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Magazin Mitbestimmung

Arbeitgeber: Ätzende Methoden

Ausgabe 03/2014

Ruppig und häufig illegal sind die Interventionen, mit denen die Arbeitgeberseite Betriebsratsgründungen zu torpedieren versucht – mithilfe professioneller Berater. Von Elmar Wigand

Die Gründung eines Betriebsrats kommt heutzutage in vielen Fällen einem Arbeitskampf gleich – und der Konflikt wird von Arbeitgeberseite auch genauso geführt“, bemerkte kürzlich ein IG-Metaller bei einem Workshop. In der Tat gelten Betriebsratsgründungen bei bestimmten Konstellationen als riskant: Dazu gehört eine patriarchalische Unternehmensführung genauso wie fehlende Tarifbindung oder die Beteiligung von „gelben“ Gewerkschaften. Auch wenn ein Verkauf oder Massenentlassungen anstehen, wird bisweilen massiv gegen eine sich anbahnende Betriebsratsgründung interveniert.

Wer einen Betriebsrat verhindern will, kann im Internetzeitalter in Deutschland auf ein breit gefächertes Informationsangebot zurückgreifen. Explizite Angebote in der Richtung machen die Kanzleien Helmut Naujoks, Hamburg, und Dirk Schreiner + Partner aus Attendorn. Letztere sind mit einem Team aus 15 Juristen und Regio­nalbüros in Köln, München, Hamburg und Dresden bundesweit aktiv – sowohl als Anwälte, aber auch als Referenten, Inhouse-Coaches und Anti-Organizing-Berater hinter den Kulissen. Selbstbewusst geben sie auf ihrer Webseite an, dass sie inzwischen rund 350 Veranstaltungen im Jahr bestreiten und seit 2001 mehrere Tausend Führungskräfte der deutschen Wirtschaft geschult hätten. Wer sich nicht mit bundesweit verrufenen „Union Bustern“ gemeinmachen möchte, dem können bei Bedarf auch Anwälte seriös auftretender Kanzleien bis hin zu den Arbeitsrechtsabteilungen marktführender Großkanzleien aushelfen.

Man könnte auch Professor Burkhard Boemke fragen, der einen Lehrstuhl für bürgerliches Recht, Arbeits- und Sozialrecht an der Universität Leipzig hat und Mitinhaber der Kanzlei Boemke und Partner ist. Boemke ist häufiger Referent der in Bonn beheimateten BWRmed!a Akademie der Verlagsgruppe Norman Rentrop. Bei deren „Arbeitgebertagen zum Brennpunkt Betriebsrat“ (so am 10./11. September 2013 in Hamburg) wurden laut Ankündigungstext Arbeitgebervertreter wie etwa Personalleiter auf die bevorstehenden Betriebsratswahlen 2014 vorbereitet. Professor Boemke referierte am ersten Tag: „So bekommen Sie den Betriebsrat, den Sie sich wünschen“. Darin: „Abbruch der Betriebsratswahl: So stoppen Sie die Wahl per einstweiliger Verfügung“ und „Wenn Ihnen der gewählte Betriebsrat nicht passt: Wahlanfechtung als Rettungsanker“. Einen Tag später lautete sein Referat: „Kündigung der Unkündbaren: So trennen Sie sich selbst von Betriebsratsmitgliedern & Co.“.

DROHUNGEN ALS BEGLEITMUSIK

Als Königsweg zur Betriebsratsverhinderung kann die Umstrukturierung des Unternehmens gelten. Sie wird wirtschaftlich begründet, ein Zusammenhang mit der Abwehr von Mitbestimmung und kollektiver Organisierung kann durch den Unternehmenssprecher leicht ins Reich der Fabeln verwiesen werden. Durch geschicktes Teile-und-Herrsche kann ein Unternehmen gezielt organisierte Kerne von Belegschaften zerschlagen und Meinungsführer in entlegene Abteilungen abschieben. Zur häufigen Begleitmusik gehören Drohszenarien: So verlautete der israelische Feuchtartikelhersteller Albaad im münsterländischen Ochtrup, dass wichtige Betriebsteile ins Ausland verlagert würden, falls ein Betriebsrat gewählt würde. Das Leipziger Callcenter TAS AG drohte mit einem möglichen Absprung von Kunden und der Schließung von ganzen Abteilungen.

