten. In vielen Betrieben geschieht das längst.
Die Erwerbstätigkeit im Alter soll weiter steigen, um Wirtschaft und Sozialstaat zu stabilisieren. Das wollte schon die Ampelkoalition – die geplante Gesetzesänderung hat sie aber nicht mehr umgesetzt. Für Beschäftigte, die das Rentenalter erreicht haben, sollte eine Ausnahme von der Regel gelten, dass auf einen unbefristeten Job kein sachgrundlos befristeter Vertrag für dieselbe Stelle folgen kann. Dies will auch die aktuelle Bundesregierung. Hinzu kommt unter dem Schlagwort „Aktivrente“ das Vorhaben, abhängige Beschäftigung im Rentenalter zu fördern, indem bis zu 2000 Euro des monatlichen Verdienstes steuerfrei gestellt werden. Um zu beurteilen, ob solche Maßnahmen sinnvoll oder notwendig sind, lohnt es sich, einen Blick in die Betriebe zu werfen. Wie viele Menschen jenseits der Regelaltersgrenze arbeiten dort bereits und welche Schwierigkeiten gibt es dabei? Das haben die WSI-Forscher Florian Blank und Wolfram Brehmer auf Basis der WSI-Betriebs- und Personalrätebefragung 2023 analysiert. Sie stellen fest, dass die Beschäftigung Älterer „bereits heute ohne größere Hürden möglich“ ist, auch nach Erreichen der Regelaltersgrenze beziehungsweise bei Bezug einer Altersrente. Die Wissenschaftler warnen: Im ungünstigsten Fall könnten Arbeitgeber die geplante Förderung missbrauchen, um Ältere auszunutzen und Löhne zu drücken.
Die Daten der WSI-Betriebs- und Personalrätebefragung zeigen, dass die Beschäftigung von Menschen, die eine Altersrente oder Pension beziehen, eine „weit verbreitete Praxis“ ist, so Blank und Brehmer. Rund 55 Prozent der mitbestimmten Betriebe tun dies. Dabei unterscheiden sich Privatwirtschaft und öffentlicher Dienst kaum voneinander. In den genannten Betrieben machen Beschäftigte im Rentenalter im Durchschnitt 1,4 Prozent der Belegschaft aus. Überdurchschnittlich häufig arbeiten sie in kleineren Betrieben und in Dienstleistungsbranchen.
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In der Befragung sollten Betriebs- und Personalräte auch angeben, aus welchen Gründen Ältere beschäftigt werden. 89 Prozent gaben an, dass damit den Interessen der Rentnerinnen und Rentner entsprochen werde. 86 Prozent sagten, Wissen und Fähigkeiten der Älteren würden im Betrieb weiter gebraucht. Knapp 57 Prozent gaben zu Protokoll, dass keine anderen Arbeitskräfte verfügbar gewesen seien, und fast ebenso viele, dass sich Rentner und Pensionärinnen flexibel einsetzen ließen. Andere Gründe – Jüngere einarbeiten, Kostenersparnisse – spielten eine geringere Rolle.
Rentnerinnen und Rentner werden am häufigsten in Form von Minijobs beschäftigt. Die gilt vor allem für die private Wirtschaft. In aller Regel sind sie in ihrem alten Arbeitsbereich aktiv – bei einem Großteil der Betriebe waren die älteren Beschäftigten schon vor der Rente dort und setzen ihre bisherige Tätigkeit fort. Dabei genießen sie üblicherweise keine Vergünstigungen in Form von weniger anstrengenden Aufgaben oder weniger Verantwortung. Sie werden „eingesetzt und behandelt wie jüngere Beschäftigte“, so die Forscher. Im Vergleich zu Jüngeren haben sie aber meist eine geringere Wochenarbeitszeit, können ihre Arbeitszeiten häufig selbst bestimmen und müssen keine Nacht- und Schichtarbeit leisten.
„Offensichtlich ist“, was die Weiterbeschäftigung Älterer betrifft, „unter den bestehenden Rahmenbedingungen bereits viel möglich“, schreiben Blank und Brehmer. Es sei schwer zu sagen, „ob die aktuell diskutierten Maßnahmen – Steuererleichterungen und erleichterte sachgrundlose Befristungen – zu mehr Beschäftigung im Rentenalter beitragen können“. Zumal viele Beschäftigte lieber früher als später in den Ruhestand wechseln möchten und auch viele Unternehmen Möglichkeiten für einen früheren Ausstieg aus dem Arbeitsleben anbieten.
Die Wissenschaftler sehen aber eine gewisse Gefahr darin, dass die geplanten Gesetzesänderungen einen neuen „zweitklassigen Arbeitnehmer*innenstatus“ schaffen könnten, mit älteren Beschäftigten, die arbeitsrechtlich weniger geschützt sind als ihre jüngeren Kolleginnen und Kollegen. Im schlimmsten Fall würde die Verbindung aus der Rente beziehungsweise Pension und der Steuererleichterung im Sinne eines Kombilohns wirken. Dann liefe es auf eine Subventionierung von Unternehmen hinaus, die Ältere – die dank Rente weniger auf den Verdienst angewiesen sind – mit geringeren Löhnen abspeisen könnten. Das würde wiederum Druck auf die Einkommen der regulär Beschäftigten ausüben.
„Anstelle der geplanten Änderungen, deren Wirkungen völlig unklar sind und die für den Staatshaushalt eine deutliche Belastung darstellen können, sollte der Fokus auf gute Arbeit und auf die Gesundheit der Beschäftigten gelegt werden“, sagt WSI-Direktorin Bettina Kohlrausch.
Florian Blank, Wolfram Brehmer: Arbeiten im Ruhestand, WSI-Report Nr. 104, Oktober 2025