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Erfahrene Vertretungen Böckler Impuls

Betriebsratswahlen: Erfahrene Vertretungen

Ausgabe 12/2020

Bei den Betriebsratswahlen 2018 haben sich mehrheitlich erfahrene Mitglieder durchgesetzt. Das vereinfachte Wahlverfahren hat sich bewährt, der Frauenanteil ist leicht gestiegen.

Von Anfang März bis Ende Mai 2018 fanden in zahlreichen Firmen Betriebsratswahlen statt. Im Schnitt haben gut drei Viertel der Beschäftigten ihre Stimme abgegeben – fast genauso viele wie 2014. Das geht aus einer Analyse hervor, für die ein Team von der Universität Marburg um die Soziologin Maria Funder die Wahlergebnisse von über 21 700 Betrieben in den Organisationsbereichen von IG Metall, Verdi, NGG, IG BCE, IG BAU und EVG ausgewertet hat. Gefördert wurde ihre Untersuchung von der Hans-Böckler-Stiftung.

Das vereinfachte Wahlverfahren – ein unbürokratischer Modus, der seit 2001 in Betrieben mit 5 bis 50 Beschäftigten vorgeschrieben und in Betrieben mit 51 bis 100 Beschäftigten möglich ist, wenn sich Wahlvorstand und Arbeitgeber darauf einigen – sei 2018 wieder gut angenommen worden, schreiben die Forscher und Forscherinnen. Insgesamt mache gut ein Drittel aller untersuchten Betriebe von diesem Verfahren Gebrauch, bei den Betrieben mit 51 bis 100 Beschäftigten knapp die Hälfte, was für eine große Akzeptanz spreche. 

Der Auswertung zufolge hat sich die Wahlbeteiligung seit 2010 bei den kleineren Betrieben besser entwickelt als bei den größeren, die das normale Wahlverfahren anwenden müssen. Das sei ein Indiz dafür, dass das vereinfachte Wahlverfahren zu einer höheren Wahlbereitschaft in der Belegschaft beiträgt. Insofern sei die gewerkschaftliche Forderung, die verpflichtende Anwendung auf Betriebe bis 100 Beschäftigte auszuweiten, zu unterstützen. 

In Sachen Geschlechterdiversität gab es bei der Wahl 2018 nur verhaltene Fortschritte: Im Schnitt entfallen den Daten zufolge 27,4 Prozent der Mandate auf Frauen, 2010 waren es 26,9 Prozent. Die seit 2001 geltende Quote für die Vertretung beider Geschlechter im Betriebsrat erfüllen 76,7 Prozent der Betriebe und damit etwas mehr als 2014, als der Anteil 73,3 Prozent betrug. Tendenziell steige der Frauenanteil in den Betriebsräten mit dem Frauenanteil in der Belegschaft, erklärt das Forschungsteam. Zudem spiele die Betriebsgröße eine Rolle: Zu wenige Frauen im Betriebsrat gebe es vor allem in Kleinbetrieben.    

Der Betriebsratsvorsitz sei weiterhin „überwiegend eine Männerdomäne“, heißt es in dem Papier. Bei den Betrieben im Organisationsbereich der IG Metall etwa sind 23,4 Prozent der Betriebsratsmitglieder weiblich, aber nur 14,7 Prozent der Vorsitzenden, bei den Verdi-Betrieben beträgt das Verhältnis 45,7 zu 39,4 Prozent. Hier gelte es, Ursachenforschung zu betreiben, um herauszufinden, weshalb Frauen in der betrieblichen Mitbestimmung tendenziell unterrepräsentiert sind. Dazu wurden Interviews durchgeführt, die aktuell ausgewertet werden.

Erfahrung ist bei den Betriebsratswahlen ein wichtiger Faktor: 85,6 Prozent der Mitglieder wurden laut der Auswertung wiedergewählt. Über 60 Prozent der Gewählten sind 45 Jahre oder älter. Besonders lang amtierende Betriebsräte gebe es vor allem in Großbetrieben mit komplexen Entscheidungs- und Machtstrukturen, aber auch in sehr kleinen Betrieben mit wenig Nachwuchs, so die Analyse. Perspektivisch sei der Generationenwechsel unvermeidlich, aber gestaltbar, Nachwuchsförderung sei dringend geboten. Anzustreben sei dabei eine Balance zwischen Professionalität und Erneuerung im Betriebsrat.

Leiharbeiter sind berechtigt, bei Betriebsratswahlen mitzustimmen, wenn sie mindestens drei Monate beim Entleihbetrieb beschäftigt sind. Aus den analysierten Daten geht hervor, dass der Anteil der Betriebe mit wahlberechtigten Leiharbeitern im Einzugsbereich der IG Metall zwischen 2010 und 2018 von 35 auf 52,2 Prozent gestiegen ist, der Anteil an allen Wahlberechtigten von 4,2 auf 5,5 Prozent. Diese Entwicklung fordere die kollektive Interessenvertretungspolitik permanent heraus. Unterschiedliche Interessen von Stammbelegschaft und Leiharbeitnehmerschaft gleichermaßen zu berücksichtigen und Spaltungstendenzen entgegenzuwirken, gleiche einem schwierigen Spagat. Nötig sei eine ausbalancierte Schutzpolitik für beide Gruppen.

Nur Demir, Maria Funder, Ralph Greifenstein, Leo Kißler: Trendreport Betriebsratswahlen 2018 – Ausgewählte Ergebnisse, Mitbestimmungsreport Nr. 60, Juni 2020

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