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HBS Böckler Impuls

Mitbestimmung: Betriebsräte in mittelständischen Unternehmen weithin akzeptiert

Ausgabe 16/2007

Der deutsche Mittelstand ist keine mitbestimmungsfreie Zone. Relativ große, vom Management geführte Unternehmen haben in der Regel einen Betriebsrat, zeigt eine Studie.

In Mittelstandsunternehmen ab 200 Beschäftigten bilden Betriebsräte den Normalfall. Hier findet sich in 81 Prozent der Fälle eine gesetzliche Arbeitnehmervertretung. Zwar existiert im Durchschnitt nur in 29 Prozent der Unternehmen mit mindestens 20 und weniger als 500 Beschäftigten eine gewählte Arbeitnehmervertretung. In kleinen Unternehmen unterhalb einer Belegschaftszahl von 50 verfügen nur 17 Prozent über Betriebsräte. Der Verbreitungsgrad steigt dann jedoch parallel zur Betriebsgröße kontinuierlich an. So das Ergebnis einer Befragung des Bonner Instituts für Mittelstandsforschung (IfM) unter rund 800 Mittelstandsunternehmen.

Die Bonner Wissenschaftlerinnen untersuchten, gefördert von der Hans-Böckler-Stiftung, den so genannten marktrelevanten Teil des Mittelstands. Das sind mittelständische Betriebe mit 20 bis 500 Beschäftigten. In Ergänzung zu der schriftlichen Befragung führte das Kasseler Büro für Sozialforschung in 50 weiteren Unternehmen ausführliche Interviews mit Inhabern, Geschäftsführern oder Personalleitern über die Führungspraxis und ihr Verhältnis zur betrieblichen Mitbestimmung. In 33 Betrieben mit Betriebsrat sprachen sie auch mit dem jeweiligen Vorsitzenden.

Nicht nur die Größe einer Firma beeinflusst den Grad der Mitbestimmung, fanden die Forscher heraus. Eine wichtige Rolle spielt auch der Typus der Unternehmensführung. Wo die "Alleinverantwortung" des Inhabers durch eine arbeitsteilige Führung mehrerer Personen abgelöst werde, werden einem Betriebsrat weniger Widerstände entgegengesetzt, fasst Wolfram Wassermann vom Büro für Sozialforschung die Ergebnisse zusammen. Das bestätigen auch die vom IfM Bonn erhobenen Daten: Bei großen Mittelstandsunternehmen ist ein Betriebsrat zwar der Normalfall. Jedoch weist nur etwa die Hälfte der inhabergeführten Unternehmen dieser Größenordnung eine solche Belegschaftsvertretung auf.

Die Untersuchung der Bonner Forscherinnen zeigt auch einen deutlichen Zusammenhang zwischen der grundsätzlichen Einstellung des Arbeitgebers zur betrieblichen Mitbestimmung und der Wahrscheinlichkeit einer Betriebsratswahl. Unternehmen, deren Geschäftsführer beziehungsweise Inhaber Mitbestimmung positiv sehen, haben unter sonst gleichen Bedingungen häufiger einen Betriebsrat. Insgesamt ist die Einstellung der Mittelständler zur Mitbestimmung neutral bis positiv: Immerhin 10 Prozent der Arbeitgeber gaben bei der IfM-Befragung eine positive, 56 Prozent eine neutrale Einstellung zu Protokoll. Damit besteht also ein großes Potenzial für weitere Betriebsratsgründungen in mittelständischen Unternehmen. Die eigene Erfahrung mit Betriebsräten scheint manchem Arbeitgeber die Ängste gegenüber der Mitbestimmung zu nehmen: "Mancher, der seinen Betriebsrat anfangs regelrecht bekämpft hat, spricht heute, ein paar Jahre später, von einem ‚soliden Gespann' zwischen ihm und dem Betriebsratsvorsitzenden", so Wassermann.

Beide Betriebsparteien bewerten ihre Zusammenarbeit bemerkenswert übereinstimmend als eher positiv, ergaben die ausführlichen Interviews der Kasseler Forscher. Dabei fallen jedoch die Antworten der Betriebsräte jeweils um einige Grade kritischer aus als die der Geschäftsleitungen: Nach ihrem Verständnis sorgen die Arbeitnehmervertreter für klare Regeln bei Eingruppierungen, Arbeitszeiten und für einen mehr oder weniger zivilen Umgang im Verhältnis zwischen Vorgesetzten und Beschäftigten.

Wird ein Betriebsrat gegründet, so geht die Initiative dazu zu zwei Dritteln von den Beschäftigten aus. In jedem fünften Fall entsteht das Gremium jedoch auf Vorschlag der Arbeitgeberseite.

Häufigste Gründe für das Entstehen der gesetzlichen Arbeitnehmervertretung sind:

  • Die Arbeitnehmer wollten stärker an Entscheidungen beteiligt werden.
  • Die Geschäftsführung wollte einen festen Ansprechpartner unter den Mitarbeitern haben.
  • Es stand ein Eigentümerwechsel an.
  • Es gab Konflikte zwischen den Betriebsparteien.

"Betriebsräte können als institutioneller Regelungsmechanismus zur Konfliktlösung und zur kooperativen Begleitung betrieblicher Veränderungsprozesse dienen", so Wassermann. Viele Mittelständler - gerade der jüngeren Generation - seien auf der Suche nach einem Dialog mit ihren Beschäftigen. Manche betonen sogar, dass sie bestimmte schwierige Veränderungen gerade in Krisenzeiten ohne Zusammenarbeit mit den Betriebsräten wohl nicht geschafft hätten. 

  • Arbeitnehmervertrtungen in mittelständischen Unternehmen sind in aller Regel Betriebsräte. Zur Grafik
  • Bei Geschäftsführern, die einen Betriebsrat im Haus haben, sind negative Urteile über die betriebliche Mitbestimmung seltener. Zur Grafik
  • In inhabergeführten Unternehmen sind Betriebsräte seltener. Zur Grafik

Nadine Schlömer, Rosemarie Kay, Uschi Backes-Gellner, Wolfgang Rudolph, Wolfram Wassermann: Mittelstand und Mitbestimmung - Unternehmensführung, Mitbestimmung und Beteiligung in mittelständischen Unternehmen, Verlag Westfälisches Dampfboot, Münster 2007. mehr Infos zum Buch

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