Vollkommen entgegen der deutschen Rechtslage versuchen aggressiv vorgehende Unternehmer und ihre Berater bisweilen eine Art Recht auf Betriebsratsfreiheit geltend zu machen. Mit dem Tenor „Die Gewerkschaft will uns von außen etwas aufzwingen“ können mitunter beachtliche Teile einer Belegschaft in Rage versetzt werden. So schrieb die Geschäftsführerin des Verbands Trierer Unternehmen (VTU), Sabine Plate-Betz, im Juli 2012 in einem Leserbrief an den „Trierischen Volksfreund“: „Darüber hinaus hat die IG Metall bei ihren aufdringlichen Mitgliederwerbungen übersehen, dass Art. 9 Abs. 3 des Grundgesetzes auch die negative Koalitionsfreiheit garantiert, nämlich das Recht des Einzelnen, kein Mitglied einer Gewerkschaft zu werden.“ Es ging um einen erbitterten Konflikt rund um die am Ende erfolgreiche Betriebsratsgründung beim Schaltkästenfabrikanten Natus, dessen Geschäftsführer Frank Natus zugleich Vorsitzender des örtlichen Unternehmerverbandes war.

Ganz ähnlich argumentiert die ultrakonservative US-amerikanische „Right-to-work“-Bewegung, der es nicht – wie der Wortlaut nahelegt – um ein Recht auf Arbeit geht. Sondern um das vermeintliche Grundrecht, als freier Arbeiter ohne Belästigung von Gewerkschaften und Tarifverträgen individuell seinen Lohn auszuhandeln und im Konfliktfall als Streikbrecher ungehindert das Unternehmen zu betreten. Inzwischen haben 24 von 50 US-Bundesstaaten eine entsprechende Right-to-work-Gesetzgebung verabschiedet.

In Deutschland ist die Rechtslage aber völlig anders. Das Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) sieht einen Betriebsrat ausdrücklich als Regel vor. Wenn nur drei Beschäftigte das wünschen, ist er zu wählen. Vom ersten Aushang zur Wahl eines Wahlvorstands bis zur letztendlichen Betriebsratswahl haben Unternehmer mindestens zwei Wochen Zeit zu intervenieren. Diese Zeitphase kann der Arbeitgeber durch ein verspätet geliefertes oder mangelhaftes Wählerverzeichnis beliebig strecken. Und er kann durch Anti-Betriebsrats-Propaganda eine Belegschaft in regelrechte Hysterie versetzen und im Betrieb Spannungen erzeugen, die in Einzelfällen bis zu körperlicher Gewalt eskalieren.

Bei unseren Recherchen stießen wir auf folgende Methoden: Zum einen sind das Belegschaftsversammlungen. Alle Mitarbeiter oder einzelne Abteilungen werden per Direktive von oben während der Arbeitszeit oder nach Feierabend versammelt. Die Geschäftsführung schwört die Wahlberechtigten dabei gegen die Betriebsratsgründer und die Idee eines Betriebsrats ein. Hierbei ist es am wirkungsvollsten, wenn gewerkschaftsfeindliche Meinungsführer aus der Belegschaft die Rede führen, nicht die Unternehmensführung selbst. Sie werden vorher entsprechend gebrieft. Die Methode stammt aus den USA, ist dort das am häufigsten verwendete Mittel und wird im Fachbegriff „captive audience meeting“ (verpflichtend angeordnete Versammlung) genannt.

