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HBS Böckler Impuls

Außenwirtschaft: Das Problem chronischer Überschüsse

Ausgabe 13/2010

Die deutsche Wirtschaft scheint die Finanz- und Wirtschaftskrise gut überstanden zu haben. Doch mit der erneuten Konzentration auf den Export schadet Deutschland ganz Europa - und sich selbst.

Deutschlands Ausfuhren ziehen wieder an - zuletzt um fast 30 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Dank der Exporte wuchs die Wirtschaft insgesamt in den Monaten April bis Juni gemessen am Vorquartal um 2,2 Prozent. Sollte Deutschland sich jedoch auch nach der Krise erneut fast ausschließlich auf den Export als Wachstumstreiber stützen, hätte das verheerende Folgen. Denn dann würden die großen Ungleichgewichte zwischen den Staaten der Europäischen Währungsunion weiter bestehen - eine wesentliche Ursache der Finanzkrise. Darauf weist eine aktuelle Studie des IMK hin.   Ausgeprägte Ungleichgewichte in den Leistungsbilanzen sind auf Dauer gefährlich, weil sie nur durch eine hohe Verschuldung möglich sind. Die Leistungsbilanz besteht vor allem aus der Handelsbilanz, also der Gegenüberstellung von Exporten und Importen. Importiert eine Volkswirtschaft mehr als sie exportiert, muss sie Schulden machen. Leistungsbilanzdefizite bedeuten also Schulden des Staates oder des Privatsektors im Ausland.   Vor der Wirtschaftskrise hatte der spanische Staat seine Schulden abgebaut, die Schulden des spanischen Privatsektors stiegen aber stark. Denn die spanische Privatwirtschaft hatte mehr importiert als exportiert, das Defizit des Privatsektors lag im Jahr 2007 bei zwölf Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Umgekehrt gab ein Land mit einem Leistungsbilanzüberschuss - beispielsweise Deutschland mit acht Prozent - in diesem Ausmaß Kredite ans Ausland.

Die Schuldenkrise als Folge der Ungleichgewichte. Alle Überschüsse und -defizite zwischen den Ländern der Welt ergeben in der Summe den Wert Null. Das bedeutet: Deutschlands Exporterfolgen - den Überschüssen in der Leistungsbilanz - stehen ebenso große Defizite anderer Länder gegenüber. Haben Staaten ein Leistungsbilanzdefizit, haben andere ihnen dieses über Kredite ermöglicht. Die Schulden der Defizitländer sind damit das Vermögen der Überschussländer.   Eine stetig steigende Verschuldung im Ausland führt  dazu, dass die Zahlungsfähigkeit eines Landes fragwürdig wird - wie jüngst das Beispiel Griechenlands eindrücklich zeigte. Mit den Leistungsbilanzdefiziten und -überschüssen steigt die Gefahr einer Schuldenkrise. Können die Kredite nicht zurückgezahlt werden, trifft das auch die Gläubigerländer wie etwa Deutschland.

Deutschland in der Verantwortung. Das IMK sieht vor allem Deutschland angesichts seiner Größe und der Höhe der Leistungsbilanzüberschüsse in dreistelliger Milliardenhöhe in der Pflicht, seine Überschüsse abzubauen - und zwar, indem die Binnenwirtschaft und damit die Importe gekräftigt werden. "Daher wären Lohnsteigerungen wünschenswert, die den Verteilungsspielraum ausschöpfen und so den privaten Konsum stärken", erklären die Ökonomen. Damit das tatsächlich geschieht, sollte laut IMK der Staat die nötigen Rahmenbedingungen schaffen: Die Einführung eines gesetzlichen, branchenübergreifenden Mindestlohnes würde das Ausfransen der Löhne nach unten begrenzen. Das würde zu höheren Einkommen von Haushalten mit hoher Konsumneigung und damit zu einer Stärkung der Binnennachfrage führen.   Europäische Länder mit in der Vergangenheit großen Leistungsbilanzdefiziten hingegen - also Spanien, Griechenland oder Portugal - sollten jetzt Schulden abbauen und ihre Wettbewerbsfähigkeit verbessern, so das IMK. In diesen Ländern ist nicht nur der Staat hoch verschuldet. Auch private Haushalte und Unternehmen haben viel Geld im Ausland geliehen. "Daraus folgt, dass außer dem Staat auch der Privatsektor in den kommenden Jahren mehr sparen muss", schreiben die Forscher. Investitionen dürften unterbleiben und Lohnzuwächse gering ausfallen. All dies belaste die Nachfrage - auch nach deutschen Produkten. Ein weiterer Grund für Deutschland, die Binnennachfrage zu fördern.

  • Gegensätze in der EU: Alle Überschüsse und -defizite zwischen den Ländern der Welt müssen in der Summe den Wert Null ergeben. Haben Staaten ein Leistungsbilanzdefizit, haben andere ihnen dieses über Kredite ermöglicht. Die Schulden der Defizitländer sind damit das Vermögen der Überschussländer. Zur Grafik
  • Verschobene Bilanzpositionen: Die Finanzierungssalden der drei großen volkswirtschaftlichen Sektoren – Staat, Privatsektor und Ausland – müssen sich zu Null addieren. Wenn also ein Land ein Leistungsbilanzdefizit aufweist, bedeutet dies Schulden des Staates oder des Privatsektors im Ausland. Zur Grafik

Heike Joebges, Fabian Lindner, Torsten Niechoj: Mit dem Export aus der Krise? Deutschland im Euroraumvergleich (pdf), IMK Report Nr. 53 August 2010

Michael Brecht, Silke Tober, Till van Treeck, Achim Truger: Squaring the circle in Euroland? (pdf), IMK Working Paper 3/2010

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