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Magazin Mitbestimmung

: Geschätzte Außenseiter

Ausgabe 03/2006

Krupp-Chef Mommsen favorisiert das Montanmodell, Salzgitter-Vorstand Birnbaum würdigt die Mitverantwortung der Arbeitnehmer. Einige wenige Manager traten für die Mitbestimmung ein.


Von Cornelia Girndt
Die Autorin ist Redakteurin des Magazin Mitbestimmung.


Die Szenarien vom Untergang des Abendlandes, sprich der freiheitlichen Wirtschaftsordnung konnten diese Manager nicht nachvollziehen - und machten das auch öffentlich. Dabei brachten sie nichts weniger als ihre authentischen Erfahrungen ein: Denn Vorstände wie Birnbaum, Mommsen und Schmücker kamen aus der Montanindustrie; sie konnten also Mitte der 70er Jahre auf eine seit 1951 existierende mitbestimmte Praxis der Unternehmensführung zurückgreifen - mit paritätisch besetzten Aufsichtsräten und einem Arbeitsdirektor, der nicht gegen den Willen der Arbeitnehmervertreter bestellt werden konnte.

Ernst Wolf Mommsen, Vorstandsvorsitzender der Friedrich Krupp GmbH, war sogar als Sachverständiger vom DGB benannt worden, er saß also bei den vier Anhörungen im Bundestagsausschuss zum Mitbestimmungsgesetz von Oktober bis Dezember 1974 neben IG-Metall-Vorstand Rudi Judith und dem DGB-Vorsitzenden Heinz-Oskar Vetter. Diese Konstellation sorgte für bissige Kommentare in der Wirtschaftspresse. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung stellte "den geschätzten Außenseiter der deutschen Industrie", der "in der Frage der Mitbestimmung die Partei der Gewerkschaften ergriffen hat", in einem Porträt vor.

Ernst Wolf Mommsen - Enkel des berühmten Historikers und Neffe von Max Weber - war eine Persönlichkeit der deutschen Wirtschaft und dabei auch Staatssekretär bei Wirtschaftsminister Helmut Schmidt. Er war der dezidierten Ansicht, auch Unternehmer müssten sich gesellschaftlicher Kritik stellen und ihrerseits zu "systemstabilisierenden Reformen" beitragen.

In der Tat hatte Ernst Wolf Mommsen bei den Anhörungen im Bundestagsausschuss keinen Hehl daraus gemacht, dass er das klare und eindeutige Montanmitbestimmungs-Modell bevorzugte. So begründete er ausführlich, warum der neutrale Mann am besten zur Auflösung von Pattsituationen im Aufsichtsrat taugt - besser als etwa die Doppelstimme des Aufsichtsratsvorsitzenden.

Etwas Aufruhr verursachte Mommsen, als er darauf hinwies, dass den iranischen Investoren - der Schah von Persien hatte gerade eine größere Beteiligung an den Krupp-Hüttenwerken getätigt - die Montanmitbestimmung besser zu vermitteln gewesen sei als der (komplizierte) vorliegende Regierungsentwurf.

Auch mit Hans Birnbaum - er war Vorstandsvorsitzender der Salzgitter AG und Aufsichtsratsvorsitzender der VW AG - hat sich 1975 kein Leichtgewicht der deutschen Wirtschaft für die Mitbestimmung stark gemacht. Birnbaum - der zum Ärger der Arbeitgeberverbände auch noch Mitglied des CDU-Wirtschaftsrates war - hatte sich auf dem wissenschaftlichen DGB-Kongress im Oktober 1975 in Frankfurt "alles in allem positiv" über die Montanmitbestimmung geäußert.

Nicht nur das. In einem Spiegel-Interview machte der Salzgitter-Vorstand publik, seine Ansicht werde "von manchem anderen Vorstand der Stahlbranche" geteilt - namentlich nannte er dabei den VW-Vorstandsvorsitzenden Toni Schmücker, der zuvor bei Rheinstahl gewesen war.

"Mitbestimmung heißt Mitverantwortung", erklärt Birnbaum im Spiegel-Interview. Und berichtet von "den schmerzhaften Operationen, die wir bei Salzgitter durchführen mussten und die zum Verlust vieler Arbeitsplätze führten" und dass "dieser Prozess uns wahrscheinlich sehr viel schwerer gefallen wäre, wenn wir nicht die Mitverantwortung der Betriebsräte im Rahmen der paritätischen Mitbestimmung gehabt hätten". Oft habe er, der Vorstandsvorsitzende, mit dem Konzernbetriebsratsvorsitzenden "bis in den späten Abend hinein zusammengesessen und darüber nachgedacht, welchen Weg wir gehen wollen". .

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