Rätselhaftes Fundstück: Maifeiern in Ost und West
1962 ist die Lage im geteilten Berlin bis zum Äußersten gespannt. Die ersten Maifeiern nach dem Mauerbau stehen an. Der Osten nutzt die Gunst der Stunde und haut dem Westen im Lautsprecherkrieg noch ein paar Dezibel mehr als üblich um die Ohren. Von Guntram Doelfs
Es ist eine klare Botschaft an die Machthaber im Ostteil der Stadt: „Freiheit kennt keine Mauer“ lautet das Motto der großen Mai-Kundgebung, die der DGB in Westberlin organisiert. Vor der Ruine des Reichstages und in Sichtweite der Mauer versammeln sich mehr als eine halbe Million Menschen. Sie feiern nicht nur den Tag der Arbeit, sie protestieren vor allem gegen den frisch errichteten Wall, mit dem das kommunistische Regime die Stadt eingemauert hat. Die Spaltung ist zementiert – wer jetzt noch fliehen will, sitzt in der Falle.
Die Demarkationslinie, an der sich die Armeen zweier weltpolitischer Blöcke gegenüberstehen, ist unpassierbar. Im Ostteil der Stadt laufen die Maifeierlichkeiten der Gegenveranstaltung. Bei einer Militärparade marschieren Einheiten der Betriebskampfgruppen und anderer „bewaffneter Organe“ auf; auch Zehntausende Ostberliner Familien sind unterwegs. Viele haben rote Nelken im Knopfloch und winken mit kleinen DDR-Fahnen. Die Botschaft hinter dem Symbol: Hier feiert die wirkliche Arbeiterklasse den proletarischen Zusammenhalt, so zumindest wollen es die SED-Machthaber verstanden wissen. Wer nicht zu der Inszenierung erscheint, bekommt Ärger mit der Staatsmacht.
Zur Kundgebung des DGB ist auch Heinrich Lübke aus Bonn angereist. Dass ausgerechnet der Bundespräsident eine Rede hält und die Kundgebung dadurch quasi zu einer westdeutschen Veranstaltung macht, erbost die Ostseite. Was dann als Reaktion folgt, geht als vorläufiger Höhepunkt im sogenannten Lautsprecherkrieg an der Mauer in die Geschichte ein. Dabei sabotierten Ost und West die Kundgebungen der jeweiligen Gegenseite, indem sie deren Veranstaltungen in Mauernähe mit riesigen Lautsprecheranlagen übertönten. Schon seit einem Jahr ging das so.
Für die Mai-Kundgebung 1962 und Lübkes Auftritt vor dem Reichstag holt der Osten aber zum großen Schlag aus. Am Brandenburger Tor fahren 15 „Rote Hugos“ auf, wie Westberliner über die Lärmmobile der Ostseite spötteln. Bis zu 105 Dezibel Lautstärke entwickelt jeder Hugo, wie bei einem Rockkonzert. Gegen den infernalischen Lärm kommen die vier Lautsprecherwagen der Westseite nicht an. Lübkes Rede geht unter – wie auch der eigentliche Anlass des Tages der Arbeit und der Kampf des DGB für bessere Arbeitsbedingungen.
Rätselfragen
- Wer war im Jahr 1962 Regierender Bürgermeister von Westberlin?
- Billy Wilder drehte in Berlin 1961 eine bissige Politsatire über den Ost-West-Konflikt in der Stadt. Während der Dreharbeiten ließ Walter Ulbricht die Berliner Mauer errichten. Wie heißt der Film, der in den 1980er Jahren zum Kultstreifen avancierte?
- Welcher Partei gehörte Heinrich Lübke an?
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Auflösung der Rätselfragen 3/2025
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