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Maurike Maassen, 54, arbeitet als Verkäuferin in einem Markt der Warenhauskette Netto in Essen-Altendorf. Sie ist Betriebsrätin und ver.di-Mitglied. Magazin Mitbestimmung

Textdokumentation von ANDREAS SCHULTE: Ich sitze bei Netto an der Kasse

Ausgabe 12/2017

Mein Arbeitsplatz Maurike Maaßen, 54, arbeitet als Verkäuferin in einem Markt der Warenhauskette Netto in Essen-Altendorf. Sie ist Betriebsrätin und ver.di-Mitglied. Sonntagsarbeit lehnt sie grundsätzlich ab.

Textdokumentation von ANDREAS SCHULTE

„Ich arbeite als Verkäuferin in einem Netto-Markt in Essen-Altendorf. Gelernt habe ich das nicht, zumindest nicht mit Abschluss. Meine Eltern hatten aber früher Trinkhallen, daher wollte ich schon immer Verkäuferin werden. Hier im Markt mögen mich die Kunden und die Kolleginnen. Ich bin deshalb gerne Netto-Verkäuferin.

Allerdings trifft das fast nur bei mir zu. Man kann den weniger motivierten Kolleginnen keinen Vorwurf machen – sie können einfach nicht mehr. Sie stehen enorm unter Druck und haben Angst um ihren Job. Manchmal wird damit gedroht, sie zu versetzen. Viele arbeiten daher auch nach Feierabend noch oder die Pause durch – unbezahlt natürlich.

Durch solche Arbeitsbedingungen ist die Freundlichkeit der Kolleginnen verloren gegangen. Das sieht man in ihren Gesichtern. Ich habe mir meine Freundlichkeit erhalten, indem ich nur die Arbeit erledige, die im Vertrag steht. Mehrarbeit wird sonst vom Arbeitgeber schnell stillschweigend vorausgesetzt und zur Gewohnheit. Das wollen viele Kollegen nicht einsehen, obwohl ich mir als Betriebsrätin den Mund deswegen fusselig rede.

Auf der anderen Seite verstehe ich auch den Arbeitgeber nicht: Die Filialen wären in einem besseren Zustand und das Personal freundlicher, wenn die Firma mehr Kollegen zu unserer Entlastung einstellen würde und wir mehr Geld bekämen. Ich kriege für 24 Stunden im Zweischichtbetrieb 1.100 Euro netto. Das ist nicht viel, vor allem, da mein Mann arbeitslos ist.

Am liebsten sitze ich an der Kasse. Denn wenn man schnell und gut ist, kann man dort am besten mit den Kunden flachsen. „Je voller der Laden, desto schöner“, ist mein Motto. Deshalb arbeite ich an Heiligabend, meinem Geburtstag, eigentlich gerne. Aber damit stehe ich allein da – außer mir mag keine Kollegin diesen Trubel. Sonntagsarbeit lehne ich aber grundsätzlich ab. Denn die Öffnungszeiten sind schon jetzt so, dass Kunden bequem einkaufen können.

Unserem Laden fühle ich mich mittlerweile emotional verbunden. Ich bin seit sechs Jahren hier. Früher habe ich in einem Markt auf der Bochumer Landstraße gearbeitet. Der wurde irgendwann zugemacht. Als ich gesehen habe, wie die Kassen abgebaut wurden, habe ich Rotz und Wasser geheult. Das wäre jetzt wieder so, weil ich aus meiner Verkäuferinnenhaut einfach nicht raus kann. Wenn ich in einem anderen Supermarkt bin, beginne ich im Kopf sofort damit, Kartons auszupacken. Das steckt irgendwie in mir drin. Zum Glück kommt es nicht so oft vor, denn den täglichen Einkauf überlasse ich meinem Mann. Der kann das besser als ich: Er gibt nicht so viel Geld aus.“

Aufmacherfoto: Uli Baatz

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