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Gemeinsam durch die Krise Böckler Impuls

Mitbestimmung: Gemeinsam durch die Krise

Ausgabe 03/2021

Mitbestimmte Unternehmen bewältigen Wirtschaftskrisen besser als Unternehmen ohne Arbeitnehmer im Aufsichtsrat.

In der Coronakrise lohnt ein Blick zurück: Wie haben Unternehmen vor einem Jahrzehnt die große Finanz- und Wirtschaftskrise gemeistert? Eine Studie zeigt: Unternehmen mit Arbeitnehmervertretern im Aufsichtsrat haben sich nach dem Einbruch der Weltwirtschaft besser entwickelt als Firmen ohne Mitbestimmung. Das gilt für die operative Rendite, die Bewertung am Kapitalmarkt, die Beschäftigungsentwicklung sowie für die Investitionen. So lag zum Beispiel die kumulierte Aktienrendite mitbestimmter Unternehmen zwischen 2006 und 2011 um 28 Prozentpunkte höher als bei vergleichbaren Firmen ohne Arbeitnehmerbeteiligung. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie von Ökonomen um Marc Steffen Rapp von der Universität Marburg und Michael Wolff von der Universität Göttingen.

Die Mitbestimmung habe in der Krise kurzsichtiges Verhalten von Unternehmen verhindert und danach ein „schnelleres Umschalten in den Wachstumsmodus ermöglicht“, schreiben die beiden BWL-Professoren in einer von der Hans-Böckler-Stiftung geförderten Untersuchung. Um die Wirkung der Arbeitnehmerbeteiligung im Aufsichtsrat zu überprüfen, haben die Wirtschaftswissenschaftler insgesamt 560 börsennotierte europäische Unternehmen untersucht, darunter die in Dax, MDax, TecDax und SDax notierten Firmen. Dabei haben sie Unternehmen aus Deutschland, von denen die meisten mitbestimmt sind, mit passenden Firmen aus anderen europäischen Ländern verglichen, die eine sehr ähnliche Größe haben, in derselben Branche aktiv und ähnlich stark diversifiziert sind – aber keine Mitbestimmung haben. 

Es wird deutlich, dass die Rentabilität während der großen Wirtschaftskrise ab 2008 und unmittelbar danach in den meisten Unternehmen gelitten hat. Diese Entwicklung werde aber „mittels der Mitbestimmung reduziert und teils auch komplett kompensiert“, schreiben die Wissenschaftler, sodass Unternehmen mit Arbeitnehmerbeteiligung im Aufsichtsrat signifikant besser abschnitten. Besonders deutlich ist dies bei der Umsatzrentabilität: Bei Unternehmen ohne Mitbestimmung sank sie auf dem Höhepunkt der Krise um 3,1 Prozent, während sie in paritätisch mitbestimmten Firmen um 2,7 Prozent stieg. 

Auch in Sachen Aktienkurs und Dividende erkennen die Forscher einen signifikant positiven Einfluss: „Bei der Kapitalmarktperformance verzeichnen mitbestimmte Unternehmen über den betrachteten Zeitraum höhere Renditen, weisen geringere Schwankungen auf und ihre Unternehmensbewertungen unterliegen einem weniger drastischen Verfall“ während der akuten Krise. 

Auffällig ist zudem, dass mitbestimmte Firmen meist auf größere Entlassungen verzichtet haben und ihre Beschäftigung nahezu stabil hielten, während Unternehmen ohne Arbeitnehmerbeteiligung viele Stellen strichen. Dabei dürfte eine große Rolle gespielt haben, dass große deutsche Firmen in der Krise die Arbeitszeit oft rasch und deutlich reduziert haben – mithilfe von Kontenmodellen, die Management und Arbeitnehmervertreter ausgehandelt hatten. So konnten sie nach dem Abklingen der Krise schnell wieder ihre Produktion ausweiten. 

Weiterhin zeigt die Untersuchung, dass mitbestimmte Unternehmen weniger bei den Investitionen kürzten und die Ausgaben für Anlagen und Forschung nach der Krise stärker wieder ausweiteten als andere Unternehmen. 

Angesichts dieser Ergebnisse raten die Forscher zu einem positiven Blick auf die Mitbestimmung: Die Partizipation von Mitarbeitern im Aufsichtsrat sollte im Rahmen von zukünftigen Transformationsprozessen „als Chance verstanden werden“.

Marc Steffen Rapp, Michael Wolff, Iuliia Udoieva, Jan C. Hennig: Wirkung der Mitbestimmung im Aufsichtsrat auf die Unternehmensführung. Eine empirische Analyse vor dem Hintergrund der Finanz- und Wirtschaftskrise (pdf), Study der Hans-Böckler-Stiftung Nr. 424 , Juni 2019

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