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HBS Böckler Impuls

Arbeitswelt: Ständiger Wandel schlaucht

Ausgabe 01/2015

Permanente Reorganisation ist in vielen Unternehmen Alltag. Darunter leidet die Gesundheit – besonders bei denjenigen, die nicht selbst entscheiden können, sondern umsetzen müssen, was andere beschlossen haben.

„Change!“ ist das Schlagwort, mit dem zahlreiche Firmen ihre „fieberhafte Suche“ nach der schlanksten und effizientesten Organisationsform überschreiben, so Bernd Kriegesmann und Thomas Kley vom Institut für angewandte Innovationsforschung der Universität Bochum. Die Wissenschaftler haben untersucht, wie sich dieses „Management-Mantra“ auf die Gesundheit der Angestellten auswirkt. Im Mittelpunkt ihrer Untersuchung stehen Interviews mit 133 betroffenen Führungskräften verschiedener Hierarchieebenen aus unterschiedlichen Unternehmen.

Zum einen seien Führungskräfte besonders belastet, schreiben Kriegesmann und Kley, weil sie Umstrukturierungsaufgaben oft zusätzlich zum normalen Tagesgeschäft erledigen müssten. Dazu kommt die Anforderung, ihren Mitarbeitern den Wandel zu „verkaufen“. Zum anderen prägen sie die Arbeitsbedingungen der übrigen Beschäftigten: Wer sich ständig selbst überfordert, übersieht leicht die Überlastung seiner Untergebenen. Daher komme den Vorgesetzten „im Hinblick auf betriebliche Präventionspolitik entscheidende Bedeutung“ zu.

Im „grünen Bereich“ bewegt sich der Untersuchung zufolge nur ein Viertel der Befragten. Gut die Hälfte zeigt Anzeichen von „moderater Erschöpfung“. 23 Prozent sind stark erschöpft. Bei ihnen sind die Symptome – Müdigkeit, Energiemangel, Reizbarkeit, Ohnmachtsgefühle und Hoffnungslosigkeit – so deutlich ausgeprägt, dass damit beispielsweise ein deutlich erhöhtes Herzinfarkt- oder Schlaganfallrisiko einhergeht.

Grundsätzlich zeigt die Studie zwar, dass Führungskräfte ohnehin dafür prädestiniert sind, sich zu überarbeiten. Einige Belastungsfaktoren stehen jedoch in erkennbarem Zusammenhang zu Change-Management-Prozessen. Vor allem die eigenen Einflussmöglichkeiten spielen eine wichtige Rolle: Führungskräfte, die sich selbst als Initiator der Umgestaltung sehen („Impulsgeber“), sind seltener erschöpft als solche, die angeben, nur die Vorgaben anderer umzusetzen. Am meisten gestresst sind „passiv Betroffene“, die gar keine Möglichkeit zur Mitgestaltung haben. Sie sind oft frustriert, weil sie sich vor vollendete Tatsachen gestellt sehen oder ihnen die Projektziele unklar sind.
 
Stark erschöpft sind außerdem Führungskräfte, die sehr viel Zeit mit – nach eigener Einschätzung – nicht-wertschöpfender Arbeit verbringen: Dokumentationen erstellen und endlosen Meetings beiwohnen.

Nur mit den üblichen Programmen zur betrieblichen Gesundheitsförderung lasse sich die Situation kaum verbessern, schreiben Kriegesmann und Kley. Aus ihrer Untersuchung gehe hervor, dass Führungspersonal ohnehin eher selten an den Angeboten teilnimmt. Prävention müsse eher auf der Arbeitsebene ansetzen. Denn nicht der Wandel an sich löse Stress aus, sondern die Art und Weise, wie er – parallel zum Tagesgeschäft – organisiert sei.

Profitieren würde von entlasteten Chefs nicht nur die Belegschaft. Auch die Marktposition von Unternehmen dürfte sich nach Einschätzung der Forscher durch eine enge Verzahnung von Change-Management und Gesundheitsprävention verbessern. Jedenfalls gelte: „Mit erschöpften Akteuren ist der Wettbewerb um die effizienteste und schlankste Organisation nicht zu gewinnen.“  

  • Restrukturierungen setzten die Beschäftigten unter Stress. Zur Grafik
  • Change-Management-Prozesse sind besonders für diejenigen eine Belastung, die Veränderungsprozesse selbst kaum beeinflussen können. Zur Grafik

Bernd Kriegesmann, Thomas Kley: „Gesund durch Veränderungsprozesse?!“ Belastung und Erschöpfung von Führungskräften in Change-Management-Prozessen, in: Arbeit 2/2014

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