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Magazin Mitbestimmung

: Editorial

Ausgabe 07/2005

Weitblick gefragt

von Cornelia Girndt
Cornelia-Girndt@boeckler.de

Liebe Leserinnen und Leser,
wussten Sie, dass in deutschen Aufsichtsratsräten Kritik an Unternehmensvorständen einer Majestätsbeleidigung gleichkommt? Oder dass die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat eine entscheidende Rolle spielen, ob sich eine Region weiterentwickelt oder industrielles Brachland wird? Einsichten dieser Qualität warten auf Sie, wenn Sie durch unser Themenheft zur "Unternehmensmitbestimmung" blättern.

Anfang Juli werden Sie dann ganz genau wissen, ob nun die Bundestagswahl auch kommt. Vielleicht kennen Sie zu diesem Zeitpunkt auch den Auftrag an die neunköpfige Regierungskommission zur Unternehmensmitbestimmung unter Leitung von Kurt Biedenkopf. (siehe Seite 7). Hier hakt es irgendwo. Wollen die Wirtschaftsverbände BDA und BDI auf Zeit spielen? Um einen möglichen Regierungswechsel abzuwarten, der den Regierungsauftrag an eine Kommission - so er überhaupt zustande käme - schwarz-gelb einfärben würde? Und eine härtere Gangart gegen die Gewerkschaften verspräche. Die sind vor allem von den Vorschlägen der Spaßpartei wenig erfreut. Die FDP will die Montanmitbestimmung ganz abschaffen, generell nur eine Drittelbeteiligung der Arbeitnehmervertreterin den Aufsichtsräten zulassen und "das Gewerkschaftsprivileg beseitigen".

An den Externen dürften sich die heftigsten Kontroversen zwischen Arbeitgeberseite und Gewerkschaften entzünden. Denn egal, ob es um internationalisierte oder verkleinerte Aufsichtsräte gehen wird, um Verhandlungslösungen oder um ein neues Wahlverfahren, immer geht es dabei auch um die Sitze der externen Gewerkschafter. Nachzulesen bei Martin Höpner in seinem Beitrag auf Seite 20.

Fast dreißig Jahre nach Verabschiedung des Mitbestimmungsgesetzes 1976 zeichnet sich erstmals eine größere Revision der Mitbestimmungsregeln ab. Hier ist Weitblick gefragt. Wo es langgehen könnte - und wo nicht - machen in unserem Heft namhafte Autoren und Interviewpartner deutlich. Dabei zeigt eine Umfrage unter Vertretern unserer Wirtschafts- und Gewerkschaftselite (Seite 38): Wenn es in deutschen Aufsichtsräten Probleme gibt, dann betreffen sie die Gesamtheit des Aufsichtsrats. Dass die Kontrollorgane keine Diskussions- und Kritikkultur pflegen, liegt nicht etwa an der Mitbestimmung. Sondern daran, dass "viele Vorstände jedwede Kritik als Beleidigung empfinden".

 

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