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HBS Böckler Impuls

Streiks: Leichter Rückgang bei den Arbeitskämpfen

Ausgabe 05/2014

2013 haben weniger Beschäftigte gestreikt als 2012. Auch die Zahl der ausgefallenen Arbeitstage sank. Im internationalen Vergleich ist Deutschland damit relativ streikarm. Aber vor allem im Dienstleistungssektor eskalieren immer wieder Konflikte.

Rund eine Million Beschäftigte haben nach der aktuellen WSI-Arbeitskampfbilanz 2013 bei Streiks und Warnstreiks die Arbeit niedergelegt. Das waren etwa 200.000 weniger als im Jahr zuvor. Die Zahl der ausgefallenen Arbeitstage ging um rund 80.000 auf 551.000 zurück, hat WSI-Forscher Heiner Dribbusch ermittelt.

Sieben Monate Arbeitskampf im Handel, große Warnstreikwellen. Der längste und umfangreichste Arbeitskampf des Jahres fand im Einzelhandel statt: Von Mai bis Dezember kam es zu einer Fülle von Streikaktionen in mehr als 950 Einzelhandelsbetrieben. „Im Einzelhandel verschärfte vor allem die Kündigung der Manteltarifverträge durch die Arbeitgeber den Konflikt“, sagt Dribbusch. Diese Auseinandersetzung verursachte zusammen mit zwei großen Warnstreikwellen das Gros der Ausfalltage: Mehr als 700.000 Beschäftigte legten in der Metall- und Elektroindustrie kurzfristig die Arbeit nieder. In den verschiedenen Warnstreiks der Tarifrunde im Öffentlichen Dienst der Länder zählten die Gewerkschaften rund 150.000 Beteiligte.

Daneben gab es eine Vielzahl kleinerer Auseinandersetzungen. Insgesamt verzeichnete das WSI im vorigen Jahr 218 tarifliche Arbeitskämpfe, und damit 32 weniger als 2012. Rund 80 Prozent davon fanden im Dienstleistungssektor statt. „Sehr deutlich lässt sich nach wie vor der Zusammenhang zwischen Konflikthäufigkeit und Zerklüftung der Tariflandschaft beobachten“, sagt WSI-Forscher Dribbusch. Hier wirkten sich einerseits die Abkehr öffentlicher Auftraggeber von ehemals einheitlichen Tarifstrukturen sowie die Privatisierung von Post, Telekommunikation und Gesundheitswesen aus. Hinzu kämen wiederkehrende Versuche von privatwirtschaftlichen Unternehmen, sich Tarifverträgen zu entziehen oder erst gar keine Tarifbindung einzugehen. „Auseinandersetzungen um Haus- und Firmentarifverträge waren daher auch 2013 ein ganz wesentlicher Grund für Streiks“, erklärt der Wissenschaftler. Prominentestes Beispiel: der Arbeitskampf beim Versandhändler Amazon.

Im internationalen Vergleich wird in Deutschland gleichwohl weiterhin relativ wenig gestreikt, zeigt das WSI auf Basis der aktuellsten verfügbaren Daten. Nach Dribbuschs Berechnungen fielen hierzulande im Zeitraum zwischen 2005 und 2012 im Jahresdurchschnitt pro 1.000 Beschäftigte 16 Arbeitstage durch Arbeitskämpfe aus. Zum Vergleich: In Frankreich kamen nach amtlichen Angaben auf 1.000 Beschäftigte 150 Arbeitskampftage, in Dänemark waren es 106, in Belgien 73, in den Niederlanden 9 und in Österreich 2 Tage. Dabei sei allerdings zu beachten, dass die amtlichen Streikstatistiken in vielen Ländern lückenhaft sind. Das gilt nach Dribbuschs Erkenntnissen aufgrund erheblicher Defizite bei der Erfassung in besonderem Maße für die Statistik der Bundesagentur für Arbeit. Diese weist im gleichen Zeitraum mit durchschnittlich 4 Ausfalltagen lediglich ein Viertel des vom WSI ermittelten Streikvolumens aus.

Ausblick auf 2014: Einen der spektakulärsten Arbeitskämpfe führten 2013 die Beschäftigten im Bewachungsgewerbe in Nordrhein-Westfalen. Das Ergebnis des vor allem von der Flughafensicherheit getragenen Streiks waren weit über dem bisher Branchenüblichen liegende Erhöhungen. Hieran versuche in diesem Jahr das Sicherheitspersonal am Frankfurter Flughafen anzuknüpfen. „Diese Streiks sind Ausdruck wachsender Unzufriedenheit in den traditionellen Niedriglohnbranchen“, analysiert Dribbusch. „Wenn jetzt von Arbeitgeberseite nach einer Verschärfung des Streikrechts gerufen wird, will man den Beschäftigten ihr wirksamstes Mittel nehmen, sich gegen schlechte Arbeitsbedingungen zu wehren.“

  • Rund eine Million Beschäftigte haben sich 2013 an Streiks und Warnstreiks beteiligt. Im internationalen Vergleich wird in Deutschland relativ wenig gestreikt. Zur Grafik

Heiner Dribbusch ist Experte für Tarif- und Gewerkschaftspolitik im WSI.

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