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Tagungsbericht "Digitalisierung und Künstliche Intelligenz: Eine Agenda für Bremen": Mut zum Experimentieren

Ob die sozial-ökologische Transformation gelingt, entscheidet sich vor Ort. Der „Hub: Transformation gestalten“ der Hans-Böckler-Stiftung sucht deshalb mit regionalen Veranstaltungen den Dialog. Zum Auftakt ging es in Bremen um künstliche Intelligenz.

von Joachim F. Tornau

Der Wikingerkönig hatte es den Diskutierenden angetan. Michal Kucera, Konrektor für Forschung und Transfer der Universität Bremen, hatte die Anekdote in seinem Grußwort erzählt: wie ein Wikingerkönig einst versucht haben soll, die anbrandende Flut mit seinem bloßen Befehl zurückzudrängen. Und was damals keine gute Idee war, meinte Kucera, sei es auch heute nicht, im Angesicht der Welle des technischen Fortschritts, von Digitalisierung und künstlicher Intelligenz (KI). Aber wie macht man es besser als der Wikingerkönig? 

Wie können die Chancen und Risiken von Disruptionen in Ausgleich gebracht werden?

„Wir glauben nicht, dass wir die Welle aufhalten können“, betonte Ernesto Harder, Geschäftsführer der DGB-Region Bremen Elbe Weser. „Aber wir wollen Dämme einziehen.“ Zum Schutz der Beschäftigten. Und um Ängste zu nehmen. Bremens Bürgermeister Andreas Bovenschulte hingegen war das „ein bisschen zu defensiv“. Ihm gefiel das Bild eines Wasserkraftwerks besser: „Wir müssen die Welle so kanalisieren, dass wir maximale Energie daraus ziehen können“, befand der Sozialdemokrat und fing sich prompt den Konter des Gewerkschafters ein: „Ohne Damm gibt es kein Kraftwerk.“ 

So launig der Wortwechsel war, den sich Bovenschulte und Harder bei der ersten Veranstaltung des „Hubs: Transformation gestalten“ der Hans-Böckler-Stiftung lieferten: Er traf die Frage, um die es ging. Wie können die Chancen und Risiken von Disruptionen in Ausgleich gebracht werden? Welche Rolle spielt die Politik dabei? Und welche die Sozialpartner? Unter dem Titel „Digitalisierung und künstliche Intelligenz: Eine Agenda für Bremen“ hatte die Stiftung in Kooperation mit der Universität Bremen in den Digital Hub Industry geladen – ein interdisziplinäres Forschungs- und Innovationszentrum, das insbesondere den Mittelstand bei der Digitalisierung unterstützen soll.

„Hub: Transformation gestalten“ mit dem Ziel Erfahrungen aus der Praxis auf regionaler Ebene herausarbeiten

„Auf der regionalen Ebene entscheidet sich die Transformation in der Praxis“, sagte Christian Hoßbach, der den „Hub: Transformation gestalten“ der Stiftung leitet. Die vor rund einem Jahr geschaffene Plattform vernetze deshalb nicht nur die vielfältige Forschung, die in der Stiftung zu Themen der sozial-ökologischen Transformation geleistet wird. „Wir wollen auch ins Gespräch kommen zu ganz konkreten regionalen und betrieblichen Strukturen und Empfehlungen sammeln für eine gute Gestaltung der Transformation.“ Das Ziel: Erfahrungen aus der Praxis auf regionaler Ebene herausarbeiten, damit Akteur*innen mit ähnlichen Herausforderungen davon profitieren können. Zum Auftakt der Veranstaltungsreihe „Transformation gestalten: konkret“ ging es in Bremen daher um KI. 

In Bremen gibt es schon Unternehmen, die KI etwa für die Robotik nutzbar machen, Das gastgebende Digital Hub Industry tüftelt unter anderem an autonom fahrenden Autos, und der Senat hat die Errichtung eines zentralen Aus- und Weiterbildungscampus für transformationsrelevante Technologien beschlossen. Im Regionalen Zukunftszentrum Nord, getragen von den Sozialpartnern und dem Bremer KI-Transferzentrum, können sich kleine und mittlere Unternehmen beraten lassen, die künstliche Intelligenz nutzen wollen. Beim Transfer aber, also bei der Anwendung von KI jenseits von Unternehmen der Informationstechnologie, steht der Stadtstaat noch ganz am Anfang.

Nicht ohne Weiterbildung der Beschäftigten

Worauf es ankommt, wenn der Quantensprung in den Betrieben gelingen soll, darüber herrschte auf der Veranstaltung sehr viel Einigkeit. Weiterbildung, und das möglichst früh, sei elementar. „Ohne die Beschäftigten wird es nicht funktionieren“, sagte Jens Tanneberg, Koordinator des Regionalen Zukunftszentrums Nord. Und neben DGB-Geschäftsführer Harder hob auch Marcel Christmann, Geschäftsführer der Unternehmensverbände im Lande Bremen, die Bedeutung der Mitbestimmung hervor. Um herauszufinden, was in einem Betrieb sinnvollerweise eingeführt werden sollte, sagte der Wirtschaftsvertreter, brauche er keine KI. „Dafür brauche ich den Betriebsrat und die Betriebsleitung.“  

Wie das gelingen kann, zeigte Verena Bader. Die Wissenschaftlerin vom interdisziplinären Institut für verhaltenswissenschaftlich orientiertes Management der Wirtschaftsuniversität Wien hat in einem von der Hans-Böckler-Stiftung geförderten Projekt untersucht, wie Betriebsräte mit den Herausforderungen der Digitalisierung umgehen. Dabei ist sie auf verschiedene Strategien gestoßen, die unterschiedlich geeignet sind, Transformationsprozesse zu begleiten.

Die einen Betriebsräte reagieren, indem sie neue Technik aus Sorge vor einer Kontrolle der Beschäftigten verhinderten – oder im Gegenzug für ihre Zustimmung anderweitige Zugeständnisse des Managements verlangten. Besser sei ein Vorgehen, bei dem neue Technik in einem partnerschaftlichen Einführungsprozess gemeinsam ausprobiert werde, unter Beteiligung der Beschäftigten. „Experimentieren statt nur Verhandeln – das ist das, was Mitbestimmung im digitalen Zeitalter leisten sollte“, sagte die Wissenschaftlerin. 

Dass es auch dafür verbriefte Rechte braucht, versteht sich von selbst. Was dabei wichtig ist, etwa mit Blick auf die Verwendung von KI im Personalwesen, hat eine neue Studie der Hans-Böckler-Stiftung untersucht. Interessant für Bremen. Und für den Rest der Republik.

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