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HBS Böckler Impuls

Beruf und Familie: Leiharbeit belastet Partnerschaft

Ausgabe 11/2015

Atypische Beschäftigung ist heute weit verbreitet. Die Risiken tragen vor allem Frauen.

Wer atypisch beschäftigt ist, muss mit zahlreichen Nachteilen leben. Menschen in Leiharbeit, Teilzeitarbeit, befristeten oder Minijobs verdienen meist nicht nur weniger als die sogenannten Normalarbeitnehmer. Das Arbeiten jenseits der „Norm“ wirkt sich auch auf das Privatleben aus, wie Irene Gerlach, Regina Ahrens, Inga Laß und Henning Heddendorp vom Forschungszentrum Familienbewusste Personalpolitik (FFP) in Münster herausgefunden haben.

Im Kern der von der Hans-Böckler-Stiftung geförderten Studie geht es darum, welchen Einfluss atypische Beschäftigungsverhältnisse auf Partnerschaft und Familie, soziale Netzwerke oder die gesellschaftliche Teilhabe haben. Die Datenbasis für die Analyse bildet das Sozio-oekonomische Panel (SOEP).

In den vergangenen Jahrzehnten ist die Zahl der atypisch Beschäftigten deutlich gestiegen. Ein großer Teil des Jobwachstums seit den 1990er-Jahren ging auf die zunehmende Verbreitung solcher Beschäftigungsverhältnisse zurück. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes waren 2012 knapp acht Millionen Menschen atypisch beschäftigt, die WSI-Datenbank „Atypische Beschäftigung“ geht – aufgrund einer engeren Definition des Normalarbeitsverhältnisses – sogar von mehr als 13 Millionen aus.

Die Wissenschaftler sehen atypische Beschäftigung nicht pauschal als negativ an, betonen aber den zwiespältigen Charakter: Während Arbeitnehmer befristete Stellen und Leiharbeit ganz überwiegend unfreiwillig und mangels alternativer Angebote übernähmen, sehe das bei Teilzeit- oder Minijobs anders aus. Insbesondere Frauen entschieden sich häufig bewusst für einen solchen Job, um mehr Zeit für die Familie zu haben. Doch selbst wenn es sich „oberflächlich betrachtet“ um eine freiwillige Wahl handele, steckten dahinter oftmals „strukturelle Zwänge“, wie etwa fehlende Möglichkeiten der Kinderbetreuung oder ein mangelndes Familienbewusstsein in den Betrieben.

Ein Vergleich der verschiedenen Beschäftigungsformen zeigt: Beschäftigte in Teilzeit oder Minijobs investieren am meisten Zeit in die Betreuung von Kindern – im Schnitt zwischen 7,6 und 11,2 Stunden pro Werktag, wenn das jüngste Kind unter drei Jahre alt ist. Diese Arbeit leisten der Studie zufolge vor allem Frauen. Zwar wenden auch Väter, die in Teilzeit arbeiten, mehr Zeit für Kinder auf als regulär Beschäftigte, aber bei den Müttern stellten die Forscher „weitaus deutlichere Effekte“ fest. Am wenigsten Zeit für die Kinderbetreuung – 2,7 Stunden pro Werktag – bringen Beschäftigte in Normalarbeitsverhältnissen auf, eine Gruppe mit besonders hohem Männeranteil.

In Partnerschaften ist eine traditionelle Rollenverteilung nach wie vor weit verbreitet: „Während normalbeschäftigte Männer zumeist eine Partnerin im Hintergrund haben, die ihnen den Rücken für das berufliche Engagement freihält“, sind Frauen mit regulärem Job mehrheitlich ledig, schreiben Gerlach, Ahrens, Laß und Heddendorp. Nur 38 Prozent von ihnen seien verheiratet, unter den normalbeschäftigten Männern seien es 59 Prozent.

Frauen, die ihre Arbeitszeit zugunsten der Familie reduzieren, seien abhängiger vom Partner und damit im Falle einer Trennung schlechter abgesichert. Außerdem zeigten die Untersuchungen, dass atypisch beschäftigte Frauen in erhöhtem Maße finanzielle Unterstützung von Familienmitgliedern außerhalb des Haushalts erhalten. Auf lange Sicht sei das Risiko von Altersarmut aufgrund der geringeren Erwerbsbeteiligung, unterbrochener Erwerbsbiographien sowie des tendenziell niedrigeren Einkommens erhöht.
Zudem scheint atypische Beschäftigung die Partnerschaft zu belasten: Nicht verheiratete Paare trennen sich deutlich häufiger, wenn ein Partner Leiharbeiter ist oder wenn beide Partner atypische Jobs haben. Bei Verheirateten ist dieser Effekt nicht zu beobachten.

Große Unterschiede stellten die Forscher fest, wenn es um die Mitsprache im Betrieb geht: Je größer die Abweichung vom Normalarbeitsverhältnis ist, desto seltener gehören Beschäftigte einer Gewerkschaft oder einem Betriebsrat an. Geringfügig Beschäftigte sind am seltensten organisiert, befristet Vollzeitbeschäftigte dagegen relativ häufig. Gewerkschaften müssten sich – zumindest in einigen Branchen – noch stärker als bisher auf unterschiedliche Formen der atypischen Beschäftigung einstellen, schreiben die Wissenschaftler. Keine leichte Aufgabe: Die Bedürfnisse von befristet beschäftigten Männern in einer bestimmten Branche seien oft andere als beispielsweise diejenigen von Frauen in Teilzeit in einer anderen Branche.

  • Beschäftigte in Teilzeit oder Minijobs investieren am meisten Zeit in die Betreuung von Kindern – im Schnitt zwischen 7,6 und 11,2 Stunden pro Werktag. Diese Arbeit leisten vor allem Frauen. Zur Grafik

Irene Gerlach, Regina Ahrens, Inga Laß, Henning Heddendorp: Die Bedeutung atypischer Beschäftigung für zentrale Lebensbereiche (pdf), FFP Policy Brief, Juni 2015

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