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HBS Böckler Impuls

Steuern: Multinationale Unternehmen schätzen den Sozialstaat

Ausgabe 11/2008

Niedrigere Unternehmensteuern machen ein Land nicht notwendigerweise attraktiver für ausländische Investoren, zeigt eine Studie. Auch staatliche Sozialausgaben sind internationalen Konzernen wichtig. Denn sie sorgen für ein gutes soziales Klima.

In der öffentlichen Diskussion entsteht häufig der Eindruck: Wer multinationale Unternehmen anlocken will, der muss nur kräftig die Steuern senken. Dieser Sichtweise widersprechen Holger Görg vom Kieler Institut für Weltwirtschaft sowie Hassan Molana und Catia Montagna von der Universität Dundee in Schottland. Die drei Ökonomen haben die  ausländischen Direktinvestitionen in 18 hoch entwickelten Industrienationen in den Jahren 1984 bis 1998 empirisch untersucht. Ihr Ergebnis: Multis sind nicht eindimensional auf die Steuerlast fixiert. Sie schauen auf das "Preis-Leistungs-Verhältnis" eines Investitionsstandortes.

Die Forscher entwickelten ein Schätzmodell, um zu bestimmen, wovon internationale Direktinvestitionsströme abhängen. Sie untersuchten den Einfluss der Faktoren Marktgröße, Arbeits- und Kapitalkosten, Handelshemmnisse, Veränderungen der realen Wechselkurse, den Umfang der Staatstätigkeit, die Infrastrukturausstattung und Geldentwertung. So konnten sie zeigen, dass multinationale Unternehmen nicht zwingend dort investieren, wo die Unternehmensteuern besonders niedrig sind.

Vielmehr gilt: Internationale Konzerne sehen in der Besteuerung von Unternehmensgewinnen immer dann keinen Hinderungsgrund für Investitionen, wenn sie im Gegenzug staatliche Leistungen erwarten, die ihr wirtschaftliches Umfeld verbessern. Und damit ist nicht nur die Qualität der öffentlichen Infrastruktur gemeint, also ein funktionierendes Verkehrsnetz und eine stabile Energieversorgung. Wichtig sind ihnen auch staatliche Ausgaben für soziale Zwecke. Denn diese fördern politische Stabilität und sozialen Frieden. Ebenso erhöhen sie die Leistungsmotivation der Beschäftigten sowie deren Bildung und Gesundheit, schreiben die Wissenschaftler.

Bezogen auf die einzelnen untersuchten Länder sehen die Forscher allerdings einige Unterschiede in den Wirkungen von Unternehmensteuern und Sozialausgaben auf Auslandsinvestitionen:

In Portugal, den USA, Kanada, Australien oder Japan wäre ein Ausbau des Sozialsystems sogar dann attraktiv für ausländische Investoren, wenn dieser mit höheren Steuern einherginge.

In Deutschland, Frankreich, Finnland, Italien, Spanien, Griechenland und Neuseeland kann aus der Sicht ausländischer Investoren eine Steuersatzerhöhung nicht durch eine Ausweitung der ­sozialen Leistungen aufgefangen werden.
In Belgien, den Niederlanden, Großbritannien und der Schweiz haben Görg und seine Kollegen keinen Einfluss von Unternehmensteuern oder Sozialausgaben auf die Investitionsentscheidungen feststellen können.

Nicht eindeutig zuordnen lassen sich die Untersuchungsergebnisse für Irland und Schweden. Beide seien jedoch Ausnahmen unter den betrachteten Ländern - das eine ein kleines Land mit sehr hohen Auslandsinvestitionen, das andere mit sehr hohen sozialen Standards, so die Autoren.

Insgesamt urteilen die Ökonomen: Internationale Konzerne schätzen die sozialen Leistungen eines Wohlfahrtsstaates.  Politiker müssten sich also weniger Sorgen machen, dass sie im Wettbewerb um mobiles Kapital dessen Besteuerung immer weiter senken müssen - und so dem Sozialstaat seine finanzielle Basis entziehen.

  • Multinationale Unternehmen sind nicht eindimensional auf die Steuerlast fixiert. Bei einer Entscheidung über Auslandsinvestitionen sind ihnen auch staatliche Sozialausgaben wichtig. Denn sie sorgen für ein gutes soziales Klima. Zur Grafik

Holger Görg, Hassan Molana, Catia Montagna: Foreign Direct Investment, Tax Competition and Social Expenditure, Institut für Weltwirtschaft, Mai 2008

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