Es kommt vor, dass der Arbeitgeber jene Kolleginnen und Kollegen, die zum Wahlvorstand gehören, in Einzelgesprächen „bearbeitet“, in denen Konsequenzen angedroht als auch Vergünstigungen angeboten werden können. Zur „Bearbeitung“ gehören oft auch Telefonanrufe nach Feierabend. Oder Abschreckung hoch drei: Den Betriebsratsinitiatoren und mutmaßlichen Sympathisanten wird gekündigt. Dies kann ohne Begründung geschehen. Dass eine Kündigung viele Monate später vor Gericht kassiert wird, ist für die Arbeitgeberseite zu diesem Zeitpunkt zweitrangig. Es geht primär um schnellen Zeitgewinn und maximale Zermürbung. Es können aber auch – mithilfe von Detektiven und verdeckten Ermittlern – gezielt Indizien für fristlose Kündigungen gesammelt bzw. konstruiert werden. Oft sind Wellen von unsubstanziierten Abmahnungen und Kündigungen zu beobachten. Nachzulesen etwa in der Pressemitteilung des Rechtsanwaltes Oliver Schmidt-Westphal vom September 2010, in der er das Unwort „betriebsratsverseucht“ und die „Schikanetrends im Mittelstand“ aufgriff.

Es kommt auch vor, dass Betriebsratsinitiatoren in andere Unternehmensteile versetzt werden, um sie zur Aufgabe zu zwingen. Auch das Herauskaufen der Betriebsratsinitiatoren durch hohe Abfindungen oder Beförderungen wird selbst aus dem Bereich der IG BCE berichtet.

INSZENIERTES CHAOS

Ist die Gründung eines Wahlvorstandes nicht zu verhindern – zumal wenn er auf Antrag der Gewerkschaft vom Arbeitsgericht eingesetzt wird –, kann die Wahlversammlung zum Showdown aufgebaut werden mit dem Ziel zu chaotisieren. Um Absprachen der Arbeitnehmerbesprechung zu blockieren, weigern sich die Führungskräfte, den Saal zu verlassen, oder sie kandidieren selbst – beides entgegen den Bestimmungen des Betriebsverfassungsgesetzes. Claqueure inszenieren Sprechchöre, Angestellte stimmen mehrfach ab. Solche und ähnliche Störmanöver, die deutliche Anzeichen dramaturgischer Planung tragen, fanden laut Presseberichten bei Natus in Trier, Albaad in Ochtrup oder beim Automobilzulieferer A.T.U. an den Standorten Werl und Weiden statt. Ein weiterer Clou des inszenierten Chaos: Die Geschäftsleitung kann die Wahl wegen Unregelmäßigkeiten anfechten.

ZERMÜRBUNG DER NEUGEWÄHLTEN

Findet die Betriebsratswahl trotz allem statt, setzt die nächste Eskalationsstufe ein: Die Betriebsratsmitglieder werden innerhalb des ersten Jahres zermürbt. Häufig kommt es dabei zu „Belegschaftsinitiativen“, die von der Geschäftsleitung und Union-Busting-Beratern angeleitet oder protegiert werden. Sie sammeln Unterschriften gegen den Betriebsrat, hängen in der Firma Plakate auf mit Slogans wie „Betriebsrat ja, aber nicht diesen“. Das Unternehmen „aktiv Gebäudereinigung“ in Kamp-Lintfort, das von den Rechtsanwälten Schreiner + Partner beraten wurde, organisierte 2010 gar einen Demonstrationszug aufgepeitschter Mitarbeiter zum Betriebsratsbüro, der bedrohliche bis gewalttätige Züge annahm. Was der Journalist Albrecht Kieser in einer WDR-Doku nachzeichnete.

Gepaart werden diese Maßnahmen oft mit gezielten Schikanen gegen einzelne Betriebsratsmitglieder. So sind Fälle bekannt, etwa vom Kantinenbetreiber Eurest, in denen BR-Mitglieder gegen ihren Willen von der Arbeit freigestellt wurden. Nicht wenige werden mit mutwillig konstruierten Abmahnungen und Kündigungen überzogen. Oder sie erhalten Anweisung zu unsinnigen Arbeiten, werden schlicht in jeder Form gemobbt. Nachvollziehbar, dass es manchem Arbeitgeber so gelingen kann, nach und nach so viele BR-Mitglieder und gewählte Nachrücker zur Aufgabe zu bringen oder zu kündigen, dass sich das gewählte Betriebsratsgremium mangels Personen auflöst. Gelingt das nicht, dürfte bei der nächsten BR-Wahl die Aufstellung gelber, unternehmerfreundlicher Listen auf der Tagesordnung stehen. 

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