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Norbert Kluge Hans Service aktuell

EU: Workers' Voice in Europa: Gemeinsam lauter werden

Ambitionierte Europapolitik mit einschneidenden Folgen funktioniert nicht wie ein Businessplan. Die Arbeitnehmerschaft muss mitgestalten können. Von Norbert Kluge

[14.12.2020]

Wenn es um mehr Mitbestimmungsrechte in Europa geht, wird das Brüsseler Parkett holprig. Diese Erfahrung haben wir als Arbeitnehmergruppe im Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) Anfang Dezember leider machen müssen. Eigentlich ist der Ausschuss seit 1957 ein bewährter Konsensbildner der europäischen Zivilgesellschaft bei allen sozialen und wirtschaftlichen Gesetzes- und Aktionsvorschlägen der EU. Bei seiner jüngsten Stellungnahme zur Rolle der Sozialpartner in der industriellen Transformation wäre er dann fast gestolpert.

Mit aller Macht versuchten Arbeitgeberrepräsentanten, den Wortlaut in sein Gegenteil zu verkehren: Jeder Hinweis auf Verbindlichkeit von gewerkschaftlicher Beteiligung und Interessenvertretung durch Unterrichtung, Anhörung und Beteiligung in Aufsichtsräten sollte getilgt werden. Den Hinweis auf den notwendigen Aktionsplan für die Umsetzung der Europäischen Säule sozialer Rechte wollte man auch nicht im Beschluss sehen. Der Versuch scheiterte zum Glück am geschlossenen Auftreten der Arbeitnehmergruppe.

Leider hat auch die zum Jahreswechsel endende deutsche EU-Ratspräsidentschaft das Thema Mitbestimmung im Arbeitsprogramm der EU-Kommission nicht stärker in den Vordergrund gerückt - von lobenswerten Ausnahmen abgesehen. Auch die Europäische Säule sozialer Rechte behandelt die Mitbestimmung nur am Rande. Aber wenigstens soll sie als tragendes Teil für ein soziales Europa in den Aktionsplan für einen Totalumbau der EU zur CO2-freien Zone bis zum Jahr 2050 eingebaut werden.

Immerhin dämmert den Entscheiderinnen und Entscheidern langsam, dass die vorwiegend wirtschaftliche und umweltpolitische Programmierung des Umbaus durch Green Deal, Aufbauplan Europa-Next-Generation oder EU-Industriestrategie für ein soziales Europa nicht ausreichen. Zudem steht die Akzeptanz der Demokratie auf dem Spiel. Viele Menschen könnten die eingepreisten sozialen Folgen wie einen ungerechten Frontalangriff auf die Leistungen ihres bisherigen Arbeitslebens empfinden. Daher wird nur eine „Just Transition“ zum Ziel führen.

Ambitionierte Politik mit einschneidenden Folgen für sehr viele lässt sich nicht wie ein Businessplan in einem multinationalen Unternehmen umsetzen. Der Wandel wird nur gut für alle ausgehen, wenn Europas Workers‘ Voice von Beginn an den Prozess der Transformation aktiv mitgestalten kann. Daher sollte jetzt die Stunde der Mitbestimmung als demokratisches Gestaltungsprinzip der sozialen Marktwirtschaft im Europa von morgen schlagen. Die sozial aufgeschlossene nächste EU-Ratspräsidentschaft der Portugiesen dürfte diesem Ansatz offen gegenüberstehen.

Dr. Norbert Kluge ist Gründungsdirektor der Instituts für Mitbestimmung und Unternehmensführung der Hans- Böckler-Stftung (I.M.U.) und Mitglied des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses (EWSA).